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BFH-Urteil vom 20.10.1982 (I R 118/78) BStBl. 1983 II S. 247

Der Grundsatz, daß Vereinbarungen über Tätigkeitsvergütungen zwischen einer GmbH und ihren beherrschenden Gesellschaftern nur dann der körperschaftsteuerlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden können, wenn sie von vornherein klar vereinbart sind, gilt auch für sog. Gründungsgesellschaften, d.h. für Gesellschaften, die zwischen der Gründung der GmbH (Abschluß des Gesellschaftsvertrags) und der Eintragung der GmbH ins Handelsregister bestehen.

KStG § 6 Abs. 1 Satz 2; GmbHG § 11; UmwStG 1969 § 17 Abs. 7.

Vorinstanz: FG Düsseldorf

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, wurde durch notariellen Vertrag vom 19. Dezember 1972 gegründet und am 8. Februar 1973 in das Handelsregister eingetragen. Gesellschafter waren Herr B, dessen Anteil am Stammkapital (160.000 DM) 150.000 DM betrug, sowie seine Ehefrau, auf die 10.000 DM des Stammkapitals entfielen. Die Stammeinlagen wurden in der Weise erbracht, daß die Gesellschafter das von B betriebene Personenschiffahrtsunternehmen nebst Zubehör mit Aktiven und Passiven nach dem Stande vom 1. November 1972 dergestalt in die Klägerin einbrachten, "daß das Unternehmen vom 1. November 1972 ab auf Rechnung der Gesellschaft geführt wird". Den eingebrachten Anteil der Ehefrau hatte diese schenkungsweise von B erhalten.

Ebenfalls am 19. Dezember 1972 wurde B zum alleinvertretungsberechtigten und von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) befreiten Geschäftsführer bestellt. In einem am 8. März 1973 zu den Steuerakten eingereichten Anstellungsvertrag vom 12. Februar 1973 wurden ihm ein Grundgehalt von monatlich 2.000 DM und eine Umsatzprovision in Höhe von 3 v.H. des Jahresumsatzes als Vergütung für seine Tätigkeit zugesagt.

Die Gesellschafterversammlung billigte am 12. Februar 1973 den Anstellungsvertrag und beschloß, daß der Vertrag vom 1. November 1972 an gelten sollte.

Die Klägerin wurde für das Geschäftsjahr 1972/73 (1. November 1972 bis 31. Dezember 1973) zunächst entsprechend ihrer Steuererklärung zur Körperschaftsteuer 1973 veranlagt. Bei einer Betriebsprüfung wurde festgestellt, daß am 13. und 15. Dezember 1972 und am 15. Februar 1973 Tätigkeitsvergütungen an B bezahlt wurden, von denen 7.000 DM auf die Zeit vom 1. November 1972 bis 12. Februar 1973 entfielen. Diesen Betrag sah der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) als verdeckte Gewinnausschüttung an und erließ auf dieser Grundlage einen auf § 222 der Reichsabgabenordnung (AO) gestützten berichtigten Körperschaftsteuerbescheid für das Streitjahr 1973.

Der Einspruch, mit dem die Klägerin geltend machte, der Anstellungsvertrag sei nicht erst am 12. Februar 1973, sondern bereits am 19. Dezember 1972 (Abschluß des Gesellschaftsvertrags) zustande gekommen, hatte keinen Erfolg. Dagegen gab das Finanzgericht (FG) der Klage der Klägerin statt. Es ging davon aus, daß die Klägerin ab 1. November 1972 der Körperschaftsteuer unterliege und stützte dies auf § 17 Abs. 7 des Gesetzes über steuerliche Maßnahmen bei Änderung der Unternehmensform vom 14. August 1969 - UmwStG - (BGBl I, 1163, BStBl I, 498). Abgesehen davon ergebe sich die Körperschaftsteuerpflicht der Klägerin auch aus den von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Grundsätzen. So unterliege die Gründergesellschaft nach Abschluß des Gesellschaftsvertrags der Körperschaftsteuer. Bis zum Abschluß des Gesellschaftsvertrags habe eine Vorgesellschaft bestanden, die zwar grundsätzlich nicht körperschaftsteuerpflichtig sei. Gegen eine Rückbeziehung seien aber dann keine Einwendungen zu erheben, wenn es sich - wie hier - nur um eine kurze Zeitspanne (1. November bis 19. Dezember 1972) handle. Soweit die Körperschaftsteuerpflicht reiche, seien auch verdeckte Gewinnausschüttungen (§ 6 Abs. 1 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG -) denkbar. Die von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) allgemein geforderten klaren und eindeutigen, im voraus getroffenen Vereinbarungen über die Tätigkeitsvergütungen von beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern könnten im Streitfall nicht zur Anwendung kommen. Es wäre widersprüchlich, einerseits die Körperschaftsteuerpflicht auf die Zeit vor der Eintragung zurückzubeziehen, andererseits dagegen einer erst ab Eintragung wirksamen und die GmbH verpflichtenden Gehaltsabsprache die steuerliche Berücksichtigung zu versagen. Unter diesen Umständen sei es unerheblich, ob - wie die Klägerin vorgetragen habe - bereits entsprechend einem Aktenvermerk ihres Bevollmächtigten mit Datum vom 19. Dezember 1972 anläßlich der ersten Gesellschafterversammlung dem Geschäftsführer der Klägerin eine Vergütung für seine Dienste zugesagt worden sei, was der Prozeßbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung bekunden habe. - Das FG berechnete die Körperschaftsteuerschuld dem Antrag der Klägerin entsprechend neu.

Mit seiner Revision, die der erkennende Senat mit Beschluß vom 5. April 1978 I B 76/77 zugelassen hat, rügt das FA, das FG habe § 6 Abs. 1 Satz. 2 KStG verletzt.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, den Rechtsstreit an das FG zurückzuverweisen.

Die Klägerin hat zu den Darlegungen des FA Stellung genommen. Einen förmlichen Antrag hat sie nicht gestellt.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Die tatsächlichen Feststellungen des FG lassen es nicht zu, abschließend zu beurteilen, inwieweit eine verdeckte Gewinnausschüttung (§ 6 Abs. 1 Satz 2 KStG) in Betracht kommt.

1. Soweit die an B geleistete Tätigkeitsvergütung auf die Zeit vom 1. November bis 19. Dezember 1972 entfallen sollte, aber erst nach diesem Zeitpunkt geleistet worden sein sollte, läge eine verdeckte Gewinnausschüttung (§ 6 Abs. 1 Satz 2 KStG) vor.

Vor dem Abschluß des Gesellschaftsvertrags vom 19. Dezember 1972, durch den die (später eingetragene) GmbH gegründet wurde, bestand keine Körperschaftsteuerpflicht. Soweit B in diesem Zeitraum als Einzelunternehmer tätig war, hat er gewerbliche Einkünfte (§ 15 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) bezogen. Ein Unternehmerlohn war nicht als Betriebsausgabe abzugsfähig. Wenn infolge der Schenkung eines Gesellschafteranteils des B an seine Ehefrau vor Gründung der GmbH eine Gesellschaft zwischen den Eheleuten B bestanden hat, ist eine Tätigkeitsvergütung an B nach § 15 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG seinen Einkünften aus Gewerbebetrieb zuzurechnen. Tätigkeitsvergütungen, die vor dem 19. Dezember 1972 an B geleistet wurden, sind danach als Entnahmen (§ 4 Abs. 1, § 5 EStG) anzusehen. Soweit die auf die Zeit bis 18. Dezember 1972 entfallenden Tätigkeitsvergütungen an B später von der Klägerin gezahlt worden sein sollten, hat diese verdeckt Gewinne an ihren beherrschenden Gesellschafter ausgeschüttet.

Dem stehen die Vorschriften des UmwStG nicht entgegen. Wie der erkennende Senat im Urteil vom 9. April 1981 I R 157/77, (BFHE 134, 404, BStBl II 1982, 362) ausgeführt hat, gilt die Vorschrift des § 17 Abs. 7 UmwStG, die unter bestimmten Voraussetzungen eine Rückbeziehung der Besteuerung auf den Umwandlungsstichtag zuläßt, nur für Sacheinlagen, die durch Umwandlung aufgrund handelsrechtlicher Vorschriften vorgenommen worden sind. Zu ihnen gehört nicht der im Streitfall verwirklichte Sachverhalt, in dem durch Einbringung von Mitunternehmeranteilen eine GmbH gegründet wurde. Auch eine entsprechende Anwendung auf diesen Fall kommt nach BFHE 134, 404, BStBl II 1982, 362 nicht in Betracht. Daß die Finanzverwaltung § 17 Abs. 7 UmwStG im Billigkeitsweg gleichwohl auch auf Fälle nichthandelsrechtlicher Umwandlungen anwenden will (Schrelben des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 14. Juni 1982 IV B 2-S 1909 - 13/82, BStBl I 1982, 624), bindet die Steuergerichte nicht. Der erkennende Senat braucht daher auch nicht zu prüfen, auf welche Rechtsgrundlage die Finanzverwaltung ihre Billigkeitsmaßnahme stützt.

Auch aus dem Gesichtspunkt einer kurzfristigen Rückwirkung des Gesellschaftsvertrags vom 19. Dezember 1972, durch den die Klägerin als GmbH gegründet wurde (siehe Nr. 2), kann nichts anderes gelten. Die Rechtsprechung zur Anerkennung kurzfristiger Rückwirkungen (vgl. die Hinweise in BFHE 134, 404, 408, BStBl II 1982, 362, 364) dient lediglich dazu, die Besteuerung technisch zu vereinfachen. Es darf sich daher in der Zwischenzeit nichts ereignet haben, was für die Besteuerung noch relevant sein kann. Andernfalls besteht die Gefahr, daß die Rückbeziehung zu einer unzutreffenden Besteuerung führt (BFH-Urteil vom 24. Januar 1979 I R 202/75, BFHE 128, 33, BStBl II 1979, 581). Die Rückwirkung des Gründungsvorgangs der GmbH auf einen Zeitpunkt vor Abschluß des Gesellschaftsvertrags hätte aber für diesen zurückliegenden Zeitraum eine grundlegend andere Besteuerung zur Folge. Sie würde sich insbesondere darin auswirken, daß Betriebsausgaben, die ein einkommensteuerpflichtiger Gewerbetreibender nicht abziehen dürfte, bei der Körperschaftsteuerveranlagung als Betriebsausgaben abzugsfähig wären. Hierunter fallen gerade Tätigkeitsvergütungen.

2. In der Zeit vom 19. Dezember 1972 (Abschluß des Gesellschaftsvertrags) bis zur Eintragung der Klägerin im Handelsregister am 8. Februar 1973, die die Klägerin als GmbH gesellschaftsrechtlich zur Entstehung brachte (§ 11 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG -), bestand eine sog. Gründungsgesellschaft. Diese unterlag bereits der Körperschaftsteuerpflicht (BFH-Urteile vom 11. April 1973 I R 172/72, BFHE 109, 190, BStBl II 1973, 568 und vom 9. März 1978 V R 90/74, BFHE 125, 212, BStBl II 1978, 486). Die im einzelnen für die Anerkennung der Gründungsgesellschaft als Kapitalgesellschaft von der Rechtsprechung geforderten Voraussetzungen (geschäftliche Tätigkeit, spätere Eintragung ins Handelsregister) liegen im Streitfall vor. In diesem Stadium gilt wie für alle Kapitalgesellschaften der Grundsatz, daß Rechtsgeschäfte zwischen der Kapitalgesellschaft und ihrem beherrschenden Gesellschafter nur dann der Besteuerung zugrunde zu legen sind, wenn sie von vornherein klar vereinbart und vollzogen wurden (vgl. BFH-Urteile vom 22. März 1972 I R 117/70, BFHE 105, 143, BStBl II 1972, 501; vom 3. April 1974 I R 241/71, BFHE 112, 178, BStBl II 1974, 497, und vom 2. Mai 1974 I R 194/72, BFHE 112, 476, BStBl II 1974, 585; ständige Rechtsprechung, zuletzt erneut bestätigt durch das BFH-Urteil vom 21. Juli 1982 I R 56/78, BFHE 136, 386, BStBl II 1982, 761). Entgegen der Auffassung des FG bestand im Streitfall auch kein Hindernis, von vornherein klare Vereinbarungen über die Tätigkeitsvergütungen des B zu treffen, weil die "Handelnden" eine persönliche Haftung nach § 11 Abs. 2 GmbHG riskiert hätten. Es bedarf im Streitfall nicht des Hinweises auf die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH), wonach die Haftung des Handelnden (eines Gründers) aus Geschäften, die er mit Ermächtigung aller Gründer im Namen der Gesellschaft abgeschlossen hat, mit der Eintragung der GmbH in das Handelsregister erlischt (Urteil vom 16. März 1981 II ZR 59/80, Neue Juristische Wochenschrift 1981, 1452). Entscheidend im Streitfall ist vielmehr die Stellung des B als beherrschender Gesellschafter der Klägerin einerseits und als Gläubiger des Anspruchs auf die Tätigkeitsvergütung andererseits. Eine persönliche Haftung für die Zahlung der ihm selbst gebührenden Tätigkeitsvergütung kann nicht ernstlich in Betracht gezogen werden.

Soweit an B Tätigkeitsvergütungen für die Zeit vom 19. Dezember 1972 bis 11. Februar 1973 gezahlt worden sein sollten, käme es im Streitfall darauf an, ob bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des Gesellschaftsvertrags vom 19. Dezember 1972 mit B ein Anstellungsvertrag abgeschlossen wurde, der den Anforderungen einer klaren und eindeutigen Vereinbarung entspricht. Diese Frage hat das FG - von seinem Rechtsstandpunkt aus zutreffend - dahingestellt sein lassen. Hierzu bedarf es jedoch erforderlichenfalls noch tatsächlicher Feststellungen. Die Sache ist daher nicht spruchreif. Sie geht an das FG zurück.

3. Bei seiner erneuten Entscheidung wird das FG auch im Rahmen des Klagebegehrens prüfen müssen, ob die Klage nicht ganz oder teilweise deshalb Erfolg haben kann, weil der Klägerin Besteuerungsgrundlagen zugerechnet worden sind, die den Zeitraum vor Gründung der GmbH (19. Dezember 1972) betreffen und daher nach den Vorschriften des § 15 EStG zu beurteilen wären. Im Rahmen des Klagebegehrens der Klägerin sind alle Umstände zu prüfen, die geeignet sind, dieses Begehren ganz oder zum Teil zu rechtfertigen (BFH-Beschluß vom 17. Juli 1967 GrS 1/66, BFHE 91, 393, BStBl II 1968, 344; ständige Rechtsprechung des BFH).