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BFH-Urteil vom 17.2.1983 (V R 76/77) BStBl. 1983 II S. 528

Die Zustellung nach § 3 VwZG i. V. m. § 182 ZPO ist nicht wirksam erfolgt, wenn die Mitteilung über die Niederlegung des zu übergebenden Schriftstücks lediglich in das Postfach des Empfängers eingelegt wird.

VwZG § 3; ZPO § 182.

Vorinstanz: FG Düsseldorf

Sachverhalt

Die Entscheidung über den Einspruch des Klägers gegen einen Umsatzsteuerhaftungsbescheid ist nach der Postzustellungsurkunde vom 13. Juli 1976 an dessen Prozeßbevollmächtigten durch Niederlegung bei der Postanstalt K zugestellt worden. In der Postzustellungsurkunde ist weiter beurkundet: "Eine schriftliche Mitteilung über die Niederlegung unter der Anschrift des Empfängers ist in der bei gewöhnlichen Briefen üblichen Weise abgegeben worden."

Die Klage ist am 8. September 1976 beim Finanzgericht eingegangen. Im Laufe des Klageverfahrens wurde vorgetragen, der Prozeßbevollmächtigte habe sich in der Zeit vom 12. Juli bis 10. August 1976 in Urlaub befunden. Da er erst am 11. August 1976 von der Einspruchsentscheidung Kenntnis genommen habe, habe die Klagefrist erst an diesem Tag zu laufen begonnen. Außerdem sei keine Zustellung durch Niederlegung erfolgt, denn "die Nachricht, daß für ... ein eingeschriebener Brief des Finanzamtes eingegangen sei, wurde in sein Postfach K, Nr.... gelegt." Diese Zustellung sei unwirksam. Vorsorglich wurde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

Das Finanzgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Die Mitteilung über die Niederlegung durch Einlegung in das Postfach sei in Übereinstimmung mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 4. Juni 1954 V ZR 67/53 (BB 1954, 577) und der des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Februar 1971 VI C 29/69 (NJW 1971, 1284) im Sinne des § 182 ZPO als ordnungsgemäß "unter der Anschrift des Empfängers in der bei gewöhnlichen Briefen üblichen Weise abgegeben" anzusehen. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Klagefrist könne nicht gewährt werden.

Mit der Revision beantragt der Kläger, das angefochtene Urteil aufzuheben und der Klage stattzugeben.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet. Das angefochtene Urteil war aufzuheben; die Sache war an das Finanzgericht zu anderweitiger Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

Die Klage ist zulässig. Im Zeitpunkt des Eingangs der Klage beim Finanzgericht war die Klagefrist wegen Unwirksamkeit der Zustellung noch nicht abgelaufen.

Nach § 3 VwZG sind bei der zulässigen Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkunde für das Zustellen durch den Postbediensteten die Vorschriften der §§ 180 bis 186 und § 195 Abs. 2 ZPO anzuwenden.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Zustellung durch Niederlegung schon deshalb unwirksam war, weil die Zustelladresse etwa nur die Kanzleianschrift des Prozeßbevollmächtigten betraf und die Ersatzzustellung durch Niederlegung bei der Postanstalt gemäß § 182 ZPO nach einem Zustellungsversuch lediglich im Geschäftslokal des Empfängers (§ 183 Abs. 2 ZPO) nicht zulässig ist (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 5. November 1975 VIII ZR 73/75, NJW 1976, 149 mit weiteren Nachweisen). Denn zur Wirksamkeit einer Ersatzzustellung gemäß § 182 ZPO ist außer der Niederlegung des zu übergebenden Schriftstücks erforderlich, daß eine schriftliche Mitteilung über die Niederlegung unter der Anschrift des Empfängers in der bei gewöhnlichen Briefen üblichen Weise abgegeben oder, falls dies nicht tunlich ist, an der Tür der Wohnung befestigt oder einer in der Nachbarschaft wohnenden Person zur Weitergabe an den Empfänger ausgehändigt wird. Die Mitteilung über die Niederlegung des zuzustellenden Schriftstücks nur in das Postfach des Adressaten einzulegen, genügt diesem Erfordernis nicht. Dies ist kein "Abgeben" der Benachrichtigung (in der bei gewöhnlichen Briefen üblichen Weise) im Sinne des § 182 ZPO.

Der Senat schließt sich mit dieser Rechtsansicht den Urteilen des Bundessozialgerichts vom 1. Februar 1967 I RA 23/66 (NJW 1967, 903), des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 10. Oktober 1963 RReg. 1 St 347/62 (NJW 1963, 600) und des Landgerichts Köln vom 30. November 1972 I S 160/72 (MDR 1973, 768) an. Mit dieser Rechtsprechung stimmt auch die Dienstanweisung für den Postbetrieb (§ 111 Abs. 2 Sätze 1 und 2 DAP III) überein.

Das vom Finanzgericht in Bezug genommene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Februar 1971 (NJW 1971, 1284) erwägt lediglich in einer Nebenbemerkung, möglicherweise könne auch die Einlegung in das Postfach den Formerfordernissen entsprechen. Das weiterhin erwähnte Urteil des Bundesgerichtshofs vom 4. Juni 1954 (BB 1954, 577) enthält nur die Aussage, die Zustellung durch Niederlegung bei der Post sei fehlerhaft, wenn nicht zugleich dem Empfänger eine Mitteilung darüber zugeleitet werde, und beschäftigt sich anschließend mit der Frage, wann die Abgabe einer solchen Mitteilung als allgemein untunlich unterbleiben könnte.