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BFH-Urteil vom 27.10.1982 (II R 42/77) BStBl. 1983 II S. 45

Auch soweit § 25 ErbStG 1974 i. d. F. des Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrechts den Abzug einer auf einem Vermächtnis beruhenden Rentenverpflichtung ausschließt, ist die Vorschrift weder verfassungswidrig noch enthält sie einen Verstoß gegen das Bereicherungsprinzip.

ErbStG 1974 a.F. § 25.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Der am 20. Juli 1974 verstorbene Vater des Klägers hatte diesen durch Testament zum Alleinerben eingesetzt und ihn mit einem Vermächtnis zugunsten seiner Mutter (Ehefrau des Erblassers, geboren am 15. September 1907) beschwert. Neben dem Wohnrecht an einem zum Nachlaß gehörenden Haus sollte die Mutter u. a. monatlich 1.700 DM Leibrente erhalten.

Das beklagte Finanzamt (FA) errechnete den Bruttowert des Nachlasses auf 508.308 DM und den Wert des steuerpflichtigen Nachlasses unter Berücksichtigung verschiedener Nachlaßverbindlichkeiten auf 435.584 DM. Den Kapitalwert der Rente in Höhe von 186.456 DM berücksichtigte es dabei ebensowenig wie den Kapitalwert des Wohnrechts in Höhe von 8.902 DM. Mit Steuerbescheid vom 11. September 1975 setzte es gegen den Kläger 24.185 DM Erbschaftsteuer fest. Von der Steuer stundete es entsprechend der Wahl des Klägers einen Teilbetrag von 10.845 DM nach § 25 Abs. 1 Buchst. b des Erbschaftsteuergesetzes 1974 in der bis zum 30. August 1980 geltenden Fassung (ErbStG 1974 a. F.). In der Einspruchsentscheidung erhöhte das FA den gestundeten Betrag auf 16.585 DM, wies den Einspruch aber im übrigen als unbegründet zurück.

Die Klage, mit der der Kläger die Abänderung der Verwaltungsakte dahin gehend begehrt, daß die Steuer um 16.585 DM niedriger festgesetzt wird, hat das Finanzgericht (FG) mit der in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1977, 270 veröffentlichten Entscheidung abgewiesen.

Mit der vom FG zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Er rügt Verletzung materiellen Rechts und wendet sich insbesondere gegen die Auffassung des FG, § 25 ErbStG 1974 a. F. sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden und daher rechtsgültig.

Das FA ist der Revision entgegengetreten.

Der Bundesminister der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten. Er ist der Auffassung, § 25 ErbStG 1974 a. F. müsse für Besteuerungsfälle mit Rentenregelungen ebenso sachgerecht sein wie für Besteuerungsfälle mit Nutzungslasten (Hinweis auf das Urteil des Senats vom 25. Februar 1981 II R 114/78, BFHE 132, 486, BStBl II 1981, 411). Die in Erbfällen üblichen Rentenregelungen würden meistens so gestaltet, daß der Verpflichtete die Rente aus den Erträgen des ihm zugewendeten Vermögens erbringen könne, was auch für den Streitfall zutreffe. Die Gleichstellung von Rentenregelungen mit Nutzungsregelungen verliere nicht deshalb ihre sachliche Berechtigung, weil andere Verpflichtungen wie Einmalbeträge, Annuitätendarlehen usw. abzugsfähig seien.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Nach § 25 Abs. 1 ErbStG 1974 a. F. ist beim Erwerb von Vermögen, dessen Nutzungen einem anderen als dem Erwerber zustehen oder das mit einer Rentenverpflichtung oder mit der Verpflichtung zu einer sonstigen Leistung belastet ist, die Versteuerung nach Wahl des Erwerbers entweder bis zum Erlöschen der Belastung auszusetzen oder nach den Verhältnissen im Zeitpunkt des Erwerbs ohne Berücksichtigung dieser Belastung durchzuführen, wobei die Steuer bis zum Erlöschen der Belastung insoweit zu stunden ist, als sie auf den Kapitalwert der Belastung entfällt.

1. Die verfassungsrechtlichen Zweifel des Klägers teilt der Senat nicht. Er ist auch davon überzeugt, daß es dem Bereicherungsprinzip nicht widerspricht, die tatsächlich eintretende Bereicherung ohne Abzug des Wohnrechts und der Rentenverpflichtung zu erfassen, wenn die vorübergehende Einschränkung des vollen Ertragsgenusses durch Aufschieben der Entstehung der Steuer (§ 25 Abs. 1 Buchst. a ErbStG 1974 a. F. i. V. m. § 9 Abs. 2 ErbStG 1974) oder durch zinslose Stundung der Steuer, soweit die Belastung reicht, berücksichtigt wird (Hinweis auf das Urteil des Senats in BFHE 132, 486, BStBl II 1981, 411). Dabei ist auch entscheidend, daß die Vorschrift des § 25 Abs. 1 ErbStG 1974 a. F. in ihrem Kernbereich darauf angelegt ist, den Übergang des Vermögens auf die nächste Generation einmal voll zu erfassen. Dieser Gedanke liegt auch anderen Vorschriften des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes 1974 zugrunde. So ist z. B. der Steuersatz für die Steuerklasse II (Abkömmlinge lebender Kinder, vgl. § 15 ErbStG 1974) jeweils doppelt so hoch, wie der der Steuerklasse I (vgl. § 19 Abs. 1 ErbStG), während die Abkömmlinge vorverstorbener Kinder als nächste Generation der Steuerklasse I zugeordnet werden (vgl. § 15 ErbStG 1974). Der Erfassung des Übergangs von Vermögen auf jeweils die folgende Generation konnte nach dem abgelösten ErbStG 1959 durch Nießbrauchs-, Nutzungs- und Rentenregelungen ausgewichen werden. Dies war dadurch möglich, daß der Erwerber nur mit dem um den Kapitalwert des Nutzungsrechts gekürzten Steuerwert seines Erwerbs der Steuer unterlag (vgl. dazu auch die Stellungnahme des Bundesrats zum Entwurf eines Zweiten Steuerreformgesetzes, BT-Drucks VI 3418 S. 117). Die nunmehr volle erbschaftsteuerliche Erfassung des Vermögensüberganges in jeder Generation begegnet somit keinen Bedenken aus Art. 14 des Grundgesetzes (GG).

2. § 25 Abs. 1 ErbStG 1974 a. F. ist anwendbar auf Vermögenserwerbe, die mit einer Rentenverpflichtung "belastet" sind. Der Wortlaut kann nicht dahin gehend verstanden werden, daß es sich um eine dingliche, auf dem übergehenden Vermögen ruhende Last handeln müsse. Denn das würde z. B. zu dem sinnwidrigen Ergebnis führen, daß zwar eine durch eine Rentenschuld (§ 1199 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) abgesicherte Rente dem Abzugsverbot unterliegen würde, alle anderen Rentenverpflichtungen jedoch dem Regelungsbereich der Vorschriften entzogen wären. Gerade der Erbfall zeigt auf, daß die Bezugnahme auf ein belastetes Vermögen mehrdeutig ist, denn der Erbe kann seine Verpflichtung auf das Nachlaßvermögen beschränken (§§ 1975, 1990, 1992 BGB). In diesem Fall erweist sich eindeutig das Nachlaßvermögen als mit der durch Vermächtnisanspruch entstandenen Rentenlast belastet. Die nämliche enge Verbindung zwischen übertragenem Vermögen und einer beigefügten Auflage ergibt sich aus § 526 BGB: da der Beschenkte durch die Auflagenschenkung nicht ärmer werden soll als er ohne sie wäre, ist § 526 BGB nach herrschender Ansicht auch dann anzuwenden, wenn sich herausstellt, daß entgegen den ursprünglichen Vorstellungen der Parteien der Wert der Auflage den Wert der Zuwendung übersteigt (vgl. z. B. Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 526 Rdnr. 4). Jede mit dem Vermögenserwerb verbundene Rentenbelastung, die in solcher Weise auf den Wert des übergegangenen Vermögens bzw. auf dieses selbst beschränkt werden kann, belastet das Vermögen i. S. von § 25 Abs. 1 ErbStG 1974 a. F.

3. Hinsichtlich des Wohnrechtes, das der Mutter des Klägers vermächtnisweise zugewendet worden ist, kann es nicht zweifelhaft sein, daß es sich um ein § 25 Abs. 1 ErbStG 1974 a. F. unterfallendes Nutzungsrecht handelt.

 

 

 

   
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