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BFH-Urteil vom 23.6.1982 (II R 155/80) BStBl. 1982 II S. 741

Der BFH hält daran fest, daß mehrere Verträge auch dann ein einheitliches auf den Erwerb von fertigem Wohnraum gerichtetes Vertragswerk bilden können, wenn unterschiedliche Personen Vertragspartner des Erwerbers sind. Es ist im Einzelfall ausreichend, wenn der an dem Bauvorhaben selbst nicht beteiligte Grundstückseigentümer in das Vertragswerk derart eingebunden ist, daß der Initiator des Bauvorhabens den Interessenten ein geschlossenes Vertragsbündel anbieten kann, in dessen Rahmen der Grundstückskaufvertrag einen Teilvertrag bildet (Fortentwicklung des Urteils vom 21. Dezember 1981 II R 124/79, BFHE 135, 217, BStBl II 1982, 330).

GrEStG Bln § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 6 Abs. 1 Nrn. 9, 12.

Vorinstanz: FG Berlin

Sachverhalt

Streitig ist, ob der Erwerb eines Miteigentumsanteils an einem in Berlin belegenen Grundstück durch den Kläger gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 9 des Berliner Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) von der Grunderwerbsteuer befreit ist.

Eigentümerin des damals noch unbebauten Grundstücks war Frau A. Im Vorgriff auf die beabsichtigte Grundstücksparzellierung und -veräußerung hatte die Firma H B, Bauunternehmen, einen Plan zur Bebauung des Grundstücks mit einer Reihenhausanlage erstellt. Sie hatte am 22. Oktober 1976 einen Antrag auf Baugenehmigung gestellt, die ihr am 4. Februar 1977 erteilt wurde. Errichtet werden sollten sieben Wohneinheiten.

Am 18. November 1976 erteilte der Kläger der C Steuerberatungsgesellschaft mbH "als Treuhänder" (Treuhänderin) eine notariell beglaubigte Vollmacht, für seine Rechnung alle Willenserklärungen abzugeben und entgegenzunehmen, die zum Erwerb eines Miteigentumsanteils an dem genannten Grundstück von 143,8/1000, zur Bildung von Wohnungseigentum und zur Durchführung des Bauvorhabens erforderlich sind.

Aufgrund dieser Vollmacht schloß der Geschäftsführer der Treuhänderin namens des Klägers am 22. November 1976 mit der Grundstückseigentümerin einen notariell beurkundeten Vertrag über den Kauf eines Grundstücksmiteigentumsanteils von 143,8/1000 gegen einen Kaufpreis von 83.750 DM. Gleichzeitig erklärten die Vertragspartner die Auflassung. Die Übergabe des Mitbesitzes an den Kläger und der Übergang von Nutzungen und Lasten sollte am 1. Dezember 1976 erfolgen.

Am 21. Dezember 1976 schloß die Treuhänderin namens des Klägers zwei weitere Verträge. Durch den Generalunternehmervertrag wurde die Firma H B (Generalunternehmerin) zur Erstellung eines Reihenhauses gegen Zahlung von 199.928 DM verpflichtet. Durch den Geschäftsbesorgungsvertrag mit der D Grundstücksgesellschaft mbH (Beauftragte), einem Organ der Generalunternehmerin, wurde der Beauftragten die wirtschaftliche und finanzielle Vorbereitung, Durchführung und Abwicklung des Bauobjekts übertragen. Hierzu gehörte auch die Besorgung der erforderlichen Zwischenfinanzierung, wobei die Beauftragte die Kosten der Zwischenfinanzierung zu tragen hatte. Sie war berechtigt, die Rechte des Klägers aus den abgeschlossenen Verträgen wahrzunehmen. Sie durfte mit schriftlicher Zustimmung der Treuhänderin auch Verträge im Namen und für Rechnung des Klägers abschließen.

Als Entgelt für ihre Leistungen erhielt die Beauftragte

für die wirtschaftliche Betreuung 3 v.H.

 

der kalkulierten Gesamtaufwendungen

 

von 335.000 DM zuzüglich

 

Mehrwertsteuer

= 11.155,50 DM

 

für die Besorgung der Zwischen-

 

finanzierung

11.155,50 DM

 

für die Freistellung von den

 

Zwischenfinanzierungskosten

22.311,00 DM

 

für die Mithaftung für das Fremd-

 

kapital während der Bauzeit

6.700,00 DM

 

------------------

zusammen

51.322,00 DM

Ein Rücktrittsrecht war für den Fall vereinbart, daß der Kläger oder die Verkäuferin wirksam vom Grundstückskaufvertrag zurückträten.

Die Treuhänderin schloß entsprechende Verträge namens der Erwerber der anderen Miteigentumsanteile aufgrund ihr erteilter Vollmachten. Am 7. Januar 1977 wurde die Teilung des Grundstücks in Wohnungseigentum notariell beurkundet.

Das beklagte Finanzamt (FA) lehnte es ab, den Erwerbsvorgang gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 9 GrEStG von der Grunderwerbsteuer freizustellen. Es erließ vielmehr am 10. März 1977 gegen den Kläger zwei Grunderwerbsteuerbescheide (Bescheid I und II).

Durch Bescheid I setzte es gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG wegen des Grundstückserwerbs vom 22. November 1976 Grunderwerbsteuer in Höhe von 5.862,50 DM (berechnet nach einer Gegenleistung von 83.750 DM) fest. Durch den Bescheid II setzte es gemäß § 1 Abs. 2 GrEStG wegen der Verschaffung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht an dem Reihenhaus Grunderwerbsteuer in Höhe von 17.587,50 DM (berechnet nach einer Gegenleistung von 251.250 DM) fest.

Nach erfolglosem Einspruch hat der Kläger Klage erhoben und beantragt, die angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheide in der Gestalt der Einspruchsentscheidungen ersatzlos aufzuheben.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben.

Das FA hat Revision eingelegt und beantragt, die Klage unter Aufhebung des angefochtenen Urteils abzuweisen. Verletzt seien § 6 Abs. 1 Nr. 9 GrEStG und die §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Im übrigen habe das FG keine ausreichenden Feststellungen über die Vorbereitung des vorliegenden Bauherrenmodells angestellt.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Die vom FG bisher getroffenen Feststellungen rechtfertigen nicht seine Entscheidung, daß der der Grunderwerbsteuer unterliegende Grundstückskaufvertrag gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 9 GrEStG von der Besteuerung ausgenommen sei. Sie lassen eher die Schlußfolgerung zu, daß die drei namens des Klägers durch die Treuhänderin abgeschlossenen Verträge ein einheitliches Vertragswerk seien, das auf den Erwerb von bezugsfertigem Wohnungseigentum gegen eine Gegenleistung in Höhe von 335.000 DM gerichtet ist. Das FG hat sich bei seiner Entscheidung vor allem durch die Überlegung leiten lassen, daß die drei genannten Verträge seiner Auffassung nach keine ausreichende gegenseitige Abhängigkeit aufwiesen, die drei Vertragspartner des Klägers sich somit nicht gemeinschaftlich zur Übertragung einer fertigen Wohnung verpflichtet hätten und auch keine Vorvereinbarung geschlossen worden sei, die sich sowohl auf den Grund und Boden als auch auf das Gebäude bezogen habe. Diese Auffassung hält einer Nachprüfung nicht stand.

Wie der Senat zuletzt am 21. Dezember 1981 durch das Urteil II R 124/79 (BFHE 135, 217, BStBl II 1982, 330) entschieden hat, können mehrere Verträge in ihrem rechtlichen Bestand so miteinander verbunden sein, daß ein rechtlich einheitlicher Vertrag i. S. des § 139 BGB vorliegt, der auf den Erwerb einer fertigen Wohnung gerichtet ist. Dies gilt auch dann, wenn sich nicht der Grundstücksverkäufer, sondern ein Dritter zur Errichtung des Gebäudes verpflichtet. In einem solchen Falle ist jeder Vertragspartner des Erwerbers (in Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften des § 420 BGB) nur zu einem gegenständlich begrenzten Teil der einheitlichen Leistung verpflichtet. Hieran hält der Senat fest.

Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn der Grundstücksveräußerer und der Gebäudehersteller nicht wirtschaftlich miteinander verflochten sind. Auch in diesem Falle können die verschiedenen Verträge innerlich miteinander zu einem einheitlichen Vertragswerk verknüpft sein. Dies zeigt der vorliegende Fall deutlich. Die Planungen der Generalunternehmerin konnten nur dann zu einem wirtschaftlichen Erfolg führen, wenn sichergestellt war, daß die an den geplanten Wohnungen interessierten Personen alle für die Übertragung dieser Wohnungen erforderlichen Verträge abschlossen und auch die Grundstückseigentümerin nur diesen Interessenten Grundstücksmiteigentumsanteile verkaufte, mit anderen Worten: wenn jeder Vertragspartner seinen Beitrag zum erstrebten einheitlichen Erfolg leistete. Dies konnte im vorliegenden Fall offensichtlich sichergestellt werden. Die Grundstückseigentümerin hat ihren Beitrag dadurch geleistet, daß sie nur an Interessenten verkauft hat, die vorher der Treuhänderin umfassende Vollmacht erteilt hatten. Mit der Erteilung der Vollmachten an die Treuhänderin wiederum war offensichtlich gewährleistet, daß nicht nur die Kaufverträge mit der Grundstückseigentümerin, sondern auch die übrigen Verträge zu den festgelegten Bedingungen abgeschlossen wurden. Nach Sachlage ist anzunehmen, daß die Interessenten bei Erteilung der Vollmacht wußten, hinsichtlich welchen Reihenhauses die Verträge abgeschlossen werden sollten und welche Gesamtkosten für dieses Haus veranschlagt waren. Bei dieser Sachlage bot die Person der Treuhänderin dem Initiator des Bauvorhabens Gewähr dafür, daß es nach Erteilung der erforderlichen Vollmacht zum Abschluß aller Durchführungsverträge kommen würde. Es ist nicht vorstellbar, daß die Treuhänderin bereit und in der Lage war, ggf. im Interesse der Interessenten als Treugeber einen anderen Generalunternehmer zu suchen, der zu günstigeren Konditionen gebaut hätte. Es wird angenommen werden müssen, daß die Treuhänderin insoweit auch der Generalunternehmerin und der Beauftragten im Wort war.

Nicht von ausschlaggebender Bedeutung ist es, ob und inwieweit die drei Verträge verbal miteinander verbunden worden sind. Ausreichend ist die Annahme, daß sie miteinander stehen oder fallen sollten, wovon nach Sachlage auszugehen ist.

In diesem Zusammenhang ist noch darauf hinzuweisen, daß eine Eigentumswohnung (hierzu rechnet auch ein Reihenhaus in der Rechtsform des Wohnungseigentums) nicht für sich allein erstellt werden kann (vgl. das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4. September 1974 II R 112/69, BFHE 113, 545, BStBl II 1975, 89). Dafür aber, daß sich die Interessenten zur gemeinsamen Erstellung der gesamten Wohnanlage entsprechend dem BFH-Urteil vom 6. Oktober 1976 II R 65/71 (BFHE 120, 292, BStBl II 1977, 88) in einer Aufbauvereinbarung zusammengeschlossen haben sollten, ist nichts vorgetragen worden.

Ohne Bedeutung ist es im vorliegenden Fall, daß die Auflassung noch vor Baubeginn erklärt worden ist. Auf die Reihenfolge, in der die einzelnen Vertragspartner des Klägers ihre Leistungen erfüllt haben, kommt es nicht an (vgl. BFH-Urteile vom 25. Juli 1979 II R 105/77, BFHE 128, 544, 550, BStBl II 1980, 11, und in BFHE 135, 217, BStBl II 1982, 330).

Nach allem hat das angefochtene Urteil keinen Bestand. Der Senat vermag nicht durchzuerkennen. Eine abschließende Entscheidung setzt einen umfassend aufgeklärten Sachverhalt voraus. Hieran fehlt es gegenwärtig hinsichtlich der Vorgänge, die zur Erteilung der Vollmacht vom 18. November 1976 geführt haben. Auch wenn es wenig wahrscheinlich ist, daß die noch zu klärenden Umstände gegen die Annahme eines einheitlichen auf den Erwerb einer fertigen Wohnung gerichteten Vertragswerks sprechen könnten, muß dem FG und den Beteiligten Gelegenheit gegeben werden, den Sachverhalt weiter aufzuklären. Dies wird wegen seiner Mitwirkungspflicht im vorliegenden Fall vor allem Sache des Klägers sein. Er hat auch noch Gelegenheit, ggf. Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 1 Nr. 12 GrEStG wegen Erwerbs einer eigengenutzten Eigentumswohnung geltend zu machen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß der Senat bereits früher entschieden hat, die unterschiedlichen Nutzungsvoraussetzungen bei Erwerb eines unbebauten Grundstücks zur Bebauung und bei Ersterwerb einer fertiggestellten Wohnung verstoßen nicht gegen den Gleichheitssatz (vgl. das Urteil vom 27. Januar 1972 II R 167/65, BFHE 105, 504, BStBl II 1972, 639, zum früheren bayerischen Recht).

2. Die Zurückverweisung an das FG ist nicht nur hinsichtlich des Bescheides I, sondern auch hinsichtlich des Bescheides II erforderlich. Dieser Bescheid ist zwar auf jeden Fall fehlerhaft, soweit er auf § 1 Abs. 2 GrEStG gestützt worden ist. Im Falle eines einheitlichen auf Übertragung des Reihenhauses in der Form des Wohnungseigentums gerichteten Rechtsgeschäfts ist die Steuer nur aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG entstanden. Der Bescheid II kann aber ggf. zusammen mit dem Bescheid I gleichwohl aus dem rechtlichen Gesichtspunkt des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG aufrechterhalten werden. Der zugrunde gelegte Lebenssachverhalt ändert sich dadurch nicht. Auch wenn nur ein einheitliches Rechtsgeschäft vorliegt, ist die Erteilung zweier Teilsteuerbescheide im vorliegenden Fall möglich. Wie der Senat in seiner Entscheidung in BFHE 135, 217, BStBl II 1982, 330 ausgeführt hat, handelt es sich bei der Leistung des Grundstücksverkäufers zur Übereignung des Grundstücks und bei den Leistungen der übrigen Beteiligten zur Gebäudeerrichtung um Teile einer einheitlichen, aber teilbaren Leistung. Dementsprechend ist auch jeder Schuldner nur insoweit Steuerschuldner der Grunderwerbsteuer, als sie der Gegenleistung entspricht, die auf seine Leistung entfällt. Bei dieser Sachlage muß es zumindest als möglich angesehen werden, dem Erwerber statt eines einheitlichen Steuerbescheids zwei Teilsteuerbescheide zu erteilen.

Im übrigen weist der Senat noch darauf hin, daß der Kläger auch dann hinsichtlich des Steuerbescheids II keinen endgültigen Erfolg hätte erzielen können, wenn dieser Steuerbescheid aufzuheben gewesen wäre. In diesem Falle würde sich für das FA die Möglichkeit eröffnen, den Steuerbescheid I gemäß § 174 Abs. 4 der Abgabenordnung entsprechend zu ändern.