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BFH-Urteil vom 3.11.1982 (II R 82/81) BStBl. 1983 II S. 165

Die Bestellung eines Erbbaurechts gegen Einmalzahlung, verbunden mit dem Abschluß eines Erbvertrages, in dem der Erbbaurechtsbesteller den Erbbauberechtigten das mit dem Erbbaurecht belastete Grundstück vermächtnisweise zuwendet sowie weiter verbunden mit der Bewilligung einer Auflassungsvormerkung für eine im Erbvertrag bedingt eingegangene Übereignungsverpflichtung hinsichtlich dieses Grundstücks ist nach § 6 Abs. 1, 2 StAnpG (§ 42 AO 1977) als Kauf des Grundstückes zur Grunderwerbsteuer heranzuziehen.

GrEStG NW § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Nr. 8, §§ 10 und 11; StAnpG § 6; AO 1977 § 42.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

Am 19. November 1973 schlossen die Kläger mit den Eheleuten J zwei notariell beurkundete Verträge ab.

Nach dem Inhalt des ersten Vertrages bestellten die Eheleute J zu Lasten zweier Grundstücke den Klägern ein Gesamterbbaurecht. Die Erbbauberechtigten haben nicht nur die mit dem Erbbaurecht, sondern auch die mit dem Erbbaugrundstück verbundenen Steuern und sonstigen Lasten zu tragen. Wesentlicher Bestandteil des Erbbaurechts ist ein Mehrfamilienhaus. Das Erbbaurecht wurde zunächst auf 100 Jahre eingeräumt mit der weiteren Vereinbarung, daß der Erbbauberechtigte die Verlängerung um weitere 100 Jahre unentgeltlich verlangen könne. Für die Bestellung des Erbbaurechts und zur Entschädigung für den Übergang des Eigentums am aufstehenden Gebäude wurde ein einmaliges Entgelt von 2.225.000 DM vereinbart.

Die zweite notarielle Urkunde betrifft einen Erbvertrag, nach dessen Inhalt die Eheleute J den Klägern im Vermächtniswege zu je hälftigen Anteilen die mit dem Gesamterbbaurecht belasteten Grundstücke zuwenden. Ersatzvermächtnisnehmer sollten die jeweiligen Erben der Kläger sein. Das Vermächtnis wurde von jedem der Ehegatten J ohne Rücksicht darauf angeordnet, ob und welche Pflichtteilsberechtigte vorhanden sein sollten. Darüber hinaus verpflichteten sich die Eheleute J - und zwar jeder von ihnen hinsichtlich seines Hälftemiteigentumsanteils - , die Grundstücke nicht ohne Zustimmung der Kläger zu veräußern und im Falle der Zuwiderhandlung die Grundstücke unentgeltlich auf die Kläger zu übertragen. Für diesen Übertragungsanspruch wurde eine entsprechende Auflassungsvormerkung bewilligt und beantragt.

Mit Bescheiden vom 2. Januar 1978 setzte das Finanzamt (FA) gegen jeden der Kläger Grunderwerbsteuer in Höhe von 77.875 DM, berechnet aus der hälftigen Leistungsverpflichtung aus dem Erbbaurechtsbestellungsvertrag fest. Es sah den Tatbestand von § 1 Abs. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) als verwirklicht an. Die Einsprüche blieben erfolglos. Die Zurückweisung der Einsprüche wird vom FA auf § 6 Abs. 1 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG - (§ 42 der Abgabenordnung - AO 1977 -) gestützt.

Die auf Aufhebung der Steuerfestsetzungen gerichteten Klagen hat das Finanzgericht (FG) mit der in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1982, 40 abgedruckten Entscheidung abgewiesen.

Mit der Revision verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren weiter. Hilfsweise begehren sie, "den Kaufpreis von 2.225.000 DM um den Wert des 'gekauften' Vermächtnisses, das bei Eintritt des Erbfalls der Erbschaftsteuer unterliegen kann, herabzusetzen." Gerügt wird die Verletzung von § 42 AO 1977.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Zutreffend ist das FG zu dem Ergebnis gekommen, daß die am 19. November 1973 zwischen den Klägern und den Eheleuten J abgeschlossenen Vereinbarungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG i. V. m. § 6 Abs. 1 StAnpG bzw. § 42 AO 1977 und i. V. m. § 10 Abs. 1, § 11 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer, berechnet aus dem im Erbbaurechtsbestellungsvertrag vereinbarten Entgelt, unterliegen. Nach § 6 Abs. 1 StAnpG bzw. § 42 Satz 1 AO 1977 kann durch Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des (bürgerlichen) Rechts die Steuerpflicht bzw. das Steuergesetz nicht umgangen werden. Im Falle eines derartigen Mißbrauchs sind nach § 6 Abs. 2 StAnpG die Steuern so zu erheben, wie sie bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung zu erheben wären bzw. entsteht der Steueranspruch in entsprechender Höhe nach § 42 Satz 2 AO 1977.

§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG unterwirft der Grunderwerbsteuer jedes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung eines inländischen Grundstücks begründet. Die Steuer ist in solchen Fällen regelmäßig vom Wert der Gegenleistung (§ 10 Abs. 1 GrEStG), bei einem Kaufvertrag somit vom Kaufpreis (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG) zu berechnen. Nach § 3 Nr. 8 GrEStG in der in Nordrhein-Westfalen gültigen Fassung unterliegt die Bestellung eines Erbbaurechts nicht der Grunderwerbsteuer. Ebenso ist von der Grunderwerbsteuer ein Grundstückserwerb von Todes wegen im Sinne des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) befreit. Auf das Eingreifen dieser beiden Befreiungsvorschriften zielen die getroffenen Vereinbarungen ab. Dem tatsächlichen wirtschaftlichen Gehalt der Vereinbarungen entsprechen diese - vom FG zutreffend als Einheit beurteilten - Verträge jedoch nicht. Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 13. Februar 1980 II R 18/75 (BFHE 130, 188, BStBl II 1980, 364) ausgeführt hat, sind ungewöhnliche Wege zur Erzielung eines Erfolgs unter der weiteren Voraussetzung, daß dieser Erfolg den Wertungen eines bestimmten Steuertatbestandes entspricht, nach § 6 StAnpG bzw. § 42 AO 1977 so zu behandeln, als wäre der Steuertatbestand verwirklicht worden.

Der wirtschaftliche Gehalt der getroffenen Vereinbarungen zielt auf die Übertragung des Eigentums an den beiden Grundstücken auf die Kläger ab, und zwar in einer Weise, daß der Eigentumserwerb sich zwar sozusagen in Abschnitten, aber ohne Einwirkungsmöglichkeit durch Dritte vollzieht. Den Eheleuten J ist nicht nur jegliche mit den Grundstücken verbundene Last abgenommen worden, sie sind auch endgültig von einer anderweitigen Verfügung über die Grundstücke ausgeschlossen.

Wenn die Kläger meinen, der Erwerb sei wegen der Möglichkeit der Anfechtung des Erbvertrages unsicher, so übersehen sie, daß die Eheleute J ausdrücklich die Aussetzung des Vermächtnisses ohne Rücksicht darauf angeordnet haben, ob und welche Pflichtteilsberechtigten im Zeitpunkt des jeweiligen Erbfalles vorhanden sind. Wenn sie weiter meinen, es stehe nicht fest, ob die Erben unangefochten ihrer Verpflichtung nachkämen, sie müßten vielmehr den Erben erst nachweisen, daß in dem Kaufpreis von 2.225.000 DM ausreichende Reserven vorhanden seien für das Verschaffungsvermächtnis, verkennen sie die aufgrund des Erbvertrages im Todesfall eintretende Rechtsfolge. Nur vage, nicht näher bestimmbare Anfechtungsmöglichkeiten sind in diesem Zusammenhang zu vernachlässigen.

Auch dem Hilfsantrag der Kläger war nicht zu entsprechen. Da der Senat die Summe aller Vereinbarungen als Kauf der Grundstücke wertet, auf denen das Erbbaurecht bestellt wurde, ist für die Erhebung einer Erbschaftsteuer aufgrund Vermächtnisanfalls kein Raum (§ 6 Abs. 2 StAnpG, § 42 Satz 2 AO 1977).