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BFH-Urteil vom 8.10.1982 (III R 125/79) BStBl. 1983 II S. 168

Bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens stellt die erst nach dem Bewertungsstichtag mit dem Kaufpreis in Rechnung gestellte Umsatzsteuer wegen der Möglichkeit des Vorsteuerabzugs bei der nächsten Umsatzsteuervoranmeldung keine wirtschaftliche Last dar. Sie kann daher am Bewertungsstichtag nicht als Betriebsschuld abgezogen werden.

BewG 1965 §§ 95, 103 Abs. 1; UStG 1967 § 15 Abs. 1 Nr. 1.

Vorinstanz: FG München

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Alleinerbe der im Jahre 1975 verstorbenen Frau B. Diese hatte zum 1. Januar 1970 ihre als Einzelunternehmen betriebene ...fabrik in eine gemeinsam errichtete Offene Handelsgesellschaft (OHG) eingebracht, an der Frau B zu 5/6 und der Kläger zu 1/6 beteiligt waren. Der Kaufpreis wurde durch Gewährung der Gesellschaftsrechte am 1. Januar 1970 abgegolten. Die durch die Betriebsveräußerung ausgelöste Umsatzsteuer in Höhe von 60.996 DM wurde der OHG erst im August 1973 - aus Anlaß einer Betriebsprüfung - von dem Einzelunternehmen in Rechnung gestellt.

Bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens der OHG auf den 1. Januar 1970, 1. Januar 1972 und 1. Januar 1973 erfaßte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die auf den Einbringungsvorgang entfallende Umsatzsteuer von 60.996 DM als Schuld nach § 103 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes i.d.F. vom 10. Dezember 1965 (BewG 1965). Außerdem setzte das FA beim Rohvermögen der OHG einen Besitzposten in gleicher Höhe an. Es sah hierin den zivilrechtlich einklagbaren Anspruch der OHG gegen das Einzelunternehmen auf Erteilung einer Rechnung mit gesondertem Steuerausweis (§ 14 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (Mehrwertsteuer) vom 29. Mai 1967 - UStG 1967 -). Diesen Anspruch bewertete es ebenfalls mit 60.996 DM.

Die Einsprüche blieben im Streitpunkt ohne Erfolg.

Während die Klage gegen den Einheitswertbescheid auf den 1. Januar 1970 aus formellen Gründen Erfolg hatte, wurde sie hinsichtlich der Stichtage 1. Januar 1972 und 1. Januar 1973 abgewiesen. Das Finanzgericht (FG) führte in seiner in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1980, 62 veröffentlichten Entscheidung im wesentlichen aus: Der Anspruch auf Rechnungserteilung sei ein Wirtschaftsgut, das bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens der OHG zu erfassen sei. Der Ansatz eines Besitzpostens sei auch deshalb wirtschaftlich gerechtfertigt, weil ein Betrag in gleicher Höhe als Schuld angesetzt worden sei, obwohl diese Schuld die OHG wirtschaftlich im Ergebnis nicht belastet habe.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts (§§ 95 Abs. 1, 97 Abs. 1 Nr. 5, 109 Abs. 1 BewG 1965). Er ist der Auffassung, das FA habe das Betriebsvermögen der OHG zu den streitigen Feststellungszeitpunkten um je 60.996 DM zu hoch ausgewiesen. Insbesondere könne der Anspruch auf Rechnungserteilung nicht als immaterielles Wirtschaftsgut angesehen werden.

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben, soweit sie die Einheitswertbescheide auf den 1. Januar 1972 und 1. Januar 1973 betrifft, und das vom FA ermittelte Betriebsvermögen jeweils um 60.996 DM zu mindern.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Der Senat hält die Vorentscheidung im Ergebnis für zutreffend. Er ist im Gegensatz zum FG jedoch der Auffassung, daß im Rohbetriebsvermögen nicht ein Anspruch auf Rechnungserteilung als Ausgleichsposten zu erfassen ist, sondern daß zu den noch streitigen Feststellungszeitpunkten die Betriebsschulden (§ 103 Abs. 1 BewG 1965) um den fraglichen Betrag von 60.996 DM zu kürzen sind, weil die OHG insoweit wirtschaftlich nicht belastet war.

1. Nach § 97 Abs. 1 Nr. 5 BewG 1965 wird das gewerbliche Betriebsvermögen einer OHG von allen Wirtschaftsgütern gebildet, die der OHG gehören. Von der Summe dieser Wirtschaftsgüter (Rohbetriebsvermögen) sind u.a. die Schulden nach § 103 BewG 1965 abzuziehen. Für den Bestand und die Bewertung der Wirtschaftsgüter und Schulden sind bei Betrieben, die - wie die OHG - regelmäßig jährliche Abschlüsse auf den 31. Dezember machen, grundsätzlich die Verhältnisse dieses Stichtags maßgebend (vgl. § 106 Abs. 1 und 2 BewG 1965).

2. Die der OHG im August 1973 in Rechnung gestellte Umsatzsteuer in Höhe von 60.996 DM ist an den noch streitigen Stichtagen 1. Januar 1972 und 1. Januar 1973 bei der OHG nicht als Betriebsschuld (§ 103 Abs. 1 BewG 1965) zu erfassen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats setzt der Abzug einer Betriebsschuld voraus, daß sie rechtlich besteht und den Schuldner wirtschaftlich belastet (vgl. zuletzt Urteil vom 11. April 1975 III R 93/72, BFHE 116, 43, BStBl II 1975, 657). An dieser wirtschaftlichen Belastung fehlte es im Streitfall. Zwar bestand für die OHG eine Verbindlichkeit gegenüber Frau B wegen deren Anspruch auf Zahlung der durch den Einbringungsvorgang verursachten Umsatzsteuer. Insoweit handelte es sich um einen von der OHG noch zu zahlenden Kaufpreisrest. Andererseits stand der Gesellschaft in gleicher Höhe eine Verrechnungsmöglichkeit gegenüber dem FA (vgl. § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967) und somit eine gesicherte Vermögensposition zu. Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, daß die Kaufpreisschuld gegenüber Frau B und die Möglichkeit, die Vorsteuer zu verrechnen, gegenüber dem FA bestand. Unbeschadet der Tatsache, daß Schuldner und Gläubiger im Streitfall nicht identisch waren, ist allein entscheidend, daß Schuld und Forderung in der dargestellten Weise wirtschaftlich miteinander verknüpft waren.

Nach Auffassung des Senats läßt es die dargestellte umsatzsteuerrechtliche Regelung nicht zu, bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens die Kaufpreisschuld einschließlich Umsatzsteuer anzusetzen. Denn diese Handhabung würde hinsichtlich der Umsatzsteuer nicht berücksichtigen, daß am Bewertungsstichtag die Umsatzsteuerschuld (Teil der Kaufpreisschuld) zwar rechtlich entstanden, wegen des alsbaldigen Vorsteuerabzugs der Kläger aber wirtschaftlich dadurch nicht belastet war.

In diesem Zusammenhang kommt den Regelungen der §§ 4 und 6 BewG 1965 keine Bedeutung zu. Es geht im zu entscheidenden Fall nicht um die Frage, ob das Entstehen einer Forderung oder Schuld vom Eintritt einer Bedingung abhängt, sondern darum, ob eine rechtlich entstandene Schuld nach den im Feststellungszeitpunkt maßgebenden Verhältnissen eine wirtschaftliche Last darstellt.