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BFH-Beschluß vom 22.3.1983 (VIII B 117/80) BStBl. 1983 II S. 579

Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist formgerecht eingelegt und begründet, wenn ein Postamt der Deutschen Bundespost das die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde und seine Begründung enthaltende Schriftstück fernmeldetechnisch im Telekopierverfahren aufnimmt und als Fernkopie dem FG auf postalischem Weg zuleitet (im Anschluß an die Entscheidung des I. Senats im Zwischenurteil vom 10. März 1982 I R 91/81, BFHE 136, 38, BStBl II 1982, 573 zur Zulässigkeit der formgerechten Begründung einer Revision).

FGO § 115 Abs. 3.

Vorinstanz: Hessisches FG

Sachverhalt

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) abgewiesen. Wegen Fristversäumung sei sie unzulässig. Wiedereinsetzung könne nicht gewährt werden. Das FG hat es dahingestellt sein lassen, ob der Kläger ohne Verschulden vom Ablauf der Klagefrist nichts erfahren habe. Jedenfalls habe der Kläger nicht innerhalb der Zweiwochenfrist nach Wegfall des Hindernisses die Wiedereinsetzung beantragt und die Tatsachen zur Begründung des Antrags vorgetragen. Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Zweiwochenfrist komme ebenfalls nicht in Betracht. Schließlich stünde auch § 56 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) einer Wiedereinsetzung entgegen.

Das FG-Urteil wurde am 23. Oktober 1980 zugestellt. Mit dem am 24. November 1980 beim FG eingegangenen Telebrief hat der Kläger die Zulassung der Revision beantragt. Der Kläger sieht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in der Frage, wann die Zweiwochenfrist gemäß § 56 FGO zu laufen beginne. Er habe den Ablauf der Klagefrist, als ihm die Sache am 3. Juli 1979 von seiner Angestellten zur Bearbeitung übergeben worden sei, nicht bemerkt und sei erst mit dem Schreiben vom 17. Juli 1980 auf die Fristversäumung hingewiesen worden. Ihm sei auch das rechtliche Gehör versagt worden. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs liege darin, daß das Gericht seiner Fürsorgepflicht nicht nachgekommen sei, ihn auf die Fristversäumung rechtzeitig hinzuweisen. Ein solcher Sachverhalt stelle höhere Gewalt dar. Wiedereinsetzung könne demzufolge auch noch nach Ablauf der Jahresfrist gestellt werden.

Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig erhoben worden.

1. Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten werden soll. An den Inhalt der Beschwerdeschrift hat das Gesetz bestimmte Anforderungen gestellt (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Eine schriftliche Erklärung liegt nur vor, wenn sie unterschrieben ist (Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 64 Anm. 3 a und die dortigen Zitate). Die Unterschrift muß eigenhändig sein (§ 126 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -). Die Beglaubigung, daß das Schriftstück im Original unterschrieben sei, genügt nicht (Gräber, a. a. O., § 64 Anm. 3, S. 170). Die Schriftform soll gewährleisten, daß aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnommen werden können. Außerdem muß feststehen, daß es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern daß es mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist (vgl. Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes - GmS-OGB - vom 30. April 1979 GmS-OGB 1/78, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1980, 172). Welche Erfordernisse im einzelnen erfüllt sein müssen, um der Schriftform zu genügen, wird in den einzelnen Verfahrensordnungen unterschiedlich beurteilt (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 5. November 1973 GrS 2/72, BFHE 111, 278, BStBl II 1974, 242, dort unter IV).

Entgegen der grundsätzlich bestehenden Formstrenge hat es die Rechtsprechung anerkannt, daß es zulässig ist, ein Rechtsmittel durch Telegramm einzulegen. Eine gleichzeitige oder innerhalb der Frist abgehende briefliche Bestätigung durch den Prozeßbevollmächtigten wurde nicht verlangt. Auch die fernmündliche Aufgabe des Telegramms genügt (vgl. Beschluß des Reichsgerichts - RG - vom 28. November 1932 IV B 4/32, RGZ 139, 45, dort Seite 47). Das RG erblickte in dieser Rechtsprechung "eine gewohnheitsrechtliche Rechtsfortbildung der einschlägigen Bestimmungen der ZPO". Dem folgten der Große Senat des RG für Zivilsachen im Beschluß vom 15. Mai 1936 (G.S.Z.2/36 V 62/35, RGZ 151, 82, dort Seite 86) und die obersten Gerichtshöfe des Bundes (vgl. die Zitate im BFH-Zwischenurteil vom 10. März 1982 I R 91/81, BFHE 136, 38, BStBl II 1982, 573). Die Einlegung des Rechtsmittels durch Fernschreiber ist ebenfalls als ausreichend angesehen worden (Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 28. Oktober 1965 I a ZB 11/65, NJW 1966, 1077).

Der I. Senat des BFH hat eine Revision dann als formgerecht begründet angesehen, wenn ein Postamt der Deutschen Bundespost das die Revisionsbegründung enthaltende Schriftstück fernmeldetechnisch im Telekopierverfahren aufnimmt und als Fernkopie dem Revisionsgericht auf postalischem Wege zuleitet (vgl. BFHE 136, 38, BStBl II 1982, 573), obwohl der den Telebrief entgegennehmende Postbedienstete das Original des Telebriefes dem Absender zurückgibt.

Der Senat schließt sich der Auffassung des I. Senats an. Denn der Telebrief erschwert die Nachprüfung, ob das Schriftstück tatsächlich von einer bestimmten Person mit ihrem Wissen und Willen dem Gericht zugeleitet worden ist, in geringerem Maße, als das bei einem Telegramm - insbesondere bei dessen fernmündlicher Aufgabe - oder bei einem Fernschreiben der Fall ist. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Entwicklung des Telebriefes nicht die gewohnheitsrechtliche Anerkennung der Einlegung von Rechtsmitteln durch Telegramme hinfällig machen kann.

2. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist jedoch nicht begründet.

Dem Prozeßbevollmächtigten ist nach seinem eigenen Vortrag die Einkommensteuersache 1977 seines Mandanten - des Klägers - am 3. Juli 1979 zur Bearbeitung vorgelegt worden. Zu einer ordnungsgemäßen Bearbeitung gehört die eigenverantwortliche Prüfung des Fristablaufs. Wer als Steuerberater bei Vorlage einer Sache zur Einlegung eines Rechtsmittels den Fristablauf nicht prüft und dadurch den Eintritt einer Fristversäumung nicht bemerkt, handelt schuldhaft. Der Kläger muß sich das schuldhafte Verhalten seines Prozeßvertreters zurechnen lassen (vgl. Gräber, a. a. O., § 56 Anm. 1 und die dort zitierte ständige Rechtsprechung).

Ein Sachverhalt, der das Verschulden ausschließen könnte, ist vom Kläger nicht dargetan.

Zutreffend hat das FG darauf hingewiesen, daß die Frage des Beginns der Zweiwochenfrist für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand keine grundsätzliche Bedeutung gewinnen kann. Auf das Unterbleiben eines Hinweises auf die Säumnis kam es unter diesen Umständen nicht an. Das Gericht oder sein Vorsitzender war nicht verpflichtet, vor Ablauf der Jahresfrist auf die Fristversäumung hinzuweisen. Dem Kläger ist daher das rechtliche Gehör nicht versagt worden. Das Verschulden des Prozeßbevollmächtigten konnte im vorliegenden Fall weder zu einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Rechtsmittelfrist, noch der Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist oder der Jahresfrist führen.