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BFH-Urteil vom 16.12.1982 (V R 81/78) BStBl. 1983 II S. 349

1. Die Vorschrift des § 5 der 3. UStDV ist rechtsungültig.

2. Eine Lieferung von Speisen und Getränken zum bestimmungsgemäßen Verzehr an Ort und Stelle I. S. des § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG 1967 Iiegt vor, wenn der Unternehmer den Verzehr von Speisen und Getränken durch ihre Zubereitung und/oder die Art und Weise ihrer Darreichung, mithin durch Dienstleistungen ermöglicht, die über die übliche Verteilerfunktion im Lebensmittelhandel und -handwerk hinausgehen.

UStDV § 5; UStG 1967 § 12 Abs. 2 Nr. 1.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Die Klägerin betreibt auf Jahrmärkten eine Wurstbude. Dort bietet sie auf Serviertellern aus Pappe von ihr eßfertig zubereitete Speisen an (heiße Würstchen, Schaschlik, Pommes frites und dergleichen). Der Verkauf wird über ein Ablagebrett abgewickelt, das auch dem Abstellen der Ware und der Entgegennahme des Geldes dient. Auf dem Ablagebrett stehen Senftöpfe und Aschenbecher zur Benutzung bereit.

Das Finanzamt (Beklagter) hat den Verkauf der Speisen als Lieferungen zum Verzehr an Ort und Stelle beurteilt (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes - UStG 1967 - i. V. m. § 5 der Dritten Verordnung zur Durchführung des Umsatzsteuergesetzes (Mehrwertsteuer) - 3. UStDV -) und diese dem allgemeinen Steuersatz (11 v. H.) unterworfen.

Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage hat die Klägerin für diese Lieferungen die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes (5,5 v. H.) begehrt. Das Finanzgericht hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, die in Form des Ablagebretts vorhandene Verkaufstheke sei keine "besondere Vorrichtung" i. S. des § 5 der 3. UStDV; sie biete über die Benutzung zum Verkauf hinaus keine dem Abnehmer zugute kommende besondere Ablagemöglichkeit zum Verzehr der Speisen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die vom Finanzgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Revision des Finanzamts: Das Ablagebrett sei für den Verzehr an Ort und Stelle geeignet und deshalb als "besondere Vorrichtung" anzusehen. Demgegenüber sei es unerheblich, daß über das Ablagebrett der Zahlungsverkehr abgewickelt werde.

Der Bundesminister der Finanzen ist dem Verfahren beigetreten.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Finanzamts ist begründet.

Das angefochtene Urteil war aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Die Vorschrift des § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG 1967 schließt für die Lieferung von Speisen und Getränken die Gewährung des ermäßigten Steuersatzes für den Fall ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung "zum Verzehr an Ort und Stelle" aus. In Ergänzung der gesetzlichen Vorschrift wird in § 5 der 3. UStDV näher geregelt, unter welchen Voraussetzungen eine solche Lieferung zum Verzehr an Ort und Stelle anzunehmen ist. § 5 der 3. UStDV hat folgenden Wortlaut:

"Speisen und Getränke werden zum Verzehr an Ort und Stelle geliefert, wenn sie nach den Umständen der Lieferung dazu bestimmt sind, an einem Ort verzehrt zu werden, der mit dem Ort der Lieferung in einem räumlichen Zusammenhang steht, und besondere Vorrichtungen für den Verzehr an Ort und Stelle bereitgehalten werden."

2. § 5 der 3. UStDV ist rechtsunwirksam. Denn diese Verordnungsnorm steht in inhaltlichem Widerspruch zum Willen des Gesetzgebers.

a) Die Vorschrift des § 5 der 3. UStDV stützt sich auf die Ermächtigung des § 26 Abs. 1 UStG 1967. § 26 Abs. 1 UStG 1967 hat folgenden Wortlaut:

"Die Bundesregierung kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung zur Wahrung der Gleichmäßigkeit bei der Besteuerung, zur Beseitigung von Unbilligkeiten in Härtefällen oder zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens den Umfang der in diesem Gesetz enthaltenen Steuerbefreiungen, Steuerermäßigungen und des Vorsteuerabzugs näher bestimmen ...".

Der Verordnungsgeber darf keine Differenzierungen vornehmen, die über die gesetzliche Ermächtigung hinaus den sich aus dem Gesetz ergebenden objektivierten Willen des Gesetzgebers inhaltlich verändern (vgl. zu § 18 Abs. 1 Nr. 2 UStG 1951: Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Februar 1958 2 BvL 21/56, BVerfGE 7, 267). Demgemäß war der Verordnungsgeber dem gesetzgeberischen Willen entsprechend lediglich ermächtigt, den in § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1967 enthaltenen Begünstigungstatbestand bezüglich seiner in Satz 2 enthaltenen inhaltlichen Begrenzung (Herausnahme der Lieferungen von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle aus dem Begünstigungstatbestand) näher zu konkretisieren. Der Verordnungsgeber hat sich mit der Regelung des § 5 der 3. UStDV nicht innerhalb der dargelegten Grenzen gehalten.

b) Bei den Beratungen des Regierungsentwurfs eines Umsatzsteuergesetzes (BT-Drucks. IV/1590, bzw. Fraktionsentwurf BT-Drucks. V/48) hatte der Finanzausschuß des Deutschen Bundestages für die Lieferung von Speisen und Getränken einen einheitlichen, nämlich allgemeinen Steuersatz angestrebt und folgende Fassung beschlossen (Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. V/1581):

"Die Steuer ermäßigt sich auf fünf vom Hundert für (1.) die Lieferungen, den Eigenverbrauch und die Einfuhr der in der Anlage 1 bezeichneten Gegenstände. Für die Lieferungen von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle gilt dies nur dann, wenn sie in räumlicher Verbindung mit einem Ladengeschäft des Lebensmitteleinzelhandels oder des Lebensmittelhandwerks ohne Bereitstellung von Sitzgelegenheiten verabreicht werden;".

Diese Formulierung orientierte sich an dem Entwurf eines Gaststättengesetzes, der bei der Abgabe von Speisen und Getränken in räumlicher Verbindung mit einem Ladengeschäft ohne Bereitstellung von Sitzgelegenheiten die Freistellung von der Gaststättenerlaubnis vorsah (vgl. nunmehr § 2 Abs. 3 des Gaststättengesetzes - GastG - vom 5. Mai 1970, BGBl I 1970, 465). Mit der Anlehnung an das Vorbild des Gaststättengesetzes glaubte der Finanzausschuß eine hinreichende Abgrenzung der nichtbegünstigten zu den begünstigten Lieferungen von Speisen und Getränken außerhalb des Hotel- und Gaststättengewerbes gefunden zu haben (Flockermann, Deutsche Steuer-Zeitung Ausgabe A, 1968, S. 84).

c) Der Vorschlag des Finanzausschusses (BT-Drucks. V/1581) fand nicht die Billigung des Plenums des Deutschen Bundestages. Mit Änderungsantrag auf Umdruck 173 wurde zur zweiten Beratung des Gesetzesvorhabens als Fraktionsantrag der CDU/CSU und der SPD folgende Fassung des § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 zur Annahme durch den Deutschen Bundestag vorgeschlagen (Stenographischer Bericht über die 101. Sitzung des Deutschen Bundestages, V. Wahlperiode, S. 4730 Anlage 15):

"Das gilt nicht für die Lieferungen von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle."

Der Abgeordnete Dr. Stecker führte zur Begründung dieses Änderungsantrags aus:

"Auch wir haben diese eben genannte Differenzierung nach Sitzgelegenheiten als etwas schwierig empfunden, obwohl die Verwaltung sie aus dem Entwurf des Gaststättengesetzes entnommen hat. Es ist eine unschöne Differenzierung. Wir haben deshalb in dem Antrag Umdruck 173 eine andere Formulierung gewählt (wird ausgeführt, vgl. obenstehende Formulierung). Wir haben also die Differenzierung so vorgenommen, daß der Verkauf von Lebensmitteln anders besteuert wird als der Verzehr von Lebensmitteln in einer Gaststätte. Ob ohne Stühle oder mit Stühlen, ist gleichgültig. Aller Verzehr an Ort und Stelle, aller Verkauf zum Verzehr an Ort und Stelle von zubereiteten Speisen ist demnach also mit einem Regelsteuersatz von 10 Prozent belegt ... Wir sind der Meinung, daß die Kombination von Speisenverkauf und Service, d. h. der Verkauf zum Verzehr an Ort und Stelle, ein Aliud gegenüber dem reinen Verkauf von Lebensmitteln ist."

Diesen Ausführungen traten in der anschließenden Diskussion andere Abgeordnete der damaligen Regierungsfraktionen bei. Der Deutsche Bundestag hat diesem Änderungsantrag (Umdruck 173) mit Mehrheit zugestimmt. Nachfolgend wurde seine Fassung Gesetz (vgl. Stenographischer Bericht, a. a. O., S. 4703 ff., 4711; Eckhardt/Weiß, Umsatzsteuergesetz/Mehrwertsteuer, Kommentar, § 12 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 Anm. 11, 14 und 19).

d) Nach Verabschiedung des Umsatzsteuergesetzes 1967 hat der Verordnungsgeber durch § 5 der 3. UStDV näher regeln wollen, unter welchen Voraussetzungen Speisen und Getränke zum Verzehr an Ort und Stelle geliefert werden. Die Bundesregierung als Verordnungsgeber war sich nach der amtlichen Begründung zum Verordnungsentwurf (vgl. Eckhardt/Weiß, a. a. O., Abschnitt Texte) bewußt, daß nach dem Willen des Gesetzgebers diejenige Lieferung von Speisen und Getränken von der Begünstigung des ermäßigten Steuersatzes ausgenommen werden sollte, die "über die reine Warenlieferung hinausgeht und mit einem besonderen Dienstleistungsanteil verbunden ist." Dieser Dienstleistungsanteil hat in der Verordnungsfassung seinen Niederschlag in dem Erfordernis der Bereithaltung von "besonderen Vorrichtungen für den Verzehr an Ort und Stelle" gefunden. Zu dieser Ausgestaltung hat der Verordnungsgeber in der Begründung ausgeführt, daß "als äußeres Beweisanzeichen" für den Dienstleistungsanteil "das Vorhandensein besonderer Vorrichtungen für den Verzehr an Ort und Stelle vorausgesetzt" werde.

Mit der gewählten Verordnungsfassung hat der Verordnungsgeber trotz vorhandenen Willens die Absichten und Vorstellungen des Gesetzgebers nicht zutreffend verwirklicht und das Ziel der "Gleichmäßigkeit der Besteuerung" nicht erreicht. Die "besonderen Vorrichtungen" gehen in Anwendung des § 5 der 3. UStDV über eine Funktion als bloßes äußeres Beweisanzeichen hinaus, weil sie nach der Verordnungsfassung maßgeblich und entscheidend darüber befinden, ob ein Verzehr an Ort und Stelle vorliegt oder nicht. Auf etwas anderes kommt es nach der Regelung der Verordnung - unter dem maßgeblichen Gesichtspunkt des Dienstleistungsanteils - nicht an.

Zwar wird sich häufig das vom Gesetz geforderte Dienstleistungsmoment in dem Bereithalten von besonderen Vorrichtungen manifestieren, weil in Restaurationsbetrieben bestimmter Art und bestimmten Niveaus Serviceleistungen und "besondere Vorrichtungen" untrennbar einherzugehen pflegen. Es kann aber bei der Lieferung von eßfertigen Speisen und Getränken der vom Gesetzgeber für maßgeblich erachtete Dienstleistungsanteil auch beim Fehlen besonderer (vom leistenden Unternehmer bereitgehaltener) Vorrichtungen vorliegen (z. B. sog. Partyservice mit Bedienungspersonal zur Essenszubereitung oder zum Servieren im Hause des Auftraggebers). Hieraus ergibt sich, daß das alleinige Abstellen des Verordnungsgebers auf das Bereithalten von besonderen Vorrichtungen das vom Gesetzgeber für maßgeblich erachtete Dienstleistungsmoment nur teilweise trifft, teilweise aber negiert.

Bei dieser Sachlage hat der Verordnungsgeber das Programm des Gesetzgebers nicht lediglich verdeutlicht. Das ist ihm nur für einen Teil der Fallgestaltungen gelungen. Im übrigen hat er durch das nicht sachgerechte Abstellen auf die "besonderen Vorrichtungen" das Programm entweder nicht verwirklicht oder sogar in das Gegenteil verkehrt (vgl. dazu Abschn. 3 der Entscheidungsgründe), und damit der Verordnungsregelung insgesamt die innere Sachgesetzlichkeit genommen, deren maßgebendes Orientierungs- und Abgrenzungsmerkmal nur das Dienstleistungsmoment hätte sein dürfen. Die von § 26 Abs. 1 UStG 1967 gesetzten Ziele sind damit nicht erreicht, sondern verfehlt worden. Die in § 5 der 3. UStDV enthaltene Regelung läuft dem erklärten gesetzgeberischen Willen jedenfalls teilweise zuwider und kann zur Gänze keinen Bestand haben.

Soweit das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 13. Mai 1971 V R 138/70 (BFHE 102, 436, BStBl II 1971, 647) von der Rechtsgültigkeit dieser Vorschrift ausgegangen war, wird daran nicht festgehalten.

3. Wegen Rechtsungültigkeit des § 5 der 3. UStDV ist der von § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1967 gesetzte Begünstigungsrahmen allein durch Auslegung des Gesetzes zu ermitteln, die hier in besonderem Maße zur Berücksichtigung der finanzpolitischen Zielsetzung und der Entstehungsgeschichte nötigt. Auszugehen ist demgemäß vom Regierungsentwurf eines Umsatzsteuergesetzes (BT-Drucks. IV/1590), der in seinem § 11 Abs. 2 Nr. 1 (nunmehr § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG 1967) folgende Regelung vorsah:

"Die Steuer ermäßigt sich auf fünf vom Hundert für 1. die Lieferungen, den Selbstverbrauch und den Eigenverbrauch der in der Anlage bezeichneten Gegenstände;".

a) Die Bundesregierung hatte sich grundsätzlich dafür entschieden, im Rahmen der Besteuerung nach den allgemeinen Vorschriften des Gesetzes neben dem allgemeinen Steuersatz einen ermäßigten Steuersatz einzuführen. Dies beruhte auf der Überlegung, daß die Umsatzsteuer zu den Steuern auf die Einkommensverwendung gehört, mit deren Erhebung Regressionswirkungen verbunden sein können. Die Bundesregierung glaubte, daß es aus sozialpolitischen Gründen erforderlich sei, zur Milderung der Regressionswirkung u. a. bestimmte Güter des lebensnotwendigen Bedarfs mit einem ermäßigten Steuersatz zu belegen, so insbesondere die Lieferung von Lebensmitteln und landwirtschaftlichen Erzeugnissen (vgl. BT-Drucks. IV/1590, A. Allgemeine Begründung Abschn. II. Nr. 1. und Nr. 4; Abschn. VI. Nr. 7.). Die Bundestagsfraktionen der CDU/CSU und der SPD haben zur Begründung ihres Fraktionsentwurfs (BT-Drucks. V/48) auch insoweit auf den Regierungsentwurf und dessen Erwägungen Bezug genommen. Sinn und Zweck dieser zum Gesetz gewordenen Regelung war es, die Grundnahrungsmittel des lebensnotwendigen Bedarfs durch einen ermäßigten Steuersatz zu verbilligen. Der Katalog der zu begünstigenden Lebensmittel wurde in die Anlage 1 des Gesetzes aufgenommen. Diese Begünstigungsregelung betrifft, wie die enumerative Aufzählung und zolltarifliche Abgrenzung begünstigter Lebensmittel zeigt, Lieferungen durch Erzeuger und Handel, wobei sich der Effekt einer Preisverbilligung für den Verbraucher erst auf der letzten Umsatzstufe, also üblicherweise der Handelsstufe, einstellt. Aus dieser, durch die Systematik des Gesetzes bedingten Wirkungsweise ergibt sich eine gezielte Begünstigung derjenigen Unternehmer, die mit den in der Anlage 1 des Gesetzes aufgeführten Lebensmitteln (insbesondere auf der Endstufe) handeln.

b) Durch den im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens eingefügten Satz 2 (des nunmehrigen § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1967) ist der Begünstigungsrahmen eingeengt worden, da für die Lieferungen von "Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle" der allgemeine Steuersatz vorgesehen ist. Für die von Satz 2 erfaßten Sachverhalte verneinte der Gesetzgeber die finanzpolitische Notwendigkeit einer Regelung im Sinne des Satzes 1. Wortfassung und Gesetzesmaterialien lassen nicht die Annahme zu, daß "Speisen und Getränke", die unter den näher bezeichneten Umständen geliefert werden, zu den begünstigten "Lebensmitteln des lebensnotwendigen Bedarfs" gehören, für die das Gesetz eine exakte zolltarifliche Abgrenzung vorgesehen hat.

Die Tätigkeit des Lebensmittelhandels beim Verkauf von Lebensmitteln des lebensnotwendigen Bedarfs ist üblicherweise dadurch gekennzeichnet, daß handelsfertig hergerichtete Lebensmittel zur Mitnahme durch den Kunden abgegeben werden. Dagegen ist die Abgabe von "Speisen und Getränken" zum sofortigen "Verzehr an Ort und Stelle" typisch für Gaststätten und ähnliche Restaurationsbetriebe. Zwar werden auch im Lebensmittelhandel und im Lebensmittelhandwerk in räumlich abgetrennten Bereichen des Geschäftslokals neben dem eigentlichen Verkauf von handelsfertigen Lebensmitteln eßfertig zubereitete Lebensmittel (zubereitete Speisen) an die Kunden abgegeben. Dies ist jedoch für den Lebensmittelhandel nicht allgemein üblich und nicht typisch. Der Lebensmittelhandel und das Lebensmittelhandwerk greifen mit dieser von ihnen gelegentlich ausgeübten Nebentätigkeit auf Tätigkeiten über, die außerhalb des Lebensmittelhandels und -handwerks seit jeher im Gaststättengewerbe ausgeübt werden (vgl. Mörtel, Gaststättengesetz, Kommentar, 3. Aufl., § 1 Tz. 60, § 2 Tz. 21).

c) Die maßgeblichen Unterschiede zwischen den von Satz 1 (des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1967) erfaßten Unternehmergruppen und deren Lieferungen und denjenigen des Satzes 2 zeigen sich auch in einem weiteren Punkte. In Satz 1 werden die Begünstigungen des alten Umsatzsteuerrechts für Lebensmittel des notwendigen Bedarfs (§ 4 Nrn. 4 und 25, § 7 Abs. 2 und 3 UStG 1951) fortgeführt. Für sie war die Verteilerfunktion des Händlers kennzeichnend; die Be- und Verarbeitungen von Lebensmitteln auf der Handelsstufe waren durchweg steuerschädlich und nur bei sehr wenigen Produkten und noch dazu in beschränktem Umfang erlaubt. Demgegenüber beschränkt sich der Unternehmer bei der Lieferung von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle regelmäßig nicht auf eine Verteilerfunktion. Vielmehr ist für diesen Bereich wesensbestimmend, daß der Unternehmer Dienstleistungen erbringt, die einen sofortigen Verzehr der Speisen und Getränke durch Zubereitung (Eßfertigmachen) und/oder die Art und Weise der Darreichung (Anbieten bzw. Erleichterung des Verzehrs an Ort und Stelle) ermöglichen. Diese Dienstleistungen können sich darauf beziehen, den Liefergegenstand (Gegenstand des späteren Verzehrs) durch Zubereitung aus handelsfähigen Lebensmitteln verschiedener Art herzustellen (zuzubereiten), also eine verzehrfertige Speise anzurichten; ferner können sie sich auf die Darreichung von anderwärts eßfertig gemachten Speisen und Lebensmitteln zum bestimmungsgemäßen Verzehr an Ort und Stelle beziehen. Jede dieser Dienstleistungsarten kennzeichnet die Überschreitung der begünstigten Handels- und Verteilerfunktion des Lebensmittelhandels und -handwerks und verweist die dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen in den Bereich der gaststättenmäßigen oder gaststättenähnlichen Betätigung.

4. Legt man diese Auslegungsgrundsätze zugrunde, ergibt sich für die häufigsten und wichtigsten Fallgestaltungen folgendes:

a) Von § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG 1967 werden in erster Linie die Fälle des Verzehrs von eßfertig zubereiteten Speisen sowie von Getränken in Gaststätten mit der dort üblichen Bedienung erfaßt. Dasselbe gilt für die Abgabe von eßfertig zubereiteten Speisen und von Getränken in Selbstbedienungsgaststätten, Geschäftslokalen des Lebensmittelhandels und -handwerks sowie an Würstchenbuden und dergleichen zum Verzehr an Ort und Stelle ohne die in Gaststätten übliche Bedienung.

Werden zusammen mit eßfertig zubereiteten und zum Verzehr an Ort und Stelle bestimmten Speisen sowie von Getränken auch nichtzubereitete Speisen und Getränke abgegeben, so teilen diese wegen ihrer gemeinsamen Abgabe mit den zubereiteten Speisen und Getränken deren rechtliches Schicksal (z. B. Brot zur Hauptspeise, frisches Obst als Nachspeise, Gebäck zum Kaffee).

Bei ausschließlicher Lieferung nichtzubereiteter Speisen und Getränke (z. B. frisches Obst, Dauerbackwaren, Milch) wird bei einer Darreichung zum bestimmungsgemäßen Verzehr an Ort und Stelle die Handels- und Verteilerfunktion des Unternehmers ebenfalls überschritten.

b) Trotz der an sich steuerschädlichen Zubereitung von Lebensmitteln zu eßfertigen Speisen ist nach dem (insoweit einschränkenden) Gesetzeswortlaut der ermäßigte Steuersatz zu gewähren, wenn der Unternehmer die eßfertig zubereiteten (und in der Anlage 1 des Gesetzes aufgeführten) Speisen nach den objektiven Umständen der Warenabgabe zum Verzehr an einem anderen Ort (als dem der Zubereitung bzw. des gewöhnlichen. Verzehrs) liefert (z. B. zur Mitnahme durch den Kunden). In der Regel ergeben sich die Umstände einer derartigen "Lieferung über die Straße" aus einer entsprechenden Darreichungsform, die den sofortigen Verzehr an Ort und Stelle ausschließen soll (z. B. in Warmhaltetüten verpackte gegrillte Hähnchen). In Fällen dieser Art hat der Unternehmer darzulegen, daß die eßfertig zubereiteten Speisen und Getränke - entgegen der im Unternehmen üblichen Warenabgabe - nicht zum Verzehr an Ort und Stelle bestimmt sind.

Eine "Lieferung über die Straße" vorbezeichneter Art unterliegt jedoch dann dem allgemeinen Steuersatz, wenn der Unternehmer sich nicht auf eine bloße Warenabgabe zum Verzehr an einem anderen Ort beschränkt, sondern den gaststättenmäßigen Service in irgendeiner Form "mitliefert" (z. B. Partyservice mit Abgabe von Geschirr, Bestecken, Bestuhlung usw. sowie Gestellung von Zubereitungs- und/oder Bedienungspersonal).

5. Da das Finanzgericht von anderen rechtlichen Überlegungen ausgegangen ist und maßgeblich auf das Vorhandensein von Vorrichtungen i. S. des § 5 der 3. UStDV abgestellt hat, ist sein Urteil aufzuheben.

Die Sache ist entscheidungsreif. Sie führt zur Abweisung der Klage.

Die Klägerin liefert Speisen (nämlich heiße Würstchen, Schaschlik, Pommes frites und dergleichen) zum bestimmungsgemäßen Verzehr an Ort und Stelle i. S. des § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG 1967. Die Klägerin ermöglicht den sofortigen Verzehr der Speisen sowohl durch (eßfertige) Zubereitung als auch durch Darreichung der Speisen auf Serviertellern sowie durch das Angebot von Senf. Diese Dienstleistungen überschreiten die übliche Handels- und Verteilerfunktion des Lebensmittelhandels und -handwerks.