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BFH-Urteil vom 28.9.1982 (III R 29/77) BStBl. 1983 II S. 166

Pfandbriefe mit persönlicher Sonderausstattung, für die Kursnotierungen nicht vorliegen, sind gemäß § 12 BewG in Anlehnung an die Kursnotierungen vergleichbarer Pfandbriefe zu bewerten.

BewG 1965 §§ 11, 12.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Bausparkasse. In ihrem Wertpapierbestand befanden sich am 1. Januar der Jahre 1969 und 1970 Pfandbriefe der A-Bank, die im allgemeinen eine Laufzeit von 30 bis 34 Jahren hatten. Diese Laufzeit war bei der Begebung der Pfandbriefe durch Vereinbarung zwischen der Bank und der Klägerin abgekürzt worden. Die Pfandbriefe sollten zum vereinbarten Rückgabezeitpunkt zum Nennwert eingelöst werden (persönliche Sonderausstattung).

Die Klägerin setzte die Pfandbriefe in der Vermögenserklärung mit den für die betreffenden Wertpapiere ohne Sonderausstattung geltenden Kurswerten an.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) bewertete die von der Klägerin gehaltenen Pfandbriefe im Rahmen der Einheitswertfeststellung für das Betriebsvermögen der Klägerin zum 1. Januar 1969 und zum 1. Januar 1970 gemäß einem koordinierten Ländererlaß vom 28. April 1972 (vgl. hierzu auch Betriebs-Berater - BB - 1972, 529). Dementsprechend setzte er die Pfandbriefe der Klägerin mit dem Börsenkurs für Pfandbriefe ohne persönliche Sonderausstattung an. Die sich aus der persönlichen Sonderausstattung ergebenden Rechte der Klägerin gegen die Bank auf vorzeitige Rücknahme der Pfandbriefe zum Nennbetrag sah das FA als unverzinsliche Forderung gemäß § 12 Abs. 3 des Bewertungsgesetzes (BewG) an. Diese Forderung bewertete es in der Weise, daß es den Unterschiedsbetrag zwischen dem Rücknahmepreis (= Nennbetrag) und dem jeweiligen Börsenkurs entsprechend der aufgrund der persönlichen Sonderausstattung abgekürzten Restlaufzeit abzinste. In ihrer Sprungklage vertrat die Klägerin die Auffassung, diese Bewertung sei rechtsfehlerhaft. Das FA habe nämlich auf diese Weise ein immaterielles Wirtschaftsgut "persönliche Sonderausstattung" erfaßt, ohne daß die von der Rechtsprechung hierfür aufgestellten Voraussetzungen gegeben seien. Nach ihrer Ansicht seien die streitbefangenen Pfandbriefe mit dem sog. Renditekurs anzusetzen; denn der Marktwert der Pfandbriefe mit persönlicher Sonderausstattung ergebe sich aus der Effektivverzinsung von Papieren, die hinsichtlich der Bonität des Emittenten, der Normalverzinsung und der Restlaufzeit mit den zu bewertenden Wertpapieren vergleichbar seien.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Seiner Auffassung nach sind die streitbefangenen Wertpapiere gemäß § 12 BewG mit dem Nennwert der verbrieften Kapitalforderungen anzusetzen. Das FG sieht in den Pfandbriefen mit persönlicher Sonderausstattung ein einheitliches Wirtschaftsgut, das nicht in einen Pfandbrief ohne Sonderausstattung und in eine Forderung aufgrund der Sonderausstattung aufgespalten werden könne. Eine Bewertung gemäß § 11 Abs. 1 BewG mit dem Börsenkurs sei nicht möglich, da für die streitbefangenen Pfandbriefe nicht tatsächlich ein Börsenkurs festgesetzt worden sei. Besondere Umstände i.S. des § 12 BewG, die einen niedrigeren oder höheren Wert als den Nennwert begründen könnten, lägen nicht vor.

Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr bisheriges Begehren weiter.

Das FA tritt dem entgegen.

Der dem Verfahren beigetretene Bundesminister der Finanzen (BMF) ist der Auffassung, daß zwar Inhaberschuldverschreibungen mit u n persönlicher Sonderausstattung, nicht aber auch solche mit persönlicher Sonderausstattung - wie im Streitfall - als Wertpapiere eigener Marktgängigkeit anzusehen seien, die als "Wertpapiere mit Sonderausstattung" zu anderen Kursen als die gleichen Papiere ohne Sonderausstattung gehandelt werden. In den notierten Inhaberschuldverschreibungen mit persönlicher Sonderausstattung seien dagegen keine neuen Wertpapiere zu sehen. Die Sonderabrede zwischen Emittent und Ersterwerber lasse das Wertpapier selbst unberührt. Sie begründe nur ein schuldrechtliches Verhältnis zwischen den Partnern, ohne daß die Fungibilität des Papiers selbst dadurch eingeschränkt werde. In diesen Fällen sei der Rechtsauffassung des FA zu folgen. Sollte jedoch in Übereinstimmung mit der Praxis der Kreditwirtschaft sowie des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen und der Deutschen Bundesbank eine getrennte Behandlung für die notierten Wertpapiere einerseits und die lediglich persönlich verpflichtende Sonderabrede andererseits bewertungsrechtlich nicht für zwingend gehalten werden, so sei jedenfalls in gleicher Weise wie bei den festverzinslichen Wertpapieren mit unpersönlicher Sonderausstattung zu verfahren. Die Wertpapiere seien dann ebenfalls mit den Vergleichskursen nach Abschn. 74 Abs. 2 Nr. 2 der Vermögensteuer-Richtlinien (VStR) anzusetzen.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Zu den Kapitalforderungen i.S. des § 12 BewG gehören auch Forderungsrechte, die in Wertpapieren verbrieft sind, wie z.B. Pfandbriefe. Nach §§ 12 Abs. 1, 109 BewG sind Kapitalforderungen, die zu einem Betriebsvermögen gehören, grundsätzlich mit dem Nennwert anzusetzen. Dies gilt für die Streitjahre auch, wenn die Kapitalforderung in einem Wertpapier verbrieft ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. August 1955 III 133 und 134/55 S, BFHE 61, 207, BStBl III 1955, 278). Jedoch sind Wertpapiere, die am Stichtag an einer deutschen Börse zum amtlichen Handel zugelassen sind, mit dem niedrigsten am Stichtag für sie im amtlichen Handel notierten Kurs anzusetzen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 BewG). Entsprechend sind die Wertpapiere zu bewerten, die nur in den geregelten Freiverkehr einbezogen sind (§ 11 Abs. 1 Satz 3 BewG).

1. Eine Bewertung der streitigen Pfandbriefe nach § 11 Abs. 1 BewG scheidet aus, weil für sie ein amtlicher Kurs im Sinne dieser Vorschrift nicht vorliegt.

Der im amtlichen Handel notierte Kurs der Wertpapiere ist nach dem Willen des Gesetzgebers vor allen Dingen deshalb als gemeiner Wert anzusehen, weil für die zum amtlichen Handel zugelassenen Wertpapiere amtlich festgesetzte Preise vorliegen, die der wirklichen Geschäftslage des Verkehrs an der Börse entsprechen, die überdies regelmäßig veröffentlicht werden und somit leicht zugänglich sind (vgl. BFH-Urteil vom 23. Februar 1977 II R 63/70, BFHE 121, 509, BStBl II 1977, 427). Der nach § 29 Abs. 3 des Börsengesetzes (BörsG) amtlich festgesetzte Börsenpreis bezieht sich aber grundsätzlich nur auf ein Wertpapier mit einer bestimmten Ausstattung. Unterschiedliche Ausstattungen führen regelmäßig auch zu unterschiedlichen Kursen. Selbst bei der Preisbemessung für ein bestimmtes Wertpapier sind Geschäfte, bei denen preisbeeinflußende Usancen abgeändert worden sind, auszuschalten (vgl. Schwark, Börsengesetz, Kommentar, 1976, Rdnote 10 zu § 29, der beispielhaft auf die Ermäßigung der Courtage hinweist). Um so mehr ist die Änderung der Ausstattung eines Wertpapiers ein den Börsenpreis beeinflussender Faktor, und zwar unabhängig davon, ob die Änderung allgemein oder nur gegenüber bestimmten Abnehmern erfolgt. Hat - wie im Streitfall - der Emittent mit dem Erwerber vereinbart, das Papier zu einem Zeitpunkt einzulösen, der vor dem Ablauf der in den Emissionsbedingungen festgelegten Laufzeit liegt, so ändert dies zwar nicht die übrigen Rechte, die sich für den Inhaber aus dem Wertpapier selbst ergeben. Die für die Bemessung des Börsenpreises maßgebliche Laufzeit wurde jedoch materiell abgekürzt. Wirtschaftlich handelte es sich damit um ein anderes Papier, das als "Wertpapier mit Sonderausstattung" regelmäßig zu anderen Kursen gehandelt wird als das gleiche Papier ohne Sonderausstattung (vgl. Birck/Meyer, Die Bankbilanz, 3. Aufl., 1976, II 118 f., sowie das Amtliche Kursblatt der Frankfurter Wertpapierbörse, unter: Pfandbriefe und Kommunalschuldverschreibungen). Demnach entspricht der für ein Wertpapier ohne Sonderausstattung festgesetzte Börsenpreis grundsätzlich nicht der wirklichen Geschäftslage bezüglich des gleichen Wertpapiers mit Sonderausstattung. Er kann daher nicht der Bewertung des letzteren zugrunde gelegt werden.

Ein Börsenkurs für die streitigen Pfandbriefe wurde aber nach den Feststellungen des FG nicht festgesetzt. Daß die Wertpapiere in den geregelten Freiverkehr einbezogen waren, hat die Klägerin selbst nicht behauptet.

2. Entgegen der Auffassung des FG sind die streitbefangenen Wertpapiere jedoch nicht mit dem Nennwert, sondern mit einem Vergleichskurs anzusetzen.

Der Nennwert ist nur dann anzusetzen, wenn nicht besondere Umstände einen höheren oder geringeren Wert begründen. Es muß sich dabei um Umstände handeln, die der Forderung selbst innewohnen (BFH-Urteil vom 16. Januar 1970 III R 144/66, BFHE 98, 508, BStBl II 1970, 410). Einen derartigen besonderen Umstand sieht der Senat in dem gegenüber sonstigen Forderungen besonderen Charakter eines Pfandbriefes. Dem Pfandbrief kommt seit Jahrzehnten eine erhebliche Bedeutung im Rahmen der langfristigen Investitionsfinanzierung zu. Dies führte zur Bildung eines speziellen Pfandbriefmarktes mit amtlichen Börsennotierungen (vgl. dazu im einzelnen Letschert, Die Refinanzierung der Boden- und Kommunalkreditinstitute, in: Steffan, Handbuch des Real- und Kommunalkredits, 2. Aufl., 1977, S. 555 ff.). Diese Börsenpreise sind im Geschäftsverkehr mit Pfandbriefen in aller Regel maßgebend. Eine Verwertung der Pfandbriefforderung zum Nennwert erfolgt im allgemeinen nicht. Diese wirtschaftlichen Gegebenheiten können bei der Entscheidung, ob ein besonderer Umstand i.S. des § 12 BewG vorliegt, nicht außer Betracht bleiben.

Soweit sich das FG zur Begründung seiner gegenteiligen Auffassung auf das BFH-Urteil vom 26. Juli 1974 III R 16/73 (BFHE 113, 59, BStBl II 1974, 656) beruft, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Diese Entscheidung erging zu der Frage, ob ein für ein bestimmtes Wertpapier amtlich festgesetzter Kurs ausnahmsweise nicht als Börsenkurs i.S. des § 11 Abs. 1 BewG angesehen werden kann. Die Sachlage ist insoweit unterschiedlich. Entgegen der Auffassung des FG läßt sich der Ansatz des Nennwerts auch nicht damit begründen, daß bei Berücksichtigung der Regelungen des § 12 Absätze 2 und 3 BewG nicht jede Abweichung des Nennwerts vom gemeinen Wert eine Korrektur rechtfertigen könne, sondern nur ein verhältnismäßig großes Mißverhältnis. Unbeschadet der Frage, wo die Grenzen zu ziehen wären, weist der Senat auf die Entwicklung des Pfandbriefmarkts insbesondere im letzten Jahrzehnt hin, die gezeigt hat, daß die Börsennotierungen teilweise lediglich zwei Drittel des Nennwerts ausmachten.

3. a) Den besonderen Umständen i.S. des § 12 BewG ist nach Ansicht des Senats in der Weise Rechnung zu tragen, daß die streitbefangenen Pfandbriefe in Anlehnung an die Kursnotierungen von in Ausstattung und Laufzeit vergleichbaren Pfandbriefen bewertet werden (vgl. auch Gürsching/Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 7. Aufl., Anm. 221 zu § 11 BewG; Rössler/Troll/Langner, Bewertungsgesetz/Vermögensteuergesetz, 12. Aufl., Rdnote 5 zu § 12 BewG; Steinhardt, Bewertungsgesetz/Vermögensteuergesetz, Kommentar, Anm. 75 zu § 11 BewG). Dieser Wert entspricht dem gemeinen Wert.

b) Der erkennende Senat hat zwar in seinem Urteil vom 12. Dezember 1975 III R 30/74 (BFHE 118, 66, BStBl II 1976, 238) entschieden, daß bei der Anteilsbewertung nach dem Stuttgarter Verfahren ein Vergleich mit Börsenkursen der Aktien von Unternehmen derselben Branche nicht möglich ist. Zur Begründung hat er dabei ausgeführt, daß die Höhe der Börsenkurse nicht nur von den Verhältnissen der einzelnen Gesellschaft bestimmt würden, deren Aktien umgesetzt werden, sondern auch von allgemeinen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen, Tendenzen und Erwartungen. Nicht zuletzt wirkten sich auch Spekulationen auf die Höhe des Börsenkurses aus. Hinzu komme, daß auch Unternehmen derselben Branche nicht ohne weiteres miteinander vergleichbar seien. Diese Überlegungen gelten jedoch nicht in gleicher Weise auch für Pfandbriefe. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, daß Pfandbriefe Forderungsrechte verbriefen, Aktien dagegen Mitgliedschaftsrechte. Hinzu kommt, daß Pfandbriefe grundsätzlich untereinander vergleichbar sind. Im Gegensatz zu Aktien ist bei Pfandbriefen eine Verobjektivierung des Wertes des Papiers festzustellen. Dies beruht insbesondere darauf, daß die vorgegebenen Marktdaten und die das Wertpapiergeschäft betreffenden Bestimmungen des Hypothekenbankgesetzes und des Gesetzes über die Pfandbriefe und verwandten Schuldverschreibungen öffentlich-rechtlicher Kreditanstalten über die Ausstattung und Deckung für die Emittenten gleichermaßen maßgebend sind. Ein Pfandbrief kann zudem nicht von jedermann ausgegeben werden. Für die Ausgabe besteht vielmehr ein Privileg (Pfandbriefprivileg). Dieses Privileg haben nur wenige Bankengruppen. Darüber hinaus ist der Umlauf an Pfandbriefen bei privaten Hypothekenbanken auf eine bestimmte Relation zu den haftenden Eigenmitteln begrenzt (vgl. dazu im einzelnen Letschert, a.a.O., S. 580 ff.; vgl. ferner auch § 795 des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB -).

c) Der Senat vermag der Auffassung der Klägerin, der Wert der streitbefangenen Wertpapiere sei mit dem Renditekurs anzusetzen, nicht zu folgen. Derartige Kurse sind das Ergebnis finanzmathematischer Berechnungen auf der Grundlage vorgegebener Anleihedaten wie Ausgabekurs, Anleihezins, Laufzeit, Rückzahlungskurs usw. Es erscheint fraglich, ob der Renditekurs regelmäßig den Kursen entspricht, die auf den konkreten Marktverhältnissen beruhen. Die vom Senat vorgesehenen Vergleichskurse sind dagegen ausschließlich aus tatsächlich erzielten Kursen vergleichbarer Pfandbriefe abgeleitet. Sie sind daher besser geeignet, als Grundlage für die Ermittlung des zutreffenden Wertes zu dienen.

4. Bei dieser Sach- und Rechtslage ist kein Raum mehr für den Ansatz eines zusätzlichen Forderungsrechtes. Die Rechtsauffassung des Senats entspricht insoweit nach dem unwidersprochenen Vorbringen des BMF auch der tatsächlichen Handhabung durch die maßgeblichen Wirtschaftskreise.

5. Das FG ist von einer anderen Auffassung ausgegangen. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist jedoch nicht spruchreif. Das FG hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus zutreffend - keine Feststellungen über die im Streitfall maßgeblichen Vergleichskurse getroffen. Die Sache war daher zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Dieses wird die noch fehlenden Feststellungen nachzuholen haben.