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BFH-Urteil vom 1.12.1982 (II R 139/78) BStBl. 1983 II S. 118

Der Erwerb einer Einlagenrückzahlungsforderung von Todes wegen, welche für die Erblasserin begründet worden war zur Erfüllung ihres Anspruchs auf Hauptentschädigung für Zonenschäden, ist nicht erbschaftsteuerfrei nach § 13 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a ErbStG 1974.

ErbStG 1974 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1 Satz 1, § 13 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a; ErbStG 1959 § 18 Abs. 1 Nr. 10; LAG § 232 Abs. 1 Nr. 1; § 243 Nr. 4, § 250, § 252; 25. LeistungsDV-LA § 1; BGB § 362 Abs. 1, § 364 Abs. 1, § 1922.

Vorinstanz: FG Hamburg

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Alleinerbe seiner im Jahre 1909 geborenen und am 1. Oktober 1975 in H verstorbenen Schwester. Zu dem ihm angefallenen Vermögen gehört eine Forderung der Erblasserin aufgrund eines Sparguthabens bei der ...bank AG in H (fortan Bank) in Höhe von 68.706,60 DM. Einen Betrag in dieser Höhe hatte das Ausgleichsamt wegen des vorgeschrittenen Lebensalters der Erblasserin am 9. September 1975 auf das von der Erblasserin angegebene Sparkonto bei der Bank überwiesen zur "Erfüllung des Anspruchs auf Hauptentschädigung für Zonenschäden".

Der Kläger hält den Erwerb der Forderung für steuerfrei. Er stützt seine Auffassung auf § 13 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes i. d. F. des Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrechts vom 17. April 1974 - ErbStG 1974 - (BGBl I, 933, BStBl I, 216), wonach der Erwerb von Ansprüchen nach dem Lastenausgleichsgesetz (LAG) steuerfrei ist. "Ansprüche" in diesem Sinne seien auch die aus diesen Ansprüchen geflossenen Entschädigungszahlungen, soweit diese noch als Geld oder Geldguthaben im Nachlaß vorhanden seien. Diese Auffassung habe der Bundesfinanzhof (BFH) vertreten in seinen Urteilen vom 4. März 1964 II 41/60 U (BFHE 79, 37, BStBl III 1964, 246) und vom 12. März 1968 II R 110/66 (BFHE 92, 234, BStBl II 1968, 495). Jene Urteile hätten zwar nicht Ansprüche nach dem LAG, sondern Ansprüche auf Entschädigungsleistungen nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG) zum Gegenstand gehabt. Für Ansprüche nach dem LAG müsse aber insoweit das gleiche gelten wie für Ansprüche nach dem BEG. In diesem Sinne habe mit Recht das Finanzgericht (FG) Bremen in seinem Urteil vom 13. Dezember 1968 II 2076/67 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1969, 408) erkannt.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) teilte diese Ansicht nicht und setzte durch Bescheid vom 16. Dezember 1976 die Erbschaftsteuer auf 9.425 DM fest; den Einspruch wies er zurück. Die vom BFH vertretene Auffassung über die erbschaftsteuerrechtliche Behandlung von Entschädigungsleistungen nach dem BEG sei abzulehnen. Sie beruhe "auf abändernder Rechtsfortbildung im Wege teleologischer Extension", also auf einer "Abweichung vom Gesetz". Es sei aber nicht zulässig gewesen, die Befreiungsvorschrift des § 18 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG 1959, "die der Gesetzgeber wohlüberlegt ohne Verstoß gegen Verfassungsrecht begrenzt" habe, "durch extensive Auslegung über den Wortlaut hinaus zu erweitern".

Hiervon abgesehen lasse sich jene Rechtsauffassung nicht übertragen "auf die anders gearteten ... Ansprüche nach dem Lastenausgleichsgesetz".

Das FG hat die Klage für begründet erachtet und die Erbschaftsteuer um 8.721 DM auf 704 DM herabgesetzt. Es hat die Revision zugelassen, weil es der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimißt. Sein Urteil ist auszugsweise veröffentlicht in "Rundschau für den Lastenausgleich" 1981 S. 23.

Mit der Revision rügt das FA die unrichtige Anwendung des § 13 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a ErbStG 1974. Es beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet.

1. Das FG ist zwar stillschweigend zutreffend davon ausgegangen, daß mit dem Tode der Erblasserin eine Erbschaftsteuerschuld in der Person des Klägers entstanden ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1, § 20 Abs. 1 ErbStG 1974), deren Höhe sich nach dem persönlichen Verhältnis des Klägers zur Erblasserin sowie nach dem Wert des steuerpflichtigen Erwerbs richtet (§ 15 Abs. 1 Steuerklasse III Nr. 3, § 19 ErbStG 1974) und daß als steuerpflichtiger Erwerb die Bereicherung des Erwerbers gilt, soweit sie nicht steuerfrei ist (§ 10 ErbStG 1974).

2. Das angefochtene Urteil muß jedoch aufgehoben werden, weil es auf unrichtiger Anwendung des § 13 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a ErbStG 1974 beruht. Nach dieser Vorschrift sind u. a. steuerfrei "Ansprüche" nach dem Lastenausgleichsgesetz (in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Oktober 1969, BGBl I, 1909, zuletzt geändert durch das Siebenundzwanzigste Gesetz zur Änderung des LAG vom 13. Februar 1974, BGBl I, 177). Zu den Ansprüchen in diesem Sinne gehörte der durch Vorschriften des LAG begründete (§§ 232, 243 Nr. 4 LAG) und durch Verwaltungsakt (Zuerkennungsbescheid) konkretisierte (§ 250 LAG) öffentlich-rechtliche Anspruch der Erblasserin gegen die Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) auf Hauptentschädigung zur Abgeltung von Zonenschäden in Höhe von 68.706,60 DM. Nicht diesen Anspruch konnte indes der Kläger von Todes wegen erwerben. Denn dieser Anspruch war noch vor dem Tode der Erblasserin aufgrund des Erfüllungsbescheids vom 3. September 1975 erfüllt worden (§ 251 LAG), und zwar dadurch, daß in Höhe des der Erblasserin zuerkannten Entschädigungsbetrags am 9. September 1975 eine Spareinlage bei der von ihr angegebenen Bank begründet worden war (§ 252 LAG i. V. m. der Fünfundzwanzigsten Verordnung über Ausgleichsleistungen nach dem Lastenausgleichsgesetz - 25. LeistungsDV-LA - vom 23. März 1973, BGBl I 1973; 235, § 21 des Gesetzes über das Kreditwesen vom 10. Juli 1961 - KWG - , BGBl I, 881; seit 1. Mai 1976 geltend in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Mai 1976, BGBl I, 1121). Dadurch war insoweit das öffentlich-rechtliche Schuldverhältnis zwischen der Erblasserin und der Bundesrepublik erloschen (§§ 362 Abs. 1, 364 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB - in sinngemäßer Anwendung). Neu entstanden war ein privatrechtliches Schuldverhältnis zwischen der Erblasserin und der Bank. Es begründete für die Erblasserin einen schuldrechtlichen Anspruch gegen die Bank auf Rückzahlung der bezeichneten Spareinlage im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften (§ 700 Abs. 1 Satz 1, § 607 Abs. 1 BGB, §§ 21, 22 KWG). Allein diesen Anspruch (die Einlagenrückforderung) hat der Kläger am 1. Oktober 1975 von Todes wegen erworben (§ 1922 BGB, § 9 ErbStG 1974). Für Ansprüche dieser Art enthält indes § 13 ErbStG 1974 keine Befreiungsvorschrift.

3. An dem rechtlichen Ergebnis änderte sich nichts, wenn man - wie das FG es für geboten erachtet hat und der Kläger es begehrt - die vom BFH in den angeführten Urteilen vertretene Rechtsauffassung zum Begriff "Ansprüche auf Entschädigungsleistungen nach dem Bundesentschädigungsgesetz" (§ 18 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG 1959) auch zugrunde legte bei der Auslegung des Begriffs "Ansprüche nach dem Lastenausgleichsgesetz" (§ 13 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a ErbStG 1974). Denn in diesem Falle wäre die Tatsache rechtserheblich, daß die Erblasserin sich ihren Anspruch auf Hauptentschädigung für Zonenschäden nicht durch Barzahlung, sondern durch Begründung einer verzinslichen Spareinlage hatte erfüllen lassen. Dadurch hatte die Entschädigungsleistung ihre Eigenschaft verloren, nur den Geldwert des Entschädigungsanspruchs zu repräsentieren; sie war nicht mehr "als solche" im Nachlaß vorhanden (vgl. BFH-Urteil vom 9. Dezember 1976 II R 135/67, BFHE 121, 206, BStBl II 1977, 289, betreffend den Erwerb von Wertpapieren, die der Erblasser angeschafft hatte mit Hilfe von Entschädigungszahlungen, die ihm aufgrund des BEG gezahlt worden waren).

Bei dieser Sach- und Rechtslage kann unerörtert bleiben, ob der erkennende Senat an der in den angeführten Urteilen vertretenen Rechtsauffassung zum Begriff "Ansprüche auf Entschädigungsleistungen nach dem Bundesentschädigungsgesetz" festhalten kann und ob es nicht allein Sache der zuständigen Finanzverwaltungsbehörde wäre, in besonderen Einzelfällen Erbschaftsteuer ganz oder zum Teil zu erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre (§ 227 der Abgabenordnung).

4. Der erkennende Senat entscheidet in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Klage ist abzuweisen, denn der angefochtene Erbschaftsteuerbescheid ist nicht rechtswidrig (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).