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BFH-Urteil vom 12.7.1983 (VIII R 202/80) BStBl. 1983 II S. 716

Für die Inanspruchnahme der erhöhten Absetzungen gemäß § 82a EStDV ist anders als für die Begünstigung gemäß § 7 b EStG auch in der Zeit vor dem 1. Januar 1977 nicht erforderlich, daß die Wohnzwecken dienenden Räume die rechtliche Eignung zur Dauernutzung zu Wohnzwecken besitzen.

EStG 1975 § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. q; EStDV 1975 § 82a.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarben durch notariellen Vertrag vom 30. April 1976 ein 944 qm großes Grundstück nebst aufstehendem Gebäude zu einem Kaufpreis von 150.000 DM. Das Grundstück liegt in einem Gebiet, das durch den seit 1965 rechtskräftigen Bebauungsplan als Wochenendhausgebiet ausgewiesen worden ist. Das aufstehende Gebäude ist zeitlich früher errichtet worden.

Im Veranlagungszeitraum 1976 wandten die Kläger für die Instandsetzung und Modernisierung des Gebäudes insgesamt 148.766, 16 DM auf. Bei den Arbeiten handelte es sich um Modernisierung, kleinere Umbauten, Ausbesserung des Dachstuhls und der Dachhaut, Anfertigung und Aufstellung von Einbauschränken, Isolierung der Außenwände und der Zwischendecken sowie des gesamten Dachstuhls, Erneuerung von Türen und Fenstern, Isolierverglasung, Installation einer Elektroheizung und die Verlegung von Teppichböden in verschiedenen Räumen. Mit dem Einkommensteuerbescheid erkannte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) Werbungskosten in Höhe von 7.721 DM an, die bis zum Einzug der Kläger in das Gebäude am 1. Dezember 1976 entstanden waren. Die Berücksichtigung von Abschreibungen nach § 82a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) lehnte das FA mit dem nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Steuerbescheid ab. Gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1976 legte der Kläger Einspruch ein und bezifferte die nach § 82a EStDV begünstigten Aufwendungen mit 104.658,92 DM. Das FA wies den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück.

Das Finanzgericht (FG) verwarf die Klage der Klägerin als unzulässig, weil das nach § 44 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erforderliche Vorverfahren nicht durchgeführt worden sei. Gegen den Einkommensteuerbescheid 1976 habe nur der Kläger Einspruch eingelegt. Dementsprechend habe sich die Einspruchsentscheidung auch nur an ihn gerichtet, so daß ein Vorverfahren für die Klägerin nicht durchgeführt worden ist. Die Klägerin sei auch nicht im Wege der Beiladung an dem Verfahren zu beteiligen gewesen, weil ein Fall der notwendigen Beiladung gemäß § 60 Abs. 3 FGO auch dann nicht vorliege, wenn im Falle der Zusammenveranlagung von Ehegatten der nichtklagende Ehegatte eigene Einkünfte habe (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 8. Dezember 1976 I R 240/74, BFHE 121, 142, BStBl II 1977, 321).

Die Klage des Klägers sei zulässig, aber nicht begründet.

Das FG führte aus, der Begriff "Wohnzwecken dienende Räume" in § 82a Abs. 1 EStDV könne nicht anders verstanden werden als der in § 7b Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Das FG hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Mit der Revision beantragen die Kläger, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Sonderabschreibung nach § 82a EStDV in Höhe von 10 v. H. der begünstigten Aufwendungen von 100.000 DM für das Kalenderjahr 1976 zu gewähren und festzustellen, daß die Klägerin nach § 60 Abs. 3 FGO notwendig beizuladen gewesen sei.

Das FA beantragt,

a) die Revision der Klägerin als unzulässig gemäß § 126 Abs. 1 FGO zu verwerfen und

b) die des Klägers als unbegründet gemäß § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet.

Zutreffend hat das FG dargelegt, daß hinsichtlich der Klage der Klägerin kein Vorverfahren stattgefunden hat und daß eine Beiladung nicht erforderlich war.

Ist im Falle der Zusammenveranlagung von Ehegatten der Einkommensteuerbescheid, der von dem einen Ehegatten angefochten wurde, dem anderen Ehegatten gegenüber nicht wirksam oder unanfechtbar geworden, ist dieser andere Ehegatte im Verfahren des anfechtenden Ehegatten nicht beizuladen (vgl. BFH-Beschluß vom 20. Januar 1972 I B 51/68, BFHE 104, 45, BStBl II 1972, 287, und Urteil vom 8. Dezember 1976 I R 240/74, BFHE 121, 142, BStBl II 1977, 321; Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 60 FGO Anm. 26).

II.

Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

Das FG hat, wie der Kläger zutreffend rügt, die vom Kläger begehrten erhöhten Absetzungen zu Unrecht mit der Begründung abgelehnt, dem Gebäude fehle die Eigenschaft, rechtlich dauernd Wohnzwecken dienen zu können.

Rechtsgrundlage für die vom Kläger im Veranlagungszeitraum 1976 begehrten erhöhten Absetzungen von Herstellungskosten für Anlagen und Einrichtungen bei Wohngebäuden ist die auf § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. q EStG 1975 beruhende Vorschrift des § 82 a EStDV 1975.

Danach kann der Steuerpflichtige neben den Absetzungen für Abnutzung (AfA) für das Gebäude von den Herstellungskosten, die für den Einbau der in der Anlage 7 zu dieser Verordnung bezeichneten Anlagen und Einrichtungen bei einem nicht zu einem Betriebsvermögen gehörenden Gebäude aufgewendet worden sind, im Jahr der Herstellung und in den folgenden neun Jahren bis zu 10 v.H. absetzen.

Voraussetzung für die Inanspruchnahme der erhöhten Absetzungen ist, daß

"1. das Gebäude vor dem 1. Januar 1957 hergestellt worden ist und

2. die Grundfläche der Wohnzwecken dienenden Räume des Gebäudes mehr als die Hälfte der Gesamtnutzfläche beträgt".

Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Das Gebäude ist nach den Feststellungen des FG vor dem 1. Januar 1957 hergestellt worden. Die Räume des Gebäudes dienen nach wie vor der Modernisierung Wohnzwecken. Darauf, daß den Räumen die rechtliche Eignung zur Dauernutzung zu Wohnzwecken fehlt, kommt es nach § 82a EStDV 1975 nicht an.

Dem FG ist einzuräumen, daß es naheliegt, die Merkmale "Wohnzwecken dienende Räume" in § 7 b Abs. 1 Satz 1 EStG in den vor dem 1. Januar 1977 geltenden Fassungen und in § 82a Abs. 1 Nr. 2 EStDV 1975 begrifflich gleichzusehen. Der BFH hat bei Anwendung des § 7 b EStG in den vor dem 1. Januar 1977 geltenden Fassungen stets für erforderlich erachtet, daß Wohnräume nur dann Wohnräume im Sinn dieser Vorschrift sind, wenn sie ständig für Wohnzwecke zur Verfügung stehen (vgl. Urteile vom 25. April 1972 VIII R 59/69, BFHE 106, 53, BStBl II 1972, 670, und vom 18. Juli 1978 VIII R 94/77, BFHE 125, 454, BStBl II 1978, 593). Das Erfordernis der Eigenschaft rechtlicher Dauernutzung zu Wohnzwecken folgte aus der vorrangigen Zielsetzung, die mit der Begünstigungsvorschrift des § 7 b EStG in den vor dem 1. Januar 1977 geltenden Fassungen verfolgt wurde, nämlich, neuen Wohnraum zu schaffen und damit die Wohnungsnot zu lindern. Der Vorrang dieses Zwecks vor anderen Zielsetzungen ist erst mit dem EStG 1977 zurückgetreten (vgl. BFH-Urteil vom 8. März 1983 VIII R 111/81, BFHE 138, 215, BStBl II 1983, 498).

Anders ist die Sachlage bei der Begünstigung von Modernisierungsmaßnahmen an vorhandenem Wohnraum (§ 82a EStDV 1975). Hier bezweckt die Begünstigungsvorschrift nicht, neuen Wohnraum zu schaffen. Infolgedessen erfordert die Auslegung der Vorschrift nur - von den weiteren Voraussetzungen abgesehen - , daß die Räume nach Durchführung der Modernisierung tatsächlich für Wohnzwecke genutzt werden, nicht aber, daß sie auch die rechtliche Eigenschaft zur Dauernutzung zu Wohnzwecken besitzen. Das Merkmal, daß die Räume die rechtliche Eignung zur Dauernutzung besitzen müssen, ist der Ermächtigungsvorschrift und der Rechtsverordnung nicht zu entnehmen.

Die Vorentscheidung, die von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war aufzuheben. Die Vorinstanz hat - von ihrem Standpunkt aus zu Recht - keine Feststellungen darüber getroffen, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Begünstigung der Baumaßnahmen gemäß § 82a EStDV 1975 im vorliegenden Fall gegeben sind. Die Sache war daher zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.