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BFH-Beschluß vom 20.8.1982 (VIII R 58/82) BStBl. 1983 II S. 63

Das Fehlen des Datums auf dem vom Empfänger unterschriebenen Empfangsbekenntnis ist für die Rechtswirksamkeit der Zustellung unschädlich. Maßgebend für den durch die Zustellung ausgelösten Beginn einer Frist ist der Zeitpunkt, in dem der Aussteller das Schriftstück als zugestellt entgegengenommen hat.

VwZG § 5 Abs. 2; FGO § 53 Abs. 2.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wendete sich gegen die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen in den Einkommensteuerbescheiden 1974 bis 1979 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. Juni 1981 durch den Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -). Das Finanzgericht (FG) setzte in dem angefochtenen Urteil die Einkommensteuer der Jahre 1974 bis 1979 herab und wies die Klage im übrigen ab. Das mit dem Urteil am 27. Januar 1982 dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers übermittelte Empfangsbekenntnis sandte der Prozeßbevollmächtigte unterschrieben, aber nicht mit Datum versehen, an das FG zurück, bei dem es am 29. Januar 1982 einging. Der Prozeßbevollmächtigte legte mit Schriftsatz vom 26. Februar 1982 "gegen das am 28. Januar 1982 zugestellte Urteil des X. Senats des FG" Revision ein.

Der entgegen § 120 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an den Bundesfinanzhof (BFH) gerichtete Schriftsatz wurde am selben Tage dem FG zugeleitet, wo er am 2. März 1982 einging, und zugleich wurde der Prozeßbevollmächtigte von Eingang und Weiterleitung verständigt. Das FG wurde auf das Fehlen des Datumsvermerks auf dem Empfangsbekenntnis hingewiesen. Das FG forderte den Prozeßbevollmächtigten zur Abgabe des Empfangsbekenntnisses mit Datumsangabe auf. Der Prozeßbevollmächtigte gab als Empfangsdatum den 16. April 1982 an, weil - wie er unter Berufung auf Wolf von Dreising, "Das Deutsche Bundesrecht Bd. I B 20 und Zöller, 13. Aufl., Anm. 3 zu § 212 a ZPO" meint - "das Zustellungsverfahren erst mit Aushändigung des Empfangsbekenntnisses an das FG abgeschlossen worden" sei.

Der Kläger beantragt Aufhebung der Vorentscheidung und Herabsetzung der Einkommensteuer für die Streitjahre auf null DM, hilfsweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der in der Anwaltskanzlei die Sache damals bearbeitende Rechtsanwalt A sei zur Unterschriftszeit schwer erkrankt gewesen. "Nach allem dürfte die Unterlassung der Einsetzung des Datums in dem Empfangsbekenntnis allein auf die Krankheit des Rechtsanwalts A zurückzuführen sein."

Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unzulässig.

1. Die Revision ist bei dem FG innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich einzulegen (vgl. § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Monatsfrist ist vom Kläger nicht eingehalten worden. Denn die Revision ist ausweislich des Eingangsstempels beim FG am 2. März 1982 eingegangen, also nach Ablauf der Revisionseinlegungsfrist am 1. März 1982 (einem Montag).

a) Für die von der Geschäftsstelle des FG gewählte Zustellung gemäß § 53 Abs. 2 FGO i. V. m. § 5 Abs. 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) ist für den Beginn der Frist der Zeitpunkt maßgebend, an dem der Empfänger von dem Zugang des zuzustellenden Schriftstücks Kenntnis erlangt und bereit ist, die Zustellung entgegenzunehmen (vgl. BFH-Beschluß vom 23. Juni 1971 I B 12/71, BFHE 102, 457, BStBl II 1971, 723). Entgegen der Auffassung des Klägers gelten diese Grundsätze nicht nur, wenn ein Beschluß, sondern auch, wenn ein Urteil zugestellt wird (Ziemer/Haarmann/Lohse/Beermann, Rechtsschutz in Steuersachen, 1. Teil, Tz. 488 i. V. m. Tz. 408 a).

b) § 5 Abs. 2 VwZG sieht vor, daß das Urteil u. a. an Rechtsanwälte auch gegen Empfangsbekenntnis zugestellt werden kann. Als Nachweis der Zustellung genügt dann das mit Datum und Unterschrift versehene Empfangsbekenntnis, das an die Behörde zurückzusenden ist.

aa) Das Fehlen des Datums auf dem Empfangsbekenntnis ist für die Rechtswirksamkeit der Zustellung unschädlich (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 7. Januar 1972 IV C 41/70, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1972, 321; ebenso Ziemer/Birkholz, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 53 Anm. 26; s. aber Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 53, dort Anm. 4c nach § 5 VwZG).

bb) Die Wirksamkeit der Zustellung ist nicht davon abhängig, wann das Empfangsbekenntnis ausgestellt wird. Wird das Empfangsbekenntnis nicht gleichzeitig mit dem zuzustellenden Schriftstück übersandt, und wird es demzufolge vom Empfänger später erteilt, wirkt es auf den Zeitpunkt zurück, in dem der Aussteller das Schriftstück als zugestellt entgegengenommen hat (vgl. BFHE 102, 457, BStBl II 1971, 723). Das Empfangsbekenntnis vom 16. April 1982 vervollständigte das ursprünglich unvollständige Empfangsbekenntnis. Der auf dem Empfangsbekenntnis angegebene Zustelltag ist nicht maßgebend, wenn er - wie hier - nachgewiesenermaßen unrichtig ist (vgl. BFHE 102, 457, BStBl II 1971, 723). Der Prozeßbevollmächtigte hat am 16. April 1982 das Schreiben der Geschäftsstelle des FG und den ihm übersandten Vordruck für ein Empfangsbekenntnis erhalten, nicht aber die Ausfertigung des finanzgerichtlichen Urteils, denn diese war ihm bereits zuvor zugegangen.

cc) Die Ausfertigung des Urteils hat der Prozeßbevollmächtigte nach seinen eigenen Angaben mit der Revision am 28. Januar 1982 (einem Donnerstag) zugestellt erhalten. Das stimmt mit folgenden Tatsachen überein: Das Urteil ist am 27. Januar 1982 (einem Mittwoch) mit dem Empfangsbekenntnis zur Post gegeben worden. Das Empfangsbekenntnis ohne Datumsangabe trägt den Eingangsstempel des FG vom 29. Januar 1982. Unter diesen Umständen stimmt die Angabe in der Revision, das Urteil am 28. Januar 1982 erhalten zu haben, mit den Daten von der Zusendung des Empfangsbekenntnisses durch das FG und dem Wiedererhalten dieses Formulars überein.

dd) Der Kläger widerspricht dem auch nicht.

Wenn er im Ergebnis meint, das Zustellungsverfahren sei erst mit der Aushändigung des Empfangsbekenntnisses an das FG abgeschlossen und dafür sei der Zeitpunkt maßgebend, an dem er das Empfangsbekenntnis mit dem von ihm angegebenen Datum versehe, so bringt er damit eine Rechtsauffassung zum Ausdruck, nicht aber einen Tatsachenvortrag, daß das finanzgerichtliche Urteil ihm erst an diesem Tage oder an einem vom 28. Januar 1982 abweichenden Datum übermittelt worden sei. Das von ihm angegebene Datum ist falsch, wie sich aus seinem eigenen Vorbringen ergibt. Denn die Rechtsmeinung, was als tatsächlicher Zugang des finanzgerichtlichen Urteils zu gelten habe, ist nicht maßgeblich; es gilt vielmehr in einem solchen Fall das tatsächliche Datum der Übermittlung des Urteils.

ee) Zu Unrecht beruft sich der Kläger auf Zöller (Zivilprozeßordnung, 13. Aufl., § 212 a Anm. 3). Richtig ist, daß die Zustellung erst mit der Empfangsbestätigung vollzogen ist. Das Empfangsbekenntnis dient dem Nachweis der Übergabe und für die Empfangsbereitschaft des Adressaten. Es läßt die Zustellung rückwirkend auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Entgegennahme wirksam werden (vgl. Anm. Johannsen zu Urteil des Bundesgerichtshofes - BGH - vom 14. Juni 1961 IV ZR 56/61, in Lindenmaier/Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, § 212 a ZPO Nr. 4). Eine falsche Datierung hat aber auf die Wirksamkeit der Zustellung keinen Einfluß (BGH-Beschluß vom 11. Juni 1953 IV ZB 37/53, Lindenmaier/Möhring, § 233 Nr. 37).

2. Der vom Kläger als Antrag auf "Nachsichtgewährung" bezeichnete Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 23. Juni 1982 - beim BFH eingegangen am 25. Juni 1982 - ist nicht begründet. Denn der Kläger war nicht ohne Verschulden verhindert, die gesetzliche Frist einzuhalten (§ 56 Abs. 1 FGO).

Die Fristversäumung ist eingetreten, weil der Kläger die Revision nicht - wie vom Gesetz vorgeschrieben und wie in der Rechtsmittelbelehrung zutreffend wiedergegeben ist - beim FG eingelegt hat. Als berufsmäßiger Vertreter mußte der Prozeßbevollmächtigte das Verfahrensrecht kennen. Wird die Revision trotz einwandfreier Rechtsmittelbelehrung innerhalb der Revisionsfrist beim BFH eingelegt, so war der Rechtsmittelführer nicht ohne Verschulden verhindert, die Revisionsfrist einzuhalten, wenn der BFH die Revisionsschrift an das zuständige FG weiterleitet, sie dort aber erst nach dem Ablauf der Revisionsfrist eingeht (vgl. BFH-Beschlüsse vom 27. Januar 1967 VI R 155/66, BFHE 88, 106, BStBl III 1967, 290; vom 12. Januar 1968 VI R 278/67, BFHE 91, 341, BStBl II 1968, 350; vom 27. März 1968 VII R 21 - 22/67, BFHE 92, 307, BStBl II 1968, 535; vom 15. April 1970 I R 148/69, BFHE 98, 536, BStBl II 1970, 498).

Auf die weiteren Mängel, daß das Wiedereinsetzungsgesuch nicht binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses gestellt und die Tatsachen zur Begründung nicht bei der Antragstellung dargetan und glaubhaft gemacht worden sind, kam es unter diesem Umständen nicht mehr an.