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BFH-Urteil vom 11.3.1983 (VI R 65/80) BStBl. 1983 II S. 629

Ein lediger Arbeitnehmer ohne doppelte Haushaltsführung, der nach einer beruflich veranlaßten Versetzung seine Wohnung am bisherigen Beschäftigungsort beibehält, kann Aufwendungen für die Unterkunft am neuen Beschäftigungsort auch nicht für eine Übergangszeit als Werbungskosten absetzen, wenn er wegen fehlender Umzugsbereitschaft von vornherein auf die Suche nach einer angemessenen Wohnung verzichtet. Ob etwas anderes für die ersten zwei Wochen der Tätigkeit am neuen Beschäftigungsort gilt (Absch. 27 Abs. 5 Nr. 1 LStR 1978), bleibt dahingestellt.

EStG 1977 § 9 Abs. 1 Satz 1.

Vorinstanz: FG Nürnberg

Sachverhalt

Der ledige Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Finanzbeamter. Nach Beendigung seiner Ausbildung am Finanzamt A wurde er zum 1. Dezember 1977 aus dienstlichen Gründen von A nach B versetzt. In B bewohnte er von diesem Zeitpunkt an ein gemietetes möbliertes Zimmer ohne Kochgelegenheit. Die Miete für das möblierte Zimmer belief sich auf monatlich 105 DM. Der Kläger behielt am bisherigen Wohnort A seine aus mehreren Räumen bestehende und teilweise mit eigenen Möbeln ausgestattete Wohnung im Haus der Eltern gegen Kostenbeteiligung auch nach der Versetzung bei. Um eine seinen Bedürfnissen entsprechende Wohnung in B bemühte sich der Kläger nicht, da er seit der Versetzung nach B seine Rückversetzung nach A anstrebte.

Der Kläger machte erstmals mit dem Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 1978 u.a. Kosten für die Miete am Beschäftigungsort (B) für das Jahr 1978 in Höhe von 1.560 DM als Werbungskosten geltend.

Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lehnte die Berücksichtigung dieser Aufwendungen als Werbungskosten ab.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage teilweise statt und führte in dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1980, 333 veröffentlichten Urteil im wesentlichen zur Begründung aus: Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) lägen nicht vor, da der Kläger als Lediger in A keinen eigenen Hausstand unterhalten habe. Er könne aber für eine Übergangszeit über die ersten zwei Wochen seiner Tätigkeit am neuen Beschäftigungsort hinaus die Kosten für das möblierte Zimmer als Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG abziehen. Das möblierte Zimmer sei nach objektiven Maßstäben nicht als angemessene Wohnung anzusehen. Der Kläger habe sich in B zwar nicht um eine angemessene Wohnung bemüht. Gewöhnlich dauere es nach einer Versetzung aber eine gewisse Zeit, um eine solche Wohnung zu finden. Demgemäß komme aufgrund der Lebenserfahrung ein Umzug erst nach Ablauf einer Übergangszeit in Betracht, die auf drei Monate geschätzt werde. Erst danach greife die fehlende Umzugsbereitschaft als Umstand ein, der die Beibehaltung der bisherigen Wohnung nicht mehr als beruflich veranlaßt erscheinen lasse. Da der Kläger das möblierte Zimmer ab Dezember 1977 gemietet habe, sei die Miete nur noch für die Monate Januar und Februar 1978 als Werbungskosten abziehbar.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG. Es macht geltend, Kosten für die Unterkunft am neuen Beschäftigungsort seien lediglich für die ersten beiden Wochen der Tätigkeit als Werbungskosten abziehbar. Für die Folgezeit wären diese Kosten nur zu berücksichtigen, wenn der Arbeitnehmer am Beschäftigungsort eine nach objektiven Maßstäben angemessene Wohnung nicht habe erlangen können (Hinweis auf Abschn. 27 Abs. 5 und Abs. 6 der Lohnsteuer-Richtlinien - LStR - 1978). Der Entschluß des Klägers, seine Wohnung in A beizubehalten und in B auch auf längere Zeit lediglich ein möbliertes Zimmer zu bewohnen, beruhe auf privaten Erwägungen. Die Aufwendungen für das möblierte Zimmer seien demgemäß der allgemeinen Lebensführung zuzurechnen.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Kosten der Zimmermiete nicht als abziehbare Werbungskosten anzuerkennen.

Der Kläger hat im Revisionsverfahren keinen Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur anderweitigen Festsetzung der Einkommensteuer (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Ledige Arbeitnehmer, die - wie der Kläger - keinen doppelten Haushalt führen, weil sie nicht mit von ihnen finanziell abhängigen Angehörigen zusammenleben, können Aufwendungen für ein möbliertes Zimmer am Beschäftigungsort nicht nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG als Werbungskosten geltend machen (vgl. das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Februar 1983 VI R 51/79, BFHE 138, 212). Der Senat hat ledige Arbeitnehmer aber unter bestimmten Voraussetzungen verheirateten Arbeitnehmern, die einen doppelten Haushalt führen, gleichgestellt und demgemäß Aufwendungen für die Unterkunft am Beschäftigungsort für einen gewissen Zeitraum nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG als Werbungskosten zum Abzug zugelassen (Urteil vom 23. Juli 1976 VI R 228/74, BFHE 119, 561, BStBl II 1976, 795).

a) Bei einer von vornherein auf zwei Jahre begrenzten Tätigkeit hat der Senat entschieden, daß eine vorübergehende auswärtige Beschäftigung von "verhältnismäßig kurzer Dauer" vorliegt. Diesen Zeitraum benötigen nach der allgemeinen Lebenserfahrung Arbeitnehmer, die einen doppelten Haushalt führen, zum Finden einer geeigneten Familienwohnung und für den Umzug in diese Wohnung. Auch ledigen Arbeitnehmern ist eine zweijährige Frist zum Finden einer geeigneten Wohnung und zur Durchführung des Umzugs zuzubilligen. Wohnungssuche und Umzug sind aber nicht zumutbar, wenn feststeht, daß die auswärtige Tätigkeit zeitlich auf höchstens zwei Jahre begrenzt ist. Es kommt deshalb ein Abzug der durch die auswärtige Tätigkeit entstandenen Aufwendungen bis zu einem Zeitraum von zwei Jahren als Werbungskosten in Betracht (vgl. die BFH-Urteile vom 20. Dezember 1982 VI R 123/81, BFHE 137, 474, BStBl II 1983, 269 und in BFHE 138, 212).

b) Bei einer auf Dauer abgestellten auswärtigen Beschäftigung infolge Versetzung hat der Senat anerkannt, daß ledige Arbeitnehmer, die ihre mit eigenen Möbeln eingerichtete Wohnung am bisherigen Wohnort beibehalten, die Aufwendungen für ein möbliertes Zimmer am Beschäftigungsort für eine gewisse Übergangszeit als Werbungskosten geltend machen können, bis ihnen ein Umzug in eine nach objektiven Maßstäben angemessene Wohnung möglich ist. Im Falle der Versetzung eines ledigen Arbeitnehmers endet daher die zuzubilligende Übergangszeit zum Finden einer angemessenen Wohnung am Beschäftigungsort spätestens mit der Durchführung des Umzugs in eine derartige Wohnung (BFH-Urteile vom 17. Februar 1961 VI 32/60 U, BFHE 72, 461, BStBl III 1961, 169; vom 19. November 1971 VI R 132/69, BFHE 103, 533, BStBl II 1972, 155, und in BFHE 119, 561, BStBl II 1976, 795).

2. Die fehlende Umzugsbereitschaft eines ledigen Arbeitnehmers in eine angemessene Wohnung am Beschäftigungsort zwingt bei einer auf Dauer angelegten auswärtigen Beschäftigung (vgl. oben 1. b) zu einer anderen rechtlichen Beurteilung abziehbarer Werbungskosten als bei einer auswärtigen Beschäftigung von verhältnismäßig kurzer Dauer (vgl. oben 1. a).

a) Einem vorübergehend auswärts beschäftigten Arbeitnehmer werden die Suche nach einer angemessenen Wohnung und der damit verbundene Umzug nicht zugemutet, weil von vornherein die zeitliche Begrenzung dieser Beschäftigung auf höchstens zwei Jahre und die anschließende Rückkehr an den bisherigen Wohnort feststehen. Auch bei fehlender Umzugsbereitschaft sind deshalb die Kosten für die Unterkunft am Beschäftigungsort als Werbungskosten abziehbar.

Anders liegt der Fall hingegen bei der Versetzung eines Beamten an einen neuen Beschäftigungsort. Bei einer Versetzung ist die auswärtige Beschäftigung im allgemeinen auf längere Dauer angelegt. Die Rückversetzung an den bisherigen Wohnort innerhalb eines bestimmten Zeitraums steht in der Regel nicht von vornherein fest. Der Beamte kann sich deshalb nicht wie bei einer zeitlich begrenzten auswärtigen Beschäftigung von verhältnismäßig kurzer Dauer auf die Unzumutbarkeit eines Umzugs berufen.

Nach einer Versetzung beruht die Gewährung einer gewissen Übergangszeit zum Finden einer angemessenen Wohnung auf der Erwägung, daß nach der Lebenserfahrung die Suche nach einer derartigen Wohnung längere Zeit in Anspruch nimmt und daher ein alsbaldiger Umzug nicht möglich ist. Es wird vorausgesetzt, daß der Arbeitnehmer den Wohnungsmarkt erkundet und sich auf die Suche nach einer Wohnung begibt. Verzichtet er aber von vornherein aus privaten Gründen auf die Suche nach einer angemessenen Wohnung, so kann er einem Wohnungssuchenden nicht gleichgestellt werden. Er stünde zudem bei Zubilligung einer nicht am konkreten Einzelfall orientierten Übergangszeit unter Umständen solchen Arbeitnehmern gegenüber besser, die aufgrund intensiver Suche alsbald eine Wohnung finden und deren Übergangszeit mit dem Umzug in diese Wohnung endet. Eine gewisse Übergangszeit kann nur derjenige in Anspruch nehmen, der sich ernsthaft um die Beschaffung einer angemessenen Wohnung bemüht. Bei fehlender Umzugsbereitschaft sind deshalb die Kosten der Unterkunft am Beschäftigungsort auch nicht während einer gewissen Übergangszeit als Werbungskosten abziehbar.

b) Mit diesen Grundsätzen steht das angefochtene Urteil nicht im Einklang. Das FG hat die Kosten des möblierten Zimmers für eine geschätzte Übergangszeit von drei Monaten als abziehbare Werbungskosten anerkannt, obwohl der Kläger nicht umzugsbereit war. Die Vorentscheidung ist daher aufzuheben.

3. Die Sache ist spruchreif.

Nach den Feststellungen des FG ist das möblierte Zimmer des Klägers am Beschäftigungsort nicht als angemessene Wohnung anzusehen. An diese auf tatsächlichem Gebiet liegende Würdigung ist der Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden, da das FA hiergegen keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen vorgebracht hat. Dennoch sind die im Januar und Februar 1978 entstandenen Kosten des Klägers für das möblierte Zimmer nicht als Werbungskosten abziehbar, da ihm keine Übergangszeit für die Suche nach einer angemessenen Wohnung zugebilligt werden kann. Denn der Kläger hat aus privaten Gründen auf die Suche nach einer angemessenen Wohnung in B und einen daran anschließenden Umzug verzichtet. Zwar sind nach Abschn. 27 Abs. 5 Nr. 1 i.V.m. Abs. 6 Nr. 3 LStR 1978 die notwendigen Kosten der Unterkunft am Beschäftigungsort für die ersten zwei Wochen der Tätigkeit am Beschäftigungsort "in allen Fällen" als Werbungskosten zu berücksichtigen. Es kann aber dahinstehen, ob diese typisierende Betrachtungsweise eingreifen kann, wenn sich der Arbeitnehmer von vornherein mit dieser Unterkunft zufriedengibt und auf einen Umzug in eine angemessene Wohnung verzichtet.

Denn zu Beginn des Streitjahres 1978 waren die ersten zwei Wochen der Tätigkeit des Klägers am neuen Beschäftigungsort bereits vorüber.