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BFH-Urteil vom 1.2.1983 (VII R 133/82) BStBl. 1983 II S. 344

1. Mitglieder des Prüfungsausschusses für die Steuerberaterprüfung können vom Bewerber gemäß § 84 AO 1977 wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Dabei sind bei vor dem Prüfungsverfahren bekannten Ablehnungsgründen auch die Sätze 2 und 3 der genannten Vorschrift anzuwenden (Abkehr vom BFH-Urteil vom 2. Mai 1979 VII R 9/79, BFHE 127, 569, BStBl II 1979, 593).

2. Auch nach §§ 26 Abs. 3 Satz 2, 12 DVStB sind, wie nach den §§ 10 Abs. 3 Satz 2, 11 der außer Kraft getretenen DVStBerG, an den Bewerber Fragen aus sämtlichen Prüfungsgebieten zu stellen (Anschluß an BFH-Urteil vom 15. März 1977 VII R 15/76, BFHE 122, 214, BStBl II 1977, 447).

StBerG §§ 35, 158, 164a; AO 1977 § 84; DVStB §§ 12, 26 Abs. 3.

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) nahm an der Steuerberaterprüfung 1981 teil. Zu den Prüfern gehörte der Steuerberater A, bei dem der Kläger in der Zeit vom 1. September 1978 bis 31. August 1980 beschäftigt war. Das Arbeitsverhältnis endete wegen Differenzen über die Qualität der Arbeitsleistungen des Klägers. Die Meinungsverschiedenheiten hierüber setzten sich in einer bis zum Dezember 1980 gehenden Korrespondenz fort, bei der es insbesondere um den Inhalt des dem Kläger zu erstellenden Zeugnisses ging.

In der schriftlichen Prüfung schlug der Prüfer A als Zweitgutachter der Einkommensteuerklausur zunächst die Note 5 vor. Auf den gemeinsamen Vorschlag beider Gutachter erhielt der Kläger die Note 4,5, die der Bewertung des Erstgutachters entsprach. Für die Aufsichtsarbeit Buchführung-Bilanzwesen erhielt der Kläger die Note 3, für die Aufsichtsarbeit Umsatzsteuer die Note 5. In der mündlichen Prüfung erreichte der Kläger beim Vortrag die Note 5 und von den sechs Prüfern je einmal die Noten 4 und 5 sowie viermal, darunter vom Prüfer A, die Note 4,5. Die Durchschnittsnote aus dem Ergebnis der Schriftlichen (4,57) und der mündlichen (4,16) Prüfung ergab die Endnote 4,36. Hierauf wurde dem Kläger eröffnet, daß er die Prüfung nicht bestanden habe, da er die Mindestgesamtnote 4,15 nicht erreicht habe.

Mit seiner hiergegen erhobenen Klage machte der Kläger die Voreingenommenheit des Prüfers A geltend, die schon aus der Bewertung seiner Einkommensteuerklausur offensichtlich werde. Auch in der mündlichen Prüfung sei die Voreingenommenheit des Prüfers A dadurch zu erkennen gewesen, daß er ihn (den Kläger) ständig spöttisch angesehen habe, wenn er die Frage eines anderen Prüfers unzutreffend beantwortet habe. Weiter habe sich der Prüfer A mit dem Prüfer Steuerberater B unterhalten, als er (der Kläger) vom Vorsitzenden des Prüfungsausschusses geprüft worden sei. Diese erheblichen Störungen seiner Konzentration habe er gemäß § 26 Abs. 7 der Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften (DVStB) am Ende der Prüfung durch Erklärung gegenüber dem Ausschußvorsitzenden geltend gemacht, ohne daß dies im Protokoll seinen Niederschlag gefunden habe. Im Protokoll seien auch nur die vom Prüfer A behandelten Prüfungsthemen verzeichnet, dagegen nicht vermerkt worden, daß er das Handelsgesetzbuch nicht geprüft habe. Überhaupt habe sich die mündliche Prüfung nicht auf alle Prüfungsgebiete erstreckt.

Der Kläger beantragte, die Prüfungsentscheidung aufzuheben und den Beklagten und Revisionskläger (Minister der Finanzen des Saarlandes - Finanzminister -) zu verpflichten, das Finanzministerium des Landes Hessen zu ersuchen, die mündliche Prüfung abzunehmen, hilfsweise, den Finanzminister zu verpflichten, die mündliche Prüfung erneut ohne Beteiligung des Prüfers A durchzuführen.

Das Finanzgericht (FG) des Saarlandes hob die Prüfungsentscheidung des Prüfungsausschusses beim Finanzminister auf und verpflichtete diesen, den mündlichen Teil der Steuerberaterprüfung ohne Mitwirkung des Prüfers A erneut durchzuführen. Im übrigen wies es die Klage ab und erlegte die Kosten des Verfahrens dem Finanzminister auf (Urteil vom 11. August 1982 II 60/82, Entscheidungen der Finanzgerichte 1983, 92). Zur Begründung führte es aus, daß der mündliche Teil der Prüfung an einem Verfahrensmangel leide, weil an ihr der Prüfer A teilgenommen habe, obwohl bei diesem die objektive Besorgnis der Befangenheit bestanden habe. Aus dem umfangreichen Schriftwechsel des Klägers mit dem Prüfer A ergebe sich, daß der Prüfer den Kläger wegen mangelnder beruflicher Qualifikation zunächst fristlos und dann auf Kündigung des Klägers hin mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist entlassen habe. Hieran habe sich ein bis Dezember 1980 dauernder Streit über den Inhalt des Zeugnisses des Klägers angeschlossen. Angesichts dieser Streitigkeit liege die Besorgnis der Befangenheit des Prüfers objektiv auf der Hand. Der gegenteiligen Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) in seinem Urteil vom 2. Mai 1979 VII R 9/79 (BFHE 127, 569, BStBl II 1979, 593) könne nicht gefolgt werden. In der Rechtsprechung und in der Literatur werde unter Hinweis auf § 164 a des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) die sinngemäße Anwendung des § 84 der Abgabenordnung (AO 1977) bejaht. Der Grund für die Einführung des § 164 a StBerG habe darin gelegen, die Fortführung der bisherigen Verwaltungspraxis sicherzustellen, nach der in Angelegenheiten des StBerG, für deren Durchführung die Finanzbehörden zuständig seien, das Verfahrensrecht der AO 1977 gelten solle (BFH-Urteil vom 26. August 1980 VII R 42/80, BFHE 131, 187, BStBl II 1980, 699). Die danach gebotene Anwendung des § 84 Satz 1 AO 1977 i. V. m. § 83 Abs. 1 AO 1977 auf die Steuerberaterprüfung führe zu einer im hohen Maße rechtsstaatlichen Ausgestaltung des Prüfungsverfahrens.

Dagegen sei die Anwendung der Sätze 2 und 3 des § 84 AO 1977 im Prüfungsrecht zu verneinen. Der Finanzminister fordere die entsprechende Anwendung dieser Vorschrift, weil der Kläger unstreitig erst nach Bekanntgabe des Prüfungsresultats die Besorgnis der Befangenheit des Prüfers A gerügt habe. Dem könne nicht gefolgt werden. Es sei anerkannt, daß es wegen des Grundsatzes der Chancengleichheit im Prüfungsverfahren für den Prüfling unzumutbar sei, in dem kurzen Zeitraum, der zwischen der mündlichen Prüfung und der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses liege, und noch weniger während des seine ganze Konzentration erfordernden Prüfungsvorgangs, sich darüber schlüssig zu werden, ob, wann und in welcher Weise er sein Rügerecht geltend machen solle (Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 17. Januar 1969 VII C 77.67, BVerwGE 31, 190, und vom 11. November 1975 VII B 72.74, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1976, 905). Gegen § 26 Abs. 7 Satz 1 DVStB bestünden daher starke rechtliche Bedenken. Bei Anwendung des § 84 Satz 3 AO 1977 gerate der Prüfling in eine erhebliche psychische Zwangslage. Er könne etwa als Querulant erscheinen. Da eine negative Entscheidung erst mit einer für ihn ungünstigen Prüfungsentscheidung anfechtbar wäre (§ 84 Satz 5 AO 1977), könnte er sich dem zusätzlichen psychologischen Druck ausgesetzt sehen, den abgelehnten Prüfer und womöglich den ganzen Prüfungsausschuß gegen sich aufgebracht zu haben. Es komme hinzu, daß es unzumutbar erscheine, einem Prüfling in der Zeit zwischen der schriftlichen und mündlichen Prüfung, die regelmäßig zu weiterer intensiver Examensvorbereitung genutzt werde, zwingend die Betreibung eines schriftlichen Ablehnungsverfahrens anzusinnen.

Infolge der Nichtanwendung der Sätze 2 und 3 des § 84 AO 1977 sei auch die nachträgliche Rüge der Besorgnis der Befangenheit eines Prüfers gestattet, so daß eine negative Prüfungsentscheidung auch schon dann aufzuheben sei, ohne daß es darauf ankomme, ob sich der betroffene Prüfer in der mündlichen Prüfung auch tatsächlich voreingenommen verhalten habe. Es komme danach auf die übrigen zwischen den Beteiligten bestehenden Streitpunkte nicht an.

Mit seiner Revision rügt der Finanzminister, daß das FG die durch § 164 a StBerG vorgeschriebene Anwendung des § 84 Sätze 2 und 3 AO 1977 verneint habe. Der BFH habe in seinem Urteil in BFHE 131, 187, BStBl II 1980, 669 im Zusammenhang mit § 164 a StBerG von einer sinngemäßen Anwendung der AO 1977 gesprochen. Die Anwendung der Bestimmungen in der AO 1977 seien nicht etwa weitgehend disponibel. Im vorliegenden Falle gehe es um die Anwendung einer Vorschrift, die generell auf Verwaltungsverfahren vor einem Ausschuß abstelle und einem in allen Verfahrensordnungen geltenden Rechtsgrundsatz entspreche (vgl. z. B. § 43 der Zivilprozeßordnung - ZPO -). Die Verweisung auf die AO 1977 könne nicht mit der Begründung außer Kraft gesetzt werden, daß die Anwendung des § 84 Sätze 2 und 3 AO 1977 nicht der konkreten Prüfungssituation entspreche. Da § 84 Satz 3 AO 1977 anwendbar sei, sei die vom Kläger erst nach Bekanntgabe des Ergebnisses der Steuerberaterprüfung erhobene Rüge der angeblichen Befangenheit des Prüfers A verspätet und damit unzulässig. Der Kläger habe sich in Kenntnis der Tatsache, daß A dem Prüfungsausschuß angehöre, auf die Prüfung eingelassen, obwohl es ihm möglich und zumutbar gewesen sei, bereits vor der mündlichen Prüfung die Besorgnis der Befangenheit geltend zu machen. Der Finanzminister beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats sind Prüfungsentscheidungen höchstpersönliche Werturteile, die sich einer vollen gerichtlichen Nachprüfung entziehen. Nachgeprüft werden kann aber u. a., ob die für die Prüfung maßgebenden Verfahrensbestimmungen eingehalten worden sind (vgl. Urteil vom 24. August 1976 VII R 17/74, BFHE 120, 106, BStBl II 1976, 797, mit weiteren Nachweisen). Der Auffassung des FG, ein Mangel des Prüfungsverfahrens sei darin zu sehen, daß an der mündlichen Prüfung der Prüfer A teilgenommen habe, obwohl bei diesem Prüfer aus den vom FG angenommenen Gründen objektiv die Besorgnis der Befangenheit bestanden habe, kann nicht gefolgt werden.

Das FG ist zwar zutreffend davon ausgegangen, daß nach § 164 a StBerG i. V. m. § 84 AO 1977 jeder Prüfungskandidat bei der Steuerberaterprüfung berechtigt ist, ein Mitglied des Prüfungsausschusses abzulehnen, wenn die Besorgnis einer Befangenheit besteht. Seine Auffassung jedoch, daß im Prüfungsverfahren nur Satz 1 und nicht auch die Sätze 2 und 3 des § 84 AO 1977 anwendbar seien, ist rechtsfehlerhaft. Nach § 164 a StBerG richtet sich die Durchführung des Verwaltungsverfahrens in öffentlich-rechtlichen und berufsrechtlichen Angelegenheiten, die durch den Ersten Teil, den Zweiten und Sechsten Abschnitt des Zweiten Teils und den Ersten Abschnitt des Dritten Teils des StBerG geregelt werden, nach der AO 1977. Im Zweiten Abschnitt des Zweiten Teils des StBerG ist auch die Steuerberaterprüfung geregelt (vgl. § 35, der die Überschrift trägt: Prüfung, Befreiung von der Prüfung, Wiederholung der Prüfung). Sie ist als ein Verwaltungsverfahren in berufsrechtlichen Angelegenheiten i. S. des § 164 a StBerG anzusehen. Die Vorschriften der AO 1977 finden auf dieses Verfahren also sinngemäß Anwendung (vgl. Urteil des erkennenden Senats in BFHE 131, 187, BStBl II 1980, 699). Daran ändert im Gegensatz zur Meinung des Klägers nichts, daß die Bundesregierung in § 158 StBerG u. a. dazu ermächtigt worden ist, durch Rechtsverordnung Bestimmungen über die Durchführung der Prüfung, insbesondere der Prüfungsgebiete, die schriftliche und mündliche Prüfung und die Zusammensetzung des Zulassungs- und des Prüfungsausschusses zu erlassen (Nr. 1 Buchst. b und d). Für das aufgrund der Ermächtigungsnorm in der DVStB im einzelnen näher geregelte Prüfungsverfahren sind dann, was z. B. die Ablehnung eines Mitglieds des Prüfungsausschusses wegen der Besorgnis der Befangenheit betrifft, über § 164 a StBerG die §§ 83 und 84 AO 1977 sinngemäß anzuwenden.

Nach § 84 Satz 1 AO 1977 kann jeder Beteiligte ein Mitglied eines in einem Verwaltungsverfahren tätigen Ausschusses ablehnen, bei dem die Besorgnis der Befangenheit besteht. Gegen die sinngemäße Anwendung dieser Bestimmung auf die Steuerberaterprüfung bestehen nicht etwa deswegen Bedenken, weil es sich um eine Regelung handelt, die auf die spezifischen Gegebenheiten bei der Steuererhebung abstellt. Der Umstand, daß die Vorschrift in die AO 1977 aufgenommen worden ist, obwohl es gegenwärtig keine Steuerausschüsse mehr gibt, ist vielmehr ein Indiz dafür, daß der Gesetzgeber dieser Vorschrift eine allgemeine Bedeutung zugemessen hat. Im übrigen kann, was für die Ablehnung von Ausschußmitgliedern in allgemeinen Verwaltungsverfahren gilt, auch für das Prüfungsverfahren Geltung beanspruchen. Die erhebliche Bedeutung, die Prüfungsentscheidungen für die Betroffenen haben, erfordert in erhöhtem Maße den Schutz der Prüfungskandidaten dagegen, daß dem Prüfungsausschuß Mitglieder angehören, bei denen die Besorgnis der Befangenheit besteht (vgl. auch Tipke/Kruse, Abgabenordnung -Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., Anm. zu § 84 AO 1977). An seiner entgegengesetzten Auffassung im Urteil in BFHE 127, 569, BStBl II 1979, 593 hält der Senat nicht mehr fest. Dies gilt um so mehr, als auch das Urteil des BVerwG vom 26. Januar 1968 VII C 6.66 (BVerwGE 29, 70), auf das sich der Senat in dieser Entscheidung gestützt hat, inzwischen durch die Änderung der Rechtslage (vgl. §§ 21, 71 Abs. 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes - VwVfG -) überholt sein dürfte.

Nach § 84 Satz 3 AO 1977 ist die Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit unzulässig, wenn sich der Beteiligte, ohne den ihm bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine mündliche Verhandlung eingelassen hat. Es besteht kein Grund, diese Bestimmung von ihrer sinngemäßen Anwendung auf die mündliche Prüfung als Teil des Prüfungsverfahrens nach dem Steuerberatungsrecht auszunehmen. Es ist den Prüflingen zuzumuten, ihnen bekannte Ablehnungsgründe vor Beginn der mündlichen Prüfung vorzubringen. Andernfalls gewährte man ihnen die durch nichts gerechtfertigte Chance, gewissermaßen auf Probe sich der Prüfung in der Hoffnung zu unterziehen, daß sie die Prüfung trotz der Besorgnis der Befangenheit eines Ausschußmitglieds bestehen oder daß die Befangenheit zu ihren Gunsten ausschlägt. Ein Risiko für den Prüfling wäre damit, ließe man das zu, nicht verbunden, da er bei Mißlingen die negative Prüfungsentscheidung durch eine Anfechtungsklage beseitigen könnte, mit der er nunmehr nachträglich die Besorgnis der Befangenheit geltend macht.

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß der Kläger die vom FG seiner Entscheidung zugrunde gelegten Gründe für die Besorgnis der Befangenheit des Ausschußmitgliedes A im vorliegenden Verfahren nicht mehr geltend machen kann. Das FG hat die Gründe für die geltend gemachte Besorgnis der Befangenheit darin gesehen, daß der Prüfer A den Kläger nach dem vorgelegten Schriftwechsel wegen mangelnder beruflicher Qualifikation zunächst fristlos und dann auf eine eigene Kündigung des Klägers mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist entlassen habe und daß sich daran ein Streit über den Inhalt des Zeugnisses des Klägers angeschlossen habe, der bis Dezember 1980 gedauert habe (vgl. Bl. 10 des Urteils). Auf die übrigen Streitpunkte, die u. a. mögliche weitere Gründe für die Besorgnis der Befangenheit des Prüfers A während der mündlichen Prüfung betreffen, ist es ausdrücklich nicht eingegangen (vgl. Bl. 20 des Urteils). Nach den Feststellungen des FG ist dem Kläger zwischen der schriftlichen und mündlichen Prüfung bekanntgegeben worden, daß der Prüfer A zu dem für ihn zuständigen Prüfungsausschuß gehöre (vgl. Bl. 16 des Urteils). Für einen solchen Fall schreibe § 84 Sätze 2 und 3 AO 1977 vor, daß eine Ablehnung vor einer mündlichen Verhandlung (der die mündliche Prüfung gleichzusetzen ist) schriftlich oder zur Niederschrift zu erklären ist und daß die Erklärung unzulässig ist, wenn sich der Beteiligte, ohne den ihm bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine mündliche Verhandlung eingelassen hat. Im vorliegenden Fall hat der Kläger unstreitig vor der mündlichen Prüfung keine schriftliche Ablehnungserklärung abgegeben. Ebenso unstreitig ist, daß er den ihm bekannten Ablehnungsgrund erst nach Abschluß der mündlichen Verhandlung und nach Bekanntgabe des negativen Prüfungsergebnisses geltend gemacht hat.

Soweit sich das FG zur Begründung seiner Rechtsauffassung, der Kläger könne die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit entgegen § 84 Sätze 2 und 3 AO 1977 auch erst nach Abschluß der mündlichen Prüfung und nach Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses geltend machen, auf die Entscheidungen des BVerwG in BVerwGE 31, 190 und in NJW 1976, 905 beruft, ist ihm entgegenzuhalten, daß diese anders liegende Sachverhalte betreffen. Im erstgenannten Urteil hat das BVerwG entschieden, daß ein Prüfling die Störung der mündlichen Prüfung durch von der Straße hereindringenden Baulärm als Prüfungsmangel nicht noch während der Prüfung geltend machen müsse. Auch die zweitgenannte Entscheidung betraf einen ähnlichen Fall. Das BVerwG hat entschieden, der Grundsatz der Chancengleichheit schließe es nicht aus, daß ein Prüfling im Falle der Störung einer schriftlichen Prüfung durch Baulärm einen darin liegenden Mangel des Prüfungsverfahrens erst nach der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses geltend macht. Für den vorliegenden Fall, in dem es um die Ablehnung eines Prüfers wegen Besorgnis der Befangenheit aus Gründen geht, die dem Kläger schon etwa einen Monat vor dem Beginn der mündlichen Prüfung bekannt waren, kann aus den vorgenannten Entscheidungen nichts hergeleitet werden.

Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Die Regelung des § 84 Satz 3 AO 1977 trifft nach ihrem Wortlaut nicht zu, wenn sich der Anlaß für die Besorgnis der Befangenheit eines Prüfers oder ein anderer Verfahrensmangel erst im Lauf der mündlichen Prüfung ergibt. Aus der Regelung des § 84 Satz 3 AO 1977 kann auch nicht der Schluß gezogen werden, es komme in ihm der allgemeine Rechtsgedanke zum Ausdruck, Ablehnungsgründe seien auch im Verwaltungsverfahren stets unverzüglich im Anschluß an ihr Bekanntwerden geltend zu machen, andernfalls der Betroffene damit ausgeschlossen wird. Das kann jedenfalls nicht für das Prüfungsverfahren gelten. Insoweit greifen die Gründe durch, die im Urteil des Senats vom 15. März 1977 VII R 15/76 (BFHE 122, 214, BStBl II 1977, 447) und in den darin zitierten Entscheidungen des BVerwG (bei denen es sich um die im vorstehenden Abschnitt behandelten Entscheidungen handelt) für die Frage der Geltendmachung von Fehlern im Prüfungsverfahren bei Störungen angeführt sind. Dem Prüfling ist eine Entscheidung bereits während der Prüfung darüber, ob er einen Prüfer wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnen will, nicht zumutbar. Das FG wird deshalb aufzuklären haben, ob das Prüfungsausschußmitglied A während der Prüfung das vom Kläger behauptete Verhalten an den Tag gelegt hat (spöttisches Ansehen des Klägers bei unzutreffender Beantwortung von Fragen) und ob bejahendenfalls dieses Verhalten ausreicht, um die Besorgnis der Befangenheit oder eine Störung zu begründen. Die Besorgnis der Befangenheit besteht dann, wenn sich aus objektiv feststellbaren Tatsachen die subjektiv vernünftigerweise mögliche Besorgnis ergibt, ein Prüfer werde bei der Prüfung nicht unparteiisch, unvoreingenommen und sachgemäß tätig werden (vgl. § 83 AO 1977; Hübschmann/ Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 83 AO 1977 Anm. 3 und die dort zitierte Rechtsprechung). Dabei können auch die bereits vor dem Beginn der mündlichen Prüfung bestehenden Gründe für die Besorgnis der Befangenheit von Bedeutung sein.

Das FG wird weiter unter Zugrundelegung der Grundsätze der Urteile des Senats in BFHE 122, 214, BStBl II 1977, 447, und vom 21. März 1978 Vll R 7/76 (BFHE 125, 222, BStBl II 1978, 534) zu prüfen haben, ob die vom Kläger geltend gemachte Störung durch die behauptete Unterhaltung des Ausschußmitgliedes A mit dem Ausschußmitglied B so erheblich gewesen ist, daß er sich nicht mehr im erforderlichen Umfang auf die Prüfung konzentrieren konnte.

Schließlich wird das FG ggf. auch aufzuklären haben, ob an den Kläger Fragen aus sämtlichen Prüfungsgebieten gestellt worden sind, was dieser vor dem FG bestritten hat. In diesem Zusammenhang wird auf die zu §§ 10 Abs. 3, 11 der Verordnung zur Durchführung des Steuerberatungsgesetzes (DVStBerG) ergangene Entscheidung in BFHE 122, 214, BStBl II 1977, 447 verwiesen. Der Senat hat zu diesen Vorschriften der nicht mehr geltenden DVStBerG entschieden, daß in der mündlichen Steuerberaterprüfung an den Bewerber Fragen aus sämtlichen Prüfungsgebieten zu stellen sind. An dieser Entscheidung hält er auch zu den entsprechenden Regelungen in § 26 Abs. 3 Satz 2 und § 12 DVStB fest. Beide Vorschriften haben im entscheidenden Punkt denselben Wortlaut (... sind an den Bewerber Fragen aus den Prüfungsgebieten zu richten). Dem Verordnungsgeber war bei dem Erlaß der DVStB vom 12. November 1979 die Entscheidung des Senats in BFHE 122, 214, BStBl II 1977, 447 bekannt. Wenn er gleichwohl den Wortlaut des § 10 Abs. 3 Satz 2 DVStBerG unverändert in § 26 Abs. 3 Satz 2 DVStB übernommen hat, schließt der Senat daraus, daß er keine Änderung des § 10 Abs. 3 Satz 2 DVStBerG in der Auslegung, wie sie der Senat vorgenommen hat, gewollt hat.