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BFH-Urteil vom 11.2.1983 (III R 141/80) BStBl. 1983 II S. 442

Überläßt eine Kapitalgesellschaft in ihrem Betrieb gemachte Diensterfindungen einer OHG gegen Gewährung von Gesellschaftsanteilen, so sind die Erfindungen im Betriebsvermögen der OHG zu erfassen. Die Vergünstigung des § 101 Nr. 2 Satz 2 BewG greift bei der Ermittlung des Einheitswerts des Betriebsvermögens für die OHG nicht ein. Auch bei der Aufteilung des für das Betriebsvermögen der OHG festgestellten Einheitswerts auf die Mitunternehmer darf ein dem Wert der Erfindungen entsprechender Anteil des Einheitswerts nicht außer Ansatz bleiben.

BewG 1965 §§ 95, 97 Abs. 1 Nr. 5, § 101 Nr. 2; ArbnErfG §§ 6 ff.

Vorinstanz: Hessisches FG

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine OHG. Ihre Gesellschafter sind die A-AG, die B-GmbH und die C-GmbH. Diese Gesellschaften betrieben - zunächst in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) - die Entwicklung eines ... systems. Auf diesem Gebiet hatten Arbeitnehmer der A-AG und der B-GmbH Erfindungen gemacht, welche die A-AG und die B-GmbH als Arbeitgeber in Anspruch genommen hatten. Nachdem das ... system einen technischen Stand erreicht hatte, der eine kommerzielle Verwertung aussichtsreich erscheinen ließ, entschlossen sich die drei Gesellschafter, die Erfindungen und Schutzrechte unter gemeinsamer Firma auszuwerten. Zu diesem Zweck wandelten sie durch Vertrag vom 22. Dezember 1970 die bisherige GbR mit Wirkung vom 1. Januar 1971 in eine OHG - die Klägerin - um. Nach § 4 des Gesellschaftsvertrages besteht das Vermögen der Klägerin aus den zuvor der A-AG und der B-GmbH zustehenden Erfindungen und Schutzrechtsanmeldungen. Nach den Angaben in der Vermögensaufstellung auf den 1. Januar 1972 - dem hier streitigen Stichtag - wurden die Erfindungen in das Gesellschaftsvermögen der Klägerin zum Teilwert von 1,2 Mio. DM eingelegt. Die Konten der Gesellschafter in der Handelsbilanz weisen einen entsprechenden Kapitalanteil aus. In der Vermögensaufstellung auf den 1. Januar 1972 setzte die Klägerin für "Schutzrechte" einen Besitzposten von 1,2 Mio. DM an. Den Wert der Schutzrechte teilte die Klägerin je zur Hälfte der A-AG und der B-GmbH zu und begehrte, den auf diese Gesellschafter entfallenden Anteil am Einheitswert des Betriebsvermögens gemäß § 101 Nr. 2 Satz 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) um je 600.000 DM zu mindern.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lehnte dies - auch im Einspruchsverfahren - ab.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es ließ offen, ob die Erfindungen überhaupt im Einheitswert des Betriebsvermögens der Klägerin zu erfassen seien. Einer Zurechnung der Erfindungen an die Gesellschafter stehe § 101 Nr. 2 Satz 2 BewG entgegen. Die A-AG und die B-GmbH hätten der Klägerin die Erfindungen nicht gegen Entgelt zur Ausnutzung überlassen. Der Gesellschaftsvertrag verpflichte die Klägerin nicht zur Zahlung eines Nutzungsentgelts, sondern berücksichtige die besonderen Beiträge, die die A-AG und die B-GmbH durch die Einbringung der Schutzrechte für die Erreichung des Gesellschaftszwecks erbrachten, im Rahmen der Gewinnverteilungsabrede. Gewinnanteile könnten jedoch nicht als Gegenleistung der Klägerin für die Einbringung der Erfindungen angesehen werden, sondern seien die Anteile der einzelnen Gesellschafter am Erfolg der gemeinsamen gesellschaftlichen Betätigung.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Klagabweisung. Die Erfindungen sind im Betriebsvermögen der Klägerin zu erfassen. Bei der Aufteilung des für das Betriebsvermögen der Klägerin festgestellten Einheitswerts auf die Mitunternehmer darf auch kein dem Wert der Diensterfindungen entsprechender Anteil des Einheitswerts außer Ansatz bleiben.

1. a) Zum Betriebsvermögen einer OHG gehören alle Wirtschaftsgüter, die dieser nach steuerrechtlichen Vorschriften zuzurechnen sind (§§ 95, 97 Abs. 1 Nr. 5 BewG). Hierzu zählen auch Erfindungen. Sie sind, wie sich aus § 101 Nr. 2 BewG ergibt, als immaterielle Wirtschaftsgüter bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens zu erfassen, soweit nicht eine Befreiung gemäß § 101 Nr. 2 BewG eingreift.

b) Das FG hat nicht abschließend entschieden, ob die Klägerin Inhaberin der Rechte aus den Erfindungen geworden ist und die Erfindungen zum Betriebsvermögen der Klägerin gehören. Diese Frage ist entscheidungserheblich. Sind die Erfindungen dem Betriebsvermögen der Klägerin nicht zuzurechnen, dürfen sie bereits bei der Ermittlung des Einheitswerts nicht erfaßt werden. Die Frage, ob die Anteile der Gesellschafter A-AG und B-GmbH am Einheitswert der Klägerin um einen dem Wert der Erfindungen entsprechenden Betrag zu ermäßigen sind, würde sich dann nicht stellen.

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, daß die A-AG und die B-GmbH als Arbeitgeber die Diensterfindungen gemäß § 6 des Gesetzes über Arbeitnehmererfindungen vom 25. Juli 1957 - ArbnErfG - (BGBl I 1957, 756) in Anspruch genommen haben. Damit waren alle Rechte an den Diensterfindungen unbeschadet des Umstandes, daß die Diensterfindungen im Zusammenwirken von Arbeitnehmern der A-AG und der B-GmbH in Form einer GbR gemacht wurden, auf diese Gesellschaften übergegangen (§ 7 ArbnErfG). Die Erfinderrechte wurden, wie die Klägerin selbst in den Erläuterungen zur Vermögensteuererklärung und in der Einspruchsentscheidung vorgetragen hat, bei ihrer Errichtung von den Gesellschaftern A-AG und B-GmbH auf die Klägerin als Inhaberin übertragen. Dies entsprach der Regelung von § 4 des Gesellschaftsvertrages, wonach das Vermögen der Klägerin u. a. aus den Erfindungen und Schutzrechtsanmeldungen besteht. Danach muß davon ausgegangen werden, daß die Erfindungen Gesamthandsvermögen der Klägerin geworden und damit dieser steuerrechtlich zuzurechnen sind. In Übereinstimmung hiermit hat die Klägerin die Erfindungen in ihrer Handels- und Steuerbilanz sowie in ihrer Vermögensaufstellung mit dem Teilwert angesetzt und den Gegenwert für die Erfindungen in den Kapitalkonten der einbringenden Gesellschafter als Eigenkapital ausgewiesen. Insbesondere auch diese buchmäßige Behandlung der Erfindungen läßt erkennen, daß die Erfinderrechte gegen Überlassung von Gesellschaftsanteilen auf die Klägerin übertragen worden sind und zu deren Betriebsvermögen gehören. Entgegen der Einlassung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem FG und im Gegensatz zur Auffassung der Vorinstanz kann nicht angenommen werden, daß die Gesellschafter der Klägerin - die A-AG und B-GmbH - zivilrechtlich Inhaber der Erfindungen geblieben seien.

c) Bei dieser Sach- und Rechtslage ist davon auszugehen, daß das FA die Diensterfindungen zu Recht im Betriebsvermögen der Klägerin erfaßt hat. Denn die Vergünstigungsvorschriften des § 101 Nr. 2 BewG greifen nicht ein.

aa) § 101 Nr. 2 Satz 1 BewG - Befreiung eigener Erfindungen unbeschränkt Steuerpflichtiger - kommt bei dem vorliegenden Sachverhalt offensichtlich nicht zum Zuge. Hier geht es nicht um die Erfassung von Diensterfindungen beim Erfinder selbst, sondern um die Frage, unter welchen Voraussetzungen Diensterfindungen beim Arbeitgeber außer Ansatz bleiben dürfen.

bb) Auch der Befreiungstatbestand des § 101 Nr. 2 Satz 2 BewG kommt im Streitfall nicht zur Anwendung. Nach dieser Vorschrift gehören Diensterfindungen - über die Befreiung in der Person des Erfinders hinaus - nur in dem Umfang zum Betriebsvermögen des Arbeitgebers, in dem sie von diesem in Lizenz vergeben oder in sonstiger Weise einem Dritten gegen Entgelt zur Ausnutzung überlassen werden. Nach dem Gesetzeswortlaut kommt die Vergünstigung des § 101 Nr. 2 Satz 2 BewG nur in Betracht, soweit die Diensterfindungen zum Betriebsvermögen des Arbeitgebers gehören. Sind die Erfindungen Bestandteil des Betriebsvermögens eines Dritten, d. h. einer vom Arbeitgeber verschiedenen Person oder Personengemeinschaft, kommt § 101 Nr. 2 Satz 2 BewG nicht zur Anwendung. Dies folgt außer aus dem Wortlaut auch aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Indem der Gesetzgeber die bewertungsrechtliche Vergünstigung von Arbeitnehmererfindungen in der Person des Arbeitgebers auf die Verwertung im Betrieb des Arbeitgebers begrenzte, wollte er berücksichtigen, daß der Arbeitgeber am Zustandekommen der Diensterfindungen - im Gegensatz zu einer von Dritten erworbenen Erfindung - stets in gewissem Umfang beteiligt ist (Gürsching/ Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 7. Aufl., § 101 BewG Anm. 25). Da es sich bei den Erfindern um Arbeitnehmer der A-AG und der B-GmbH und nicht um Arbeitnehmer der Klägerin handelte, sind die Voraussetzungen des § 101 Nr. 2 Satz 2 BewG bei der Klägerin nicht erfüllt.

2. Der - unter Einbeziehung der Diensterfindungen für das Betriebsvermögen der Klägerin ermittelte - Einheitswert ist auf die Gesellschafter nach dem Verhältnis ihrer Unternehmenswertanteile aufzuteilen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24. Juni 1981 III R 49/78, BFHE 134, 157, BStBl II 1982, 2). Die Anteile am Einheitswert der Klägerin, die auf die A-AG und die B-GmbH als Gesellschafter entfallen, dürfen nicht um den Betrag gemindert werden, mit dem die Erfindungen in dem Einheitswert enthalten sind. Wie der Senat oben dargelegt hat, gehören die Erfindungen zum Betriebsvermögen der Klägerin, weil die A-AG und die B-GmbH die Rechte aus den Diensterfindungen auf die Klägerin gegen Gewährung von Anteilen an deren Betriebsvermögen übertragen haben. In der Person der Klägerin ist der Tatbestand des § 101 Nr. 2 Satz 2 BewG nicht erfüllt, weil sie nicht Arbeitgeber der Arbeitnehmererfinder war. In der Hand der Klägerin besitzen die auf sie übertragenen Erfindungen nicht den Charakter von "Dienst"erfindungen. In der Person der Gesellschafter der Klägerin liegen die Voraussetzungen für die Gewährung der Vergünstigung des § 101 Nr. 2 Satz 2 BewG nicht vor, weil der A-AG und der B-GmbH anstelle der Diensterfindungen die Anteile an dem Betriebsvermögen der Klägerin zuzurechnen sind. Der Senat folgt nicht der Auffassung der Vorinstanz, wonach die Vergünstigung des § 101 Nr. 2 Satz 2 BewG auch für die an die Stelle der Diensterfindungen getretenen Anteile der A-AG und der B-GmbH an dem Betriebsvermögen der Klägerin zu gewähren sein soll. Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist für die Befreiung von Diensterfindungen in der Person des Arbeitgebers grundsätzlich deren Verwertung im Betrieb des Arbeitgebers Voraussetzung. Danach besteht kein Anlaß, die Vergünstigung des § 101 Nr. 2 Satz 2 BewG dem Arbeitgeber auch für das anstelle der Diensterfindungen getretene Surrogat zu gewähren. Im übrigen darf bei der Auslegung des § 101 Nr. 2 Satz 2 BewG der enge Zusammenhang dieser Regelung mit den Vorschriften des ArbnErfG (a. a. O.) nicht außer acht bleiben. Danach ist entscheidend, daß Arbeitgeber der Arbeitnehmererfinder die Gesellschafter der Klägerin, die A-AG und die B-GmbH, waren und die Erfindungen nicht im Betrieb des Arbeitgebers der Arbeitnehmererfinder, sondern in dem der Klägerin verwertet wurden. Schon deshalb ist auch der Einwand der Klägerin, sie sei vermögensteuerrechtlich als OHG kein eigenes Rechtssubjekt, im Rahmen des § 101 Nr. 2 Satz 2 BewG unbeachtlich.

3. Die Vorentscheidung war aufzuheben, da sie auf einer anderen Rechtsauffassung beruht. Die Streitsache ist spruchreif. Der Senat kann deshalb in der Sache selbst entscheiden (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Klage ist abzuweisen. Die Diensterfindungen gehören zum Betriebsvermögen der Klägerin. Die Anteile der A-AG und der B-GmbH am Einheitswert der Klägerin dürfen nicht um den Wert der Erfindungen gekürzt werden.