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BFH-Urteil vom 16.11.1982 (VIII R 167/78) BStBl. 1983 II S. 111

Der nach § 8 KAG NW vom 21. Oktober 1969 (GVBI NW 1969, 712) vom Grundstückseigentümer erhobene Beitrag zur Schaffung einer Fußgängerzone ist nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar.

EStG §§ 9, 21.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Eigentümerin eines in S an der K-Straße gelegenen Grundstücks mit Wohn- und Geschäftshaus. Das Grundstück ist Privatvermögen. Das Erdgeschoß ist als Ladenlokal vermietet, das erste Obergeschoß wird von der Klägerin bewohnt, die weiteren Obergeschosse und das Dachgeschoß sind ebenfalls vermietet.

Ab 1973 wurde die K-Straße aufgrund eines Beschlusses des Rates der Stadt S in eine Fußgängergeschäftsstraße umgebaut. Dabei wurden die Versorgungsanlagen erweitert und erneuert, die Straße mit einer neuen Oberfläche versehen sowie durch Anpflanzungen, Aufstellung von Blumenkübeln und Anbringung einer stilvollen Beleuchtung verschönert. Ein Teil der Kosten für die Umgestaltung wurde von den Anliegern durch besondere Bescheide gefordert, von der Klägerin durch Bescheid vom 30. Juli 1973 eine Vorauszahlung von 2.889,14 DM. Als gesetzliche Grundlage wurden § 8 des Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (KAG NW) vom 21. Oktober 1969 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen - GV NW - 1969, 712), geändert durch das Gesetz vom 23. November 1971 (GV NW 1971, 359), und die Ortssatzung der Stadt S über die Erhebung von Beiträgen nach § 8 KAG NW vom 2. Februar 1971 nebst Änderungssatzungen benannt. Als Beitragsobjekt war das Grundstück der Klägerin bezeichnet, als Beitragsmaßstab waren die Grundstücksfläche und die Grundstücksbreite je zur Hälfte angegeben.

In der Einkommensteuererklärung für 1973 machte die Klägerin den von ihr gezahlten Betrag als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ließ den Abzug nicht zu, weil die Ausgaben dem Grund und Boden zuzurechnen seien, und erließ einen entsprechenden Einkommensteuerbescheid für 1973. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und führte dazu aus, die Ausgaben seien Werbungskosten, weil sie der besonderen Nutzung des Grundstücks dienten und nicht den Grund und Boden allein beträfen. Da die Umwandlung der K-Straße in eine Fußgängergeschäftsstraße nicht zu einer dauernden Werterhöhung beim Grundstück führe, könnten die Kosten nicht als Aufwand für den Grund und Boden behandelt werden. Mit einem Straßenanliegerbeitrag oder einem Kanalanschlußbeitrag seien die Kosten nicht vergleichbar. Sie seien kein nachträglicher Anschaffungsaufwand, weil jeglicher Bezug zur Anschaffung fehle, auch habe die Wesensart des Grundstücks sich nicht verändert.

Mit der Revision rügt das FA unrichtige Anwendung von Bundesrecht und macht geltend, die Ausgaben der Klägerin seien dem Grund und Boden zuzurechnen.

Die Stadt habe den von der Klägerin erhobenen Beitrag für die Anlage der Fußgängerzone auf § 8 KAG NW gestützt, weil die Klägerin Grundstückseigentümerin gewesen sei. Der Beitrag stehe dementsprechend mit keiner bestimmten Nutzung des Grundstücks in unmittelbarem Zusammenhang und komme nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in Betracht. Den wirtschaftlichen Vorteil, der zur Heranziehung mit einem Beitrag nach § 8 KAG NW erforderlich sei, habe die Klägerin als Grundstückseigentümerin erhalten. Hiervon sei auszugehen, weil sie sich gegen den Bescheid nicht gewendet habe. Durch die Herstellung, Erneurung und Erweiterung einer Erschließungsanlage erwachse jedem Anlieger ein konkreter wirtschaftlicher Vorteil. Die allgemeine verbesserte Nutzungsmöglichkeit der Anliegergrundstücke durch die Herstellung der Erschließungsanlage komme jedem Anlieger ohne Rücksicht auf die Nutzung und ihre Art im Einzelfall zugute. Auf eine dauerhafte Wertsteigerung des Grund und Bodens komme es bei der Zurechnung zu den Anschaffungskosten nicht an.

Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt Zurückweisung der Revision.

Sie hält die Ausgaben für Werbungskosten i. S. v. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der Ausbaubeitrag beziehe sich auf das Gebäude, das der Klägerin zur Einnahmeerzielung diene. Unerheblich sei, daß die Klägerin ohne Rücksicht auf die Nutzung ihres Gebäudes zu dem Beitrag herangezogen werden könne; es genüge der Bezug zum Gebäude mit der Folge eines wirtschaftlichen Zusammenhangs. Die Errichtung der Fußgängerzone sei eine Umwidmung des Straßenzwecks, gerichtet auf eine Einnahmeerhöhung aus der besonderen Gebäudenutzung, hier der Vermietung von Geschäftsräumen. Darauf deute hin, daß die Zuschüsse der Anlieger zur Errichtung einer Fußgängergeschäftsstraße in B nach der Quadratmeterzahl der Geschäftsräume bemessen worden seien. Es handele sich um einen auf die laufende Gebäudenutzung gerichteten Aufwand, der in direkter Beziehung zu den mit der wirtschaftlichen Nutzung des Gebäudes erstrebten oder erzielten Einnahmen stehe. Eine Fußgängergeschäftsstraße sei für unbebaute Flächen wertlos. Ein Sachbezug zum Erwerb des Grundstücks fehle bei dem Beitrag, weil der Beitrag einer bestimmten Nutzung des Grundstücks zugeordnet werden könne. Außerdem sei eine unterschiedliche steuerliche Behandlung der Zuschüsse bei Grundstückseigentümern einerseits und Mietern oder Pächtern andererseits nicht gerechtfertigt.

Der Bundesminister der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten. Er meint, der Beitrag sei den Anschaffungskosten des Grund und Bodens zuzurechnen, weil er für die Verbesserung einer Ortsstraße erbracht worden sei. Er stehe in einem Sachbezug zum Grund und Boden und betreffe eine Maßnahme zur dauerhaften Wertsteigerung dieses Wirtschaftsguts. Damit entfalle insbesondere nach den Grundsätzen des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 19. Februar 1974 VIII R 65/72 (BFHE 111, 496, BStBl II 1974, 337) die Abziehbarkeit als Werbungskosten.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klageabweisung (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Der Beitrag der Klägerin zur Schaffung einer Fußgängergeschäftsstraße gehört nicht zu den nach § 9 EStG - insbesondere nicht nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 EStG - abziehbaren Werbungskosten bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Er ist ein im Rahmen dieser Einkunftsart nicht zu berücksichtigender Aufwand auf den Grund und Boden.

a) Nach der Rechtsprechung des BFH zur steuerlichen Behandlung von Beiträgen zur Errichtung oder Änderung öffentlicher Anlagen wie Straßen, Kanalisationen und Versorgungsanlagen hängt diese davon ab, aus welchem Anlaß die Errichtung oder Änderung erfolgt oder welchem Zweck sie dient. Maßgebend ist, ob die Aufwendungen im Zusammenhang zu einer bestimmten Nutzung des Grundstücks und mit den durch diese Nutzung erzielten Einkünften stehen oder ob ein solcher Zusammenhang fehlt. Im ersten Falle mindern sie die durch die beistimmte Grundstücksnutzung erzielten Einkünfte, im letzteren Falle sind sie in der Regel Aufwendungen für den Grund und Boden und damit nachträgliche Anschaffungskosten des Grund und Bodens (vgl. BFH-Urteile vom 11. März 1976 VIII R 212/73, BFHE 118, 437, BStBl II 1976, 449; vom 26. Februar 1980 VIII R 80/77, BFHE 130, 155, BStBl II 1980, 687, beide mit weiteren Nachweisen; vom 24. Oktober 1979 VIII R 92/77, BFHE 129, 254, BStBl II 1980, 187 und vom 25. August 1982 I R 130/78, BFHE 136, 409). Ausschlaggebend ist allein, daß eine Beziehung der Aufwendung zu einer der sieben Einkunftsarten des Einkommensteuerrechts besteht, die eine Zurechnung zur Einkommenssphäre ermöglicht. Als nicht mit der Grundstücksnutzung zusammenhängend, sondern der Wertsteigerung des Grund und Bodens dienend wurden angesehen der Erschließungsaufwand zur Erstanlage einer Straße ebenso wie der Beitrag zur nachhaltigen Verbesserung einer Ortsstraße (vgl. BFH-Urteile vom 18. September 1964 VI 100/63 S, BFHE 81, 233, BStBl III 1965, 85; vom 19. Februar 1974 VIII R 65/72, BFHE 111, 496, BStBl II 1974, 337).

b) Ein nach § 8 KAG NW zu entrichtender Beitrag zum Umbau einer Straße in eine Fußgängergeschäftsstraße - Fußgängerzone - ist Aufwand auf den Grund und Boden, weil er für dessen Werterhöhung erbracht wird und weil er ausschließlich grundstücksbezogen ist.

Der werterhöhende Charakter des Aufwands folgt daraus, daß der Beitrag nach § 8 KAG NW Gegenleistung für die Verschaffung eines wirtschaftlichen Vorteils ist; sonst dürfte er nicht erhoben werden (vgl. Oberverwaltungsgericht - OVG - Münster, Urteil vom 23. November 1976 II A 1766/74, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1977, 2179). Die konkreten Umbaumaßnahmen wie Neuplattierung des Straßenraums, seine Entwässerung und Ausleuchtung sowie andere die Attraktivität erhöhende gestalterische Maßnahmen, für die der Beitrag erbracht wird, führen zu einem Vorteil für das anliegende Grundstück. Dieser Vorteil kommt typischerweise in einer durch den Gebrauchsvorteil an der Anlage oder Einrichtung ausgelösten, von der Ausnutzbarkeit des Grundstücks abhängigen Steigerung des Gebrauchswerts zum Ausdruck (vgl. OVG Münster, Urteil vom 27. Juli 1976 II A 805/75, Verwaltungsrechtsprechung 28 Nr. 106). Vorteilhafte Auswirkungen ergeben sich erfahrungsgemäß auch für die Entwicklung des Veräußerungswerts eines im Umbaubereich liegenden Grundstücks.

Die Grundstücksbezogenheit des Beitrags ergibt sich unmittelbar aus § 8 Abs. 2 KAG NW. Danach werden Beiträge als Ersatz für die Herstellung, Anschaffung und Erweiterung öffentlicher Einrichtungen von den Grundstückseigentümern oder Erbbauberechtigten als Gegenleistung für die Darbietung wirtschaftlicher Vorteile erhoben. Maßgebend ist allein diese Rechtsbeziehung des Beitragsschuldners zum Grundstück. Es kommt nicht darauf an, ob oder wie das Grundstück genutzt wird. Nach § 8 Abs. 2 Satz 2 KAG NW werden die Beiträge vom Grundstückseigentümer dafür erhoben, daß ihm durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Einrichtungen und Anlagen wirtschaftliche Vorteile geboten werden. Von einer Beitragspflicht der Gewerbetreibenden wurde Abstand genommen; die Beschränkung auf Grundstückseigentümer oder Erbbauberechtigte wird für sachgerecht gehalten, weil nur ihnen auf Dauer Vorteile zugute kommen (vgl. Bauernfeind/Zimmermann, Kommunalabgabengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl. 1979, Seite 242).

c) Im Streitfall wurde der Beitrag der Klägerin auf § 8 KAG NW gestützt. Der Aufwand betrifft somit nur den Grund und Boden. Damit ist eine Anerkennung des Beitrags als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ausgeschlossen.

Der Hinweis der Klägerin auf die Heranziehung zum Beitrag für die Einrichtung einer Fußgängerzone in B steht dem nicht entgegen. Wird der Beitrag nicht nach § 8 KAG NW, sondern nach anderen Vorschriften erhoben und werden Gewerbetreibende sowie Vermieter herangezogen, so kann eine andere Entscheidung gerechtfertigt sein. Über einen derartigen Fall hat der Senat jedoch nicht zu entscheiden.

2. Die Vorentscheidung, die von anderen Rechtsüberlegungen ausgeht und darauf beruht, war aufzuheben. Der Senat kann selbst entscheiden und weist die Klage ab.