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BFH-Beschluß vom 12.7.1983 (VII B 19/83) BStBl. 1983 II S. 655

Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, daß der Geschäftsführer einer notleidenden GmbH auch dann für die Lohnsteuer haftet, wenn er für die Lohnzahlung nur Bankmittel zur Verfügung hat und verwendet, die die Bank der GmbH mit der ausdrücklichen Bestimmung zur Verfügung gestellt hat, daß sie nur für Nettolohnzahlungen verwendet werden dürfen.

AO 1977 §§ 34, 69; FGO § 69 Abs. 2 und 3.

Vorinstanz: Hessisches FG

Sachverhalt

Der Kläger und Beschwerdeführer (Beschwerdeführer) war als einer von zwei Geschäftsführern allein zuständig für die Bereiche Verwaltung und Finanzwesen einer GmbH, die ihrerseits persönlich haftende Gesellschafterin einer KG war. Die KG stellte am 18. Oktober 1979 Vergleichsantrag. Das Vergleichsgericht bestellte am selben Tag Rechtsanwalt R zum vorläufigen Vergleichsverwalter und erließ ein allgemeines Veräußerungsverbot nach § 59 der Vergleichsordnung (VerglO). Mit Beschluß vom 15. November 1979 lehnte es sowohl den Antrag als auch die Eröffnung eines Anschlußkonkursverfahrens ab.

In der Zwischenzeit hatte sich nach dem Vortrag des Beschwerdeführers eine Bank bereit erklärt, Mittel für die Zahlung der Nettogehälter und Löhne freizugeben und hatte sie mit dieser ausdrücklichen Weisung dem vorläufigen Vergleichsverwalter und dem Beschwerdeführer zur Verfügung gestellt. Entsprechend dieser Weisung erfolgte dann nach Angaben des Beschwerdeführers die Freigabe zugunsten der Beschäftigten der KG. Die Lohnsteueranmeldung für Oktober 1979 ging am 6. November 1979, die für November 1979 am 6. Dezember 1979 beim Erhebungs-Finanzamt ein. Beide trugen den Stempel der KG und waren "i. A." gezeichnet. Die Auszahlung der Löhne veranlaßte der Beschwerdeführer in Form einer Sammelüberweisung.

Da die KG die angemeldeten Steuern nicht entrichtete, erließ der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) am 29. Februar 1980 einen Haftungsbescheid gegen den Beschwerdeführer. Über die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage ist noch nicht entschieden.

Nachdem das FA zu erkennen gegeben hatte, daß es die Vollziehung des Haftungsbescheides nicht aussetzen werde, stellte der Beschwerdeführer einen Aussetzungsantrag beim Finanzgericht (FG). Dieses setzte die Vollziehung des Haftungsbescheides in Höhe eines Teilbetrages aus. Soweit es die Aussetzung ablehnte, führte es zur Begründung aus, der Beschwerdeführer habe im Sinn der Haftungsvorschrift des § 69 der Abgabenordnung (AO 1977) grob fahrlässig gehandelt. Es gehöre zu den Grundbegriffen des Lohnsteuerabzugs, daß jeder Lohnzahlung die ihr entsprechende Lohnsteuerabführung zu folgen habe. Werde dies nicht beachtet, so liege darin ein grober und schwerwiegender schuldhafter Verstoß gegen die lohnsteuerlichen Verpflichtungen. Die Besonderheiten des Streitfalles änderten daran nichts. Wie die Sammelüberweisung durch den Beschwerdeführer deutlich mache, sei ihm bewußt gewesen, daß er selbst die Auszahlung der Löhne vorgenommen und damit gleichzeitig die wichtige lohnsteuerliche Arbeitgeberpflicht verletzt habe. Genauso habe dem Beschwerdeführer als dem für Lohnsteuerangelegenheiten verantwortlichen Geschäftsführer klar sein müssen, daß eine Bank keinen Dispens von der Einhaltung steuerlicher Verpflichtungen habe erteilen können.

Der Beschwerdeführer legte Beschwerde u. a. mit der Begründung ein, er habe nur über einen Kredit der Bank verfügen können, der mit der ausdrücklichen Maßgabe zur Verfügung gestellt worden sei, hieraus die Nettolöhne zu befriedigen. Im Zeitpunkt der Auszahlung der Löhne hätten ihm keine Mittel zur Verfügung gestanden, auch die darauf ruhende Lohnsteuer zu zahlen. Das FG habe seine, des Beschwerdeführers, Abhängigkeit von der Bank und vom Betriebsrat völlig verkannt. Dem Betriebsrat sei bekannt gewesen, daß die Bank Mittel lediglich zur Auszahlung in vollem Umfang an die Arbeitnehmer zur Verfügung gestellt gehabt habe. Es wäre von seiner Seite aus eine Ungeheuerlichkeit gegenüber der Arbeitnehmerschaft gewesen, wenn er diese Mittel zurückgewiesen hätte.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist zulässig, da sie das FG ausdrücklich zugelassen hat (Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs - BFH-EntlG -). Sie ist jedoch nicht begründet.

Voraussetzung für die Aussetzung der Vollziehung ist, daß ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides bestehen oder die Vollziehung für den Beschwerdeführer eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 69 Abs. 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Für das Vorliegen der letztgenannten Voraussetzung liegen keine Anhaltspunkte vor; der Beschwerdeführer hat auch nichts dafür vorgetragen. Ernstliche Zweifel im genannten Sinn hält der Senat ebenfalls nicht für gegeben.

Die KG war nach § 41 a EStG verpflichtet, die von den Einkünften ihrer Arbeitnehmer durch Abzug vom Arbeitslohn zu erhebende Lohnsteuer einzubehalten und an das FA abzuführen. Für diese Einbehaltung und Abführung haftete sie nach § 42 d EStG. Nach § 34 Abs. 1 AO 1977 i. V. m. § 35 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) traf den Beschwerdeführer als den für die Steuerangelegenheiten zuständigen Geschäftsführer der in der KG geschäftsführenden GmbH unter anderem die Pflicht, die einbehaltene Lohnsteuer aus den von ihm verwalteten Mitteln rechtzeitig an das FA abzuführen. Soweit er durch vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung dieser Pflicht Steueransprüche verkürzt hat, haftet er persönlich neben dem Steuerpflichtigen (§ 69 Satz 1 AO 1977). Eine Steuerverkürzung liegt im vorliegenden Fall vor. Die fällige Lohnsteuer ist nicht rechtzeitig gezahlt worden.

Der Senat hat keine ernstlichen Zweifel, daß der Beschwerdeführer zumindest grob fahrlässig die Verkürzung der Lohnsteueransprüche verschuldet hat. Dabei ist davon auszugehen, daß nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) die Frage des Verschuldens bei der Abführung einbehaltener Lohnsteuer streng zu beurteilen ist (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 20. April 1982 VII R 96/79, BFHE 135, 416, BStBl II 1982, 521).

Der Beschwerdeführer hatte nach seinen Angaben zumindest die Summe für Lohnzahlungen zur Verfügung, die er voll an die Bediensteten der KG auszahlte. In einem solchen Fall darf ein verantwortlicher gesetzlicher Vertreter, wenn die vorhandenen Gelder für die Abführung der Lohnsteuer nicht reichen, die Löhne nur gekürzt als Vorschuß oder Teilbetrag auszahlen, und er muß die entsprechende Lohnsteuer aus den dann übrigbleibenden Mitteln abführen (BFHE 135, 416, 420, BStBl II 1982, 521, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Der Beschwerdeführer hat das nicht getan, sondern - in Kenntnis seiner Pflicht zur Abführung einbehaltener Lohnsteuer - den vollen ihm zur Verfügung stehenden Betrag an die Bediensteten der KG ohne Kürzung ausgezahlt. Damit hat er nicht grob fahrlässig, wie das FG angenommen hat, sondern vorsätzlich seine Pflicht als Geschäftsführer zur Abführung der Lohnsteuer verletzt.

Nach der im Aussetzungsverfahren gebotenen nur summarischen Prüfung ist der Senat der Auffassung, daß die konkreten Umstände des Falles den Beschwerdeführer nicht entschuldigen. Auf die besondere Vereinbarung mit der Bank, von der die Mittel stammten, kann er sich nicht mit Recht berufen. Als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH hatte er dafür zu sorgen, daß die Lohnsteuer abgeführt wurde. Er durfte daher einer Vereinbarung mit einer Bank nicht die Zustimmung geben, die einseitig den Fiskus schlechter stellte. Überdies konnte der Beschwerdeführer sich seiner öffentlich-rechtlichen Pflicht, für die Abführung der einbehaltenen Lohnsteuer aus den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu sorgen, auch nicht durch privatrechtliche Vereinbarung entziehen; auch das entspricht der ständigen Rechtsprechung des BFH (vgl. z. B. Urteil vom 21. Mai 1969 I R 8/68, BFHE 96, 39, BStBl II 1969, 539).

Es kann dahinstehen, ob die Behauptung des Beschwerdeführers zutrifft, er sei sowohl von der Bank als auch vom Betriebsrat "absolut abhängig" gewesen. Ihn, den verantwortlichen Geschäftsführer allein und weder die Bank noch den Betriebsrat traf die Pflicht, für die Abführung der Lohnsteuer an das FA zu sorgen. Der Beschwerdeführer hat im übrigen nicht dargetan, er habe seinen Einfluß bei Bank und Belegschaft geltend gemacht, um die einseitige Nichtberücksichtigung des Fiskus zu verhindern.

Zu Recht hat das FG entschieden, daß auch die Bestimmungen der VerglO den Beschwerdeführer nicht zu entschuldigen vermögen. Keine Bestimmung der VerglO hinderte den Beschwerdeführer, seine Zustimmung zu der behaupteten Vereinbarung mit der Bank und zu der Auszahlung sämtlicher zur Verfügung stehenden Beträge an die Bediensteten der KG ohne Berücksichtigung der lohnsteuerrechtlichen Verpflichtungen zu verweigern.