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BFH-Urteil vom 9.11.1982 (VIII R 198/81) BStBl. 1983 II S. 297

Aufwendungen berufstätiger Eheleute für die Beschäftigung einer Kinderpflegerin sind bei der Ermittlung der Einkünfte nicht abziehbar.

EStG §§ 19, 9, 12.

Vorinstanz: FG Düsseldorf

Sachverhalt

I.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 1975 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden.

1. Sie sind beide berufstätig und haben eine Tochter, die am 3. Mai 1975 geboren wurde.

Die Klägerin war im Streitjahr hauptberuflich als akademische Oberrätin und nebenberuflich als Leiterin eines wissenschaftlichen Forschungsprojektes tätig.

In der Einkommensteuererklärung 1975 machte die Klägerin für die Beschäftigung einer Kinderpflegerin ihrer Tochter bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Werbungskosten in Höhe von 5.610 DM geltend. Die Tätigkeit der Kinderpflegerin war auf die Beaufsichtigung und Versorgung der Tochter während der Arbeitszeit der Klägerin beschränkt. Der Haushalt wurde von einer zusätzlich beschäftigten Haushaltshilfe besorgt. Die Klägerin vertrat die Auffassung, ihre Aufwendungen für die Kinderpflegerin seien berufsbedingt gewesen. Ohne die Betreuung ihrer Tochter durch andere hätte sie nicht ihrer beruflichen Tätigkeit nachgehen können.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erkannte den von der Klägerin geltend gemachten Betrag nicht als Werbungskosten an.

2. Der Kläger schloß am 30. Mai, 12. Juni und 7. Juli 1972 Bausparverträge in Höhe von insgesamt 240.000 DM bei der Bausparkasse X ab, um in M ein Wohnhaus zu erwerben.

Am 5. Januar 1973 erwarben die Kläger je zur Hälfte zum Preise von rd. 243.000 DM eine Eigentumswohnung in R, die sie am 1. März 1973 bezogen.

Zur Finanzierung der Anschaffungskosten, nahmen die Kläger bei einer Bank einen Zwischenfinanzierungskredit in Höhe von 230.000 DM auf. Als Sicherheit diente neben einer Grundschuld (149.500 DM) die Abtretung sämtlicher Rechte und Ansprüche aus den oben genannten Bausparverträgen. Den Bausparverträgen wurden für 1975 Zinsen in Höhe von insgesamt 2.548,42 DM gutgeschrieben. Die Kläger machen geltend, die den Bausparverträgen gutgeschriebenen Zinsen seien nicht als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen. Sie seien vielmehr als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mit den Zwischenfinanzierungszinsen zu verrechnen.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Mit der Revision tragen die Kläger vor:

a) Zu den Aufwendungen für die Beschäftigung einer Kinderpflegerin

aa) § 76 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sei vom Finanzgericht (FG) verletzt worden, weil die Vorinstanz die Beschäftigung der Kinderpflegerin als förderlich angesehen habe, während nach dem unstreitig gebliebenen Sachvortrag die Beschäftigung der Kinderpflegerin unabdingbare Voraussetzung der Tätigkeit der Klägerin und damit der Einkünfteerzielung gewesen sei.

bb) Das FG habe nicht klar entschieden, ob die Aufwendungen für die Kinderpflegerin Werbungskosten seien oder nicht und bejahendenfalls, ob die Abziehbarkeit dieser Aufwendungen nur an § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) scheitere.

cc) Das rechtliche Gehör sei verletzt. Die ausschließlich durch die Berufstätigkeit veranlaßten Aufwendungen für die Beschäftigung der Kinderpflegerin wirkten sich nur nach Art eines Reflexes auf die private Lebensführung aus, ohne daß die privaten Auswirkungen dadurch zur Ursache der Aufwendungen würden. Diesen Sachvortrag habe das FG ganz außer acht gelassen.

b) Zu den Guthabenzinsen-Schuldzinsen

Die Zinsgutschriften seien negative Werbungskosten. Es müßte für ihre Abziehbarkeit von den Schuldzinsen genügen, daß ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der Zinsgutschrift und den Schuldzinsen bestünde. Die Anforderung des FG eines engsten zeitlichen und wirtschaftlichen Zusammenhangs zwischen Guthabenzinsen und Schuldzinsen sei weder sinnvoll noch rechtlich erforderlich. Die Kläger hätten - steuerpraktische Überlegungen vorausgesetzt - ebensogut Eigenmittel und Darlehen der Eltern für die (Teil-)Zwischenfinanzierung verwenden und einen zusätzlichen Bankkredit für die Einzahlung auf den Bausparvertrag aufnehmen können. Die wirtschaftlichen Zusammenhänge müßten Vorrang vor taktischen Vorkehrungen verdienen.

Die Kläger beantragen, von Einkünften der klagenden Ehefrau aus nichtselbständiger Tätigkeit für 1975 auszugehen, bei denen zusätzliche Werbungskosten von 5.610 DM berücksichtigt sind, also von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit von 23.481 DM, und die Einkommensteuer 1975 entsprechend niedriger festzusetzen; die als Kapitaleinkünfte erfaßten Zinsen als negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung anzusetzen.

Das FA beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist teilweise begründet.

Die Aufwendungen für die Beschäftigung einer Kinderpflegerin sind nicht als Werbungskosten abziehbar. Dagegen sind die Zinsen aus Bausparguthaben mit den Zwischenkreditzinsen zu verrechnen.

1. Aufwendungen für die Beschäftigung einer Kinderpflegerin

Einkommensteuerrechtlich wird bei der Beurteilung von Aufwendungen zwischen Aufwendungen der Einkünfteerzielung und solchen der Einkommensverwendung unterschieden. Aufwendungen, die für die Lebensführung gemacht werden, sind weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten; dazu gehören insbesondere die Aufwendungen für den Haushalt des Steuerpflichtigen und seiner Familie (§ 12 Nr. 1 EStG; vgl. dazu auch Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4. August 1967 VI R 208/66, BFHE 89, 527, BStBl III 1967, 726, und vom 8. November 1979 IV R 66/77, BFHE 129, 134, BStBl II 1980, 117). Sie werden bei der Einkommensteuerfestsetzung in dem durch die Vorschriften über Sonderausgaben, über außergewöhnliche Belastung und über den Tarif bestimmten Umfang berücksichtigt.

Die Aufwendungen für die Beschäftigung einer Kinderpflegerin sind kraft der vom Gesetzgeber gewählten Systematik des EStG Kosten der Lebensführung, die ausschließlich im Rahmen der Vorschrift über außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind, und zwar auch dann, wenn die Aufwendungen für die Kinderpflegerin unerläßliche Voraussetzungen für die Ausübung des Berufs eines Elternteils sind.

Das entspricht der übereinstimmenden Rechtsauslegung der Ertragsteuersenate des BFH. Den Klägern kann daher nicht zugestimmt werden, es stehe bei zutreffender Rechtsanwendung außer Zweifel, daß die Aufwendungen für die Kinderpflegerin Werbungskosten seien.

Deshalb greifen auch die Verfahrensrügen der Kläger nicht durch, das FG habe § 76 FGO verletzt, weil die Vorinstanz ausgeführt habe, die Beschäftigung der Kinderpflegerin fördere die Berufsausübung der Klägerin, statt in der Vorentscheidung auszuführen, die Beschäftigung der Kinderpflegerin sei unerläßliche Voraussetzung für die Tätigkeit der Klägerin gewesen.

Es ist auch verfassungsrechtlich nicht geboten, von der Systematik des EStG abzuweichen und die Entscheidung des Gesetzgebers verfassungsrechtlich zu beanstanden, daß die Beschäftigung einer Hausgehilfin - entsprechendes gilt für die Beschäftigung einer Kinderpflegerin - auch dann Kosten der Lebensführung verursacht, wenn die Beschäftigung für die Ausübung eines Berufs dienlich oder erforderlich ist (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 11. Oktober 1977 1 BvR 343/73, 83/74, 183/75, 428/75, BStBl II 1978, 174, BVerfGE 47, 1). Auch die Überlegungen von Simon im abweichenden Votum zu dieser Entscheidung (Deutsche Steuer-Zeitung - DStZ -, Ausgabe B, 1978, 85) zwingen nicht zu der von den Klägern erstrebten Anerkennung der Aufwendungen für die Kinderpflegerin als Werbungskosten; hinsichtlich der Entscheidung dieser Frage will auch Simon dem Gesetzgeber Gestaltungsfreiheit zugestehen.

Jedenfalls ist es aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht geboten, daß Unterhaltsaufwendungen von Eltern zugunsten ihrer Kinder Betriebsausgaben oder Werbungskosten sein müßten. Ist der Gesetzgeber aber zu einer Regelung befugt, die einen Abzug von Aufwendungen als Betriebsausgaben oder Werbungskosten ausschließt, haben die Gerichte diese Entscheidung zu beachten (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes - GG -).

Das Aufteilungsverbot gemäß § 12 EStG verhindert, daß Kosten der Lebensführung Betriebsausgaben oder Werbungskosten werden können, es sei denn, ein ausschließlich beruflich veranlaßter Anteil der Aufwendungen könnte nach objektiven Maßstäben mit Sicherheit, zutreffend und in leicht nachprüfbarer Weise aus den Lebenshaltungskosten ausgeschieden werden. Die Vorentscheidung ist demgemäß insoweit im Ergebnis zutreffend.

Unzufreffend ist auch die Rüge, das rechtliche Gehör sei verletzt, wie sich aus den Ausführungen zu II. 1. ergibt.

2. Zinsen aus Bausparguthaben

Die Zinseinnahmen und die Zahlung der Schuldzinsen gehören im vorliegenden Fall wegen des erkennbaren Zusammenhangs, der zwischen der Schuldaufnahme bei der Bank und der Einzahlung des Geldes bei der Bausparkasse einerseits und dem Erwerb der Eigentumswohnung andererseits besteht, zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (§ 20 Abs. 3 EStG und BFH-Urteil vom 9. November 1982 VIII R 188/79, BFHE 137, 300).

Auch im vorliegenden Fall handelt es sich bei der Aufnahme des Kredits bei der Bank und der Einzahlung von Beträgen auf die Bausparverträge um miteinander verbundene Maßnahmen der Finanzierung. Im Falle des Urteils in BFHE 137, 300 waren zwar Kreditgeber und Darlehensnehmer eine Person (die Bausparkasse). Darauf kommt es indes nicht an, weil die dortigen Überlegungen auch dann gelten, wenn Kreditgeber (im vorliegenden Falle die Bank) und Darlehensnehmer (im vorliegenden Falle die Bausparkasse) verschiedene Personen sind.

Die Zurechnung der Guthabenzinsen, die den Klägern von der Bausparkasse 1975 zuflossen, zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung führt dazu, daß die Kläger die Schuldzinsen insoweit absetzen dürfen, als Guthabenzinsen angefallen sind.

Bei der selbstgenutzten Wohnung im eigenen Einfamilienhaus (§ 21a EStG) stehen Guthabenzinsen und Schuldzinsen außerhalb der Ermittlung des Nutzungswertes. Die Beschränkung des Schuldzinsenabzugs (§ 21a Abs. 3 EStG) gilt insoweit nicht, als neben dem Nutzungswert Einnahmen anfallen, die nicht durch den Nutzungswert erfaßt sind. Auch insoweit wird auf das Urteil in BFHE 137, 300 Bezug genommen.