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BFH-Urteil vom 9.2.1983 (I R 94/79) BStBl. 1983 II S. 271

Die Ausgleichszahlung gemäß § 89b HGB gehört auch dann zum laufenden Gewinn, wenn der Anspruch auf Ausgleichszahlung durch den Tod des Handelsvertreters entstanden ist und der Erbe des Handelsvertreters den Betrieb aufgibt.

EStG § 16 Abs. 4; HGB § 89b.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Der Ehemann der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) war Handelsvertreter. Er starb am 9. Mai 1972. Die von ihm vertretene Firma erkannte am 2. Februar 1973 gegenüber der Klägerin einen Ausgleichsanspruch in Höhe von 33.000 DM an, der kurz darauf an die Klägerin ausbezahlt wurde.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erfaßte die Ausgleichszahlung in dem für 1972 ergangenen Steuerbescheid entgegen der Erklärung der Klägerin als laufenden Gewinn. Die Klägerin wollte mit der Behandlung als Betriebsaufgabegewinn erreichen, daß ihr der Freibetrag gemäß § 16 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) eingeräumt wird.

Die gegen den Bescheid erhobene Sprungklage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) behandelte den durch die Abfindungszahlung entstandenen Gewinn in der in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1979 S. 443 (EFG 1979, 443) veröffentlichten Entscheidung als Betriebsaufgabegewinn und gewährte der Klägerin den Freibetrag gemäß § 16 Abs. 4 EStG. Das FG begründete dies u.a. damit, daß Geschäftsvorfälle, wie z.B. die Veräußerung des betrieblich genutzten PKW und anderer Betriebsvermögensgegenstände, die für sich betrachtet ebenfalls auch während des laufenden Geschäftsbetriebs anfallen könnten, mit den dadurch erzielten Gewinnen deshalb als zum Aufgabegewinn gehörend qualifiziert wurden, weil sie sich mit ihrer Zielsetzung in den Gesamtplan einfügten, wie er auch in anderen Geschäftsvorfällen sichtbar geworden sei, die in ihrem Zusammenhang der Beendigung der gewerblichen Tätigkeit dienten.

Das FG ließ die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts (§ 16 EStG) und beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision des FA zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet; denn das FG hat den durch den Ausgleichsanspruch entstandenen Gewinn zu Unrecht als Betriebsaufgabegewinn gemäß § 16 EStG behandelt.

Die sich aus dem Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters gemäß § 89b HGB ergebende Gewinnerhöhung gehört auch dann zum laufenden Gewinn, wenn die Beendigung des Vertragsverhältnisses mit der Aufgabe des Betriebs zusammenfällt. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (vgl. Urteil vom 14. Oktober 1980 VIII R 184/78, BFHE 131, 520, BStBl II 1981, 97, mit weiteren Nachweisen; nicht veröffentlichtes Urteil des VIII. Senats vom 18. Dezember 1979 VIII R 11/78, durch das die in EFG 1978, 183 veröffentlichte Entscheidung des FG Berlin aufgehoben wurde, und das Urteil des erkennenden Senats vom 24. November 1982 I R 60/79, BFHE 137, 360, durch das die in EFG 1979, 406 veröffentlichte Entscheidung des FG Baden-Württemberg aufgehoben wurde).

Dem Ausgleichsanspruch entsprechen nicht stille Reserven im Anlagevermögen des Handelsvertreters, die sich infolge der Betriebsaufgabe zwangsläufig auflösen. Der Anspruch ist vielmehr Ausfluß der laufenden Geschäftsvorfälle, wie sie sich aus den vom Betriebsinhaber Dritten gegenüber eingegangenen Geschäftsbeziehungen während des Bestehens des Betriebs ergeben können. Gewinne aus derartigen, ihrer Natur nach laufenden Geschäftsbeziehungen gehören auch dann zum laufenden Gewinn, wenn sie im Zusammenhang mit einer Betriebsaufgabe eingegangen werden (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 25. Juni 1970 IV 350/64, BFHE 99, 479, BStBl II 1970, 719, wonach die Gewinne, die bei der Veräußerung von Waren im Rahmen einer Betriebsaufgabe an den bisherigen Abnehmerkreis entstehen, nicht zum tarifbegünstigten Aufgabegewinn gehören).

Es kann daher dahingestellt bleiben, ob der Ausgleichsanspruch nicht schon deshalb aus dem Betriebsaufgabegewinn ausscheidet, weil der Ausgleichsanspruch noch beim Ehemann der Klägerin entstand (vgl. Urteile des BFH vom 29. Oktober 1969 IV 175/65, BFHE 98, 25, BStBl II 1970, 315, und des erkennenden Senats vom 26. März 1969 I R 141/66, BFHE 95, 497, BStBl II 1969, 485) und deshalb nicht von der Betriebsaufgabe durch die Klägerin erfaßt werden konnte.