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BFH-Urteil vom 21.7.1983 (IV R 59/80) BStBl. 1983 II S. 763

Wenn bei Gründung einer GmbH & Co. KG die Komplementär-GmbH, deren Gesellschafter die Kommanditisten der KG sind, die sich nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG 1959 ergebende Gesellschaftsteuer als Steuerschuldnerin nach § 10 Abs. 1 KVStG 1959 trägt, so liegt darin keine verdeckte Gewinnausschüttung an ihre Gesellschafter, weil ihr ein Ausgleichsanspruch gegen die Gesellschafter nicht zusteht.

EStG § 4 Abs. 4, § 5, § 15 (Abs. 1) Nr. 2; KVStG 1959 § 6 Abs. 1 Nr. 4, § 10 Abs. 1; AO 1977 § 44 Abs. 1.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin zu 1 (Klägerin zu 1) ist eine GmbH & Co. KG, an der im Streitjahr als Komplementärin die Klägerin und Revisionsklägerin zu 2 (Klägerin zu 2), eine GmbH, sowie als Kommanditistin Frau B und der Beigeladene zu 2 beteiligt waren. Rechtsnachfolger der 1975 verstorbenen Frau B ist der Beigeladene zu 1, der Geschäftsführer der Klägerin zu 2. Deren Gesellschafter waren im Streitjahr Frau B und der Beigeladene zu 2.

Vom Festkapital der Klägerin zu 1 in Höhe von 650.000 DM entfielen im Streitjahr 20.000 DM auf die Klägerin zu 2, 460.000 DM auf Frau B und 170.000 DM auf den Beigeladenen zu 2. Die Gewinnverteilung war vertraglich in der Weise geregelt, daß die Klägerin zu 2 5 v. H. des nach Abzug einer Geschäftsführervergütung und einer Verzinsung des Gesellschaftskapitals in Höhe von 3 v.H. jährlich verbleibenden Gewinns erhielt. Der Restgewinn stand im Verhältnis 70 : 30 den Kommanditisten zu.

Die Klägerin zu 2 zahlte aufgrund eines gegen sie nach § 10 Abs. 1 des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVStG) 1959 ergangenen Bescheids 15.750 DM Gesellschaftsteuer; der Bescheid beruhte auf § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG 1959. Die Klägerin zu 1 setzte in der Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Feststellung des Gewinns 1969 die Gesellschaftsteuer in voller Höhe sowohl von ihrem Gesamtgewinn als auch vom Gewinnanteil der Klägerin zu 2 ab.

Nach einer Betriebsprüfung behandelte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Belastung der Klägerin zu 2 mit der Gesellschaftsteuer als verdeckte Gewinnausschüttung, und zwar in Höhe von 95 v. H. von 15.750 DM = 14.963 DM. Um diesen Betrag erhöhte das FA in dem berichtigten Gewinnfeststellungsbescheid unter Berücksichtigung einer entsprechend höheren Gewerbesteuerrückstellung sowohl den Gesamtgewinn der Klägerin zu 1 als auch die Gewinnanteile der beiden Kommanditisten entsprechend der nach der Beteiligung an der Klägerin zu 2 maßgebenden Gewinnverteilung von 75 : 25. Ferner rechnete das FA dem Gewinnanteil der Klägerin zu 2 14.963 DM hinzu und minderte gleichzeitig um denselben Betrag die Gewinnanteile der Kommanditisten im Verhältnis 70 : 30.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Mit der Revision rügt die Klägerin zu 1 die Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt, den Gewinn um die verdeckte Gewinnausschüttung in Höhe von 14.963 DM abzüglich einer Gewerbesteuerrückstellung von 1.960 DM zu kürzen und den verbleibenden Gewinn in der Weise zu verteilen, daß auf die Klägerin zu 2 4.444 DM, auf den Beigeladenen zu 1 als Rechtsnachfolger von Frau B 122.426,40 DM und auf den Beigeladenen zu 2.51.774,60 DM entfallen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

1. ...

2. Nach ständiger Rechtsprechung setzt eine verdeckte Gewinnausschüttung voraus, daß eine Kapitalgesellschaft ihren Gesellschaftern Vermögensvorteile zuwendet, die sie unter sonst gleichen Umständen bei Anwendung der Sorgfaltspflicht eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16. April 1980 I R 75/78, BFHE 133, 19, BStBl II 1981, 492). Bezahlt eine Kapitalgesellschaft ihre Steuerschuld, ohne von ihren Gesellschaftern Ersatz zu fordern, so ist eine Vorteilszuwendung in diesem Sinne nur gegeben, wenn der Kapitalgesellschaft ein gesetzlicher Ersatzanspruch gegen ihre Gesellschafter zusteht.

Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.

a) Eine GmbH, die Komplementärin einer GmbH & Co. KG ist, ist - anders als nach der Rechtslage nach dem Inkrafttreten des KVStG 1972 - nach § 10 Abs. 1 KVStG 1959 Schuldnerin der aufgrund der Gründung der KG gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG 1959 entstandenen Gesellschaftsteuer (Meßmer, Steuerkongreß-Report 1969, 224). Die Kommanditisten der GmbH & Co. KG haften nach § 10 Abs. 2 Nr. 1 KVStG 1959 für die Erfüllung dieser Steuerschuld. Schuldner und Haftende - also die GmbH und die Kommanditisten - sind Gesamtschuldner (§ 44 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 - , früher § 7 Abs. 1 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG -). Für die Ausgleichungspflicht der Personen, die für Steuerschulden als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden können, gelten die Regeln des § 426 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB - (Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 8. Juli 1921 II A 205/21, RFHE 6, 171; Offerhaus in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 44 AO 1977 Anm. 38; Kaduk in Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 10./11. Aufl., § 426 Anm. 9). Danach sind, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist, die Gesamtschuldner im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet.

Die Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall ergibt, daß die Klägerin zu 2 Schuldnerin der von ihr gezahlten Gesellschaftsteuer in Höhe von 15.750 DM ist und der Beigeladene zu 1 als Rechtsnachfolger von Frau B und der Beigeladene zu 2 hierfür haften; falls nicht etwas anderes gilt, würde die Klägerin zu 2 im Rahmen des bestehenden Gesamtschuldverhältnisses gegen den Beigeladenen zu 1 als Rechtsnachfolger von Frau B und den Beigeladenen zu 2 einen gesetzlichen Ersatzanspruch in Höhe je eines Drittels des Betrags von 15.750 DM haben.

b) Eine von § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB abweichende Regelung kann auf Gesetz oder Rechtsgeschäft beruhen oder sich aus dem Inhalt und Zweck des Rechtsverhältnisses ergeben (Urteil des Reichsgerichts - RG - vom 29. Mai 1905 VI 441/04, RGZ 61, 56, 60; Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, 15. Bearbeitung, S. 373).

Dem Finanzgericht (FG) kann nicht darin gefolgt werden, daß im Streitfall in Höhe von 14.963 DM ein Ausgleichsanspruch der Klägerin zu 2 gegenüber deren Gesellschaftern aus § 161 Abs. 2 i. V. m. § 110 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) zu entnehmen ist. Nach dieser Regelung kann der Gesellschafter einer KG von dieser Ersatz derjenigen Aufwendungen verlangen, die er in Gesellschaftsangelegenheiten gemacht hat und die er den Umständen nach für erforderlich halten durfte. Aufwendungen in diesem Sinne sind die zur Deckung von Schulden der Gesellschaft gezahlten Beträge (Baumbach/Duden/Hopt, Handelsgesetzbuch, 25. Aufl., § 110 Anm. 1 B); hierzu zählen auch Steuerschulden der Gesellschaft (Fischer in Großkommentar zum HGB, 3. Aufl., § 110 Anm. 3). Ansprüche auf Aufwendungsersatz nach § 110 HGB können - jedenfalls während des Bestands der Gesellschaft - nur gegen diese und nicht gegen die Mitgesellschafter geltend gemacht werden (Baumbach/Duden/Hopt, a. a. O., § 110 Anm. 1 F). Im Streitfall schuldet die Gesellschaftsteuer - wie Dargelegt - nicht die KG, also die Klägerin zu 1, sondern die Klägerin zu 2. Da es sich somit im vorliegenden Verfahren nicht um Aufwendungen in Gesellschaftsangelegenheiten, sondern um Aufwendungen in Angelegenheiten eines Gesellschafters handelt, besteht kein Ersatzanspruch der Klägerin zu 2 nach § 161 Abs. 2 i. V. m. § 110 Abs. 1 HGB.

Auch aus anderen gesetzlichen Vorschriften kann ein solcher Ausgleichsanspruch nicht abgeleitet werden.

Abgesehen davon, daß der gemäß § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB vorgesehene Ausgleich nach gleichen Anteilen kein dem Gesellschaftsverhältnis gerecht werdender angemessener Aufteilungsmaßstab ist und im Streitfall auch von keinem Beteiligten der Besteuerung zugrunde gelegt wurde, ergeben Sinn und Zweck des zwischen der Klägerin zu 2 und dem Beigeladenen zu 1 als Rechtsnachfolger von Frau B und dem Beigeladenen zu 2 bestehenden Gesamtschuldverhältnisses, daß die Klägerin zu 2 die von ihr geschuldete Gesellschaftsteuer allein zu tragen hat und ihr kein Ausgleichsanspruch gegen ihre Gesellschafter zusteht. Dieses Gesamtschuldverhältnis hat seine Grundlage im Steuerrecht; nach § 10 Abs. 1 KVStG 1959 ist Schuldner der Gesellschaftsteuer die Klägerin zu 2, während der Beigeladene zu 1 als Rechtsnachfolger von Frau B und der Beigeladene zu 2 nach § 10 Abs. 2 Nr. 1 KVStG 1959 Haftende sind. Der BFH (Urteil vom 27. März 1968 II 98/62, BFHE 91, 434, BStBl II 1968, 376) hat für solche Gesamtschuldverhältnisse entschieden, daß das FA, soweit nicht besondere Umstände vorliegen, in erster Linie den Gesamtschuldner, in dessen Person der Steuertatbestand verwirklicht worden ist - das ist hier die Klägerin zu 2 - , in Anspruch zu nehmen hat. Entsprechend ist in § 219 AO 1977 vorgeschrieben, daß von einem Haftungsschuldner, wenn nichts anderes bestimmt ist, Zahlung nur gefordert werden kann, soweit die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen des Steuerschuldners ohne Erfolg geblieben oder anzunehmen ist, daß die Vollstreckung aussichtslos sein würde. Dieses Gesetzesverständnis zeigt, daß die Statuierung eines Gesamtschuldverhältnisses zwischen Steuerschuldner und Haftenden jedenfalls in der Regel nur dem Zweck dient, den Steueranspruch des Staates in der Weise zu sichern, daß bei Nichtzahlung durch den Steuerschuldner die Haftenden zur Zahlung herangezogen werden können. Daraus folgt, daß nach dem Sinn der steuerlichen Vorschriften der Steuerschuldner - abgesehen von den Fällen, in denen sich aus den besonderen Umständen der Gesamtschuldnerschaft etwas anderes ergibt - die Steuerschuld endgültig tragen soll und dem Steuerschuldner kein Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB gegen den/die Haftungschuldner zusteht.

Danach muß im Streitfall angenommen werden, daß die Klägerin zu 2 von dem Beigeladenen zu 1 als Rechtsnachfolger von Frau B und dem Beigeladenen zu 2 keinen Ersatz in Höhe der geleisteten Gesellschaftsteuer fordern kann.

c) Da der Klägerin zu 2 kein gesetzlicher Ersatzanspruch in Höhe von 14.963 DM gegen den Beigeladenen zu 1 als Rechtsnachfolger von Frau B und den Beigeladenen zu 2 zusteht, hat sie zu deren Gunsten nicht auf Vermögensvorteile verzichtet und damit auch keine Gewinne in verdeckter Form ausgeschüttet.

3. Die Klägerin zu 2 ist, wie dargestellt, die alleinige Schuldnerin der strittigen Gesellschaftsteuer, ohne daß sie von ihren Gesellschaftern Ersatz fordern kann. Deshalb handelt es sich insoweit um Aufwendungen, die nur sie angehen und die als Sonderbetriebsausgaben nur ihren Gewinnanteil und nicht den Gewinnanteil des Beigeladenen zu 1 als Rechtsnachfolger von Frau B und des Beigeladenen zu 2 mindern dürfen.

4. Die Vorentscheidung ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Sie war daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die gesonderte Gewinnfeststellung des FA ist entsprechend dem Antrag der Klägerinnen in der Weise zu ändern, daß unter Berücksichtigung der Minderung der Gewerbesteuerrückstellung die Hinzurechnung der verdeckten Gewinnausschüttung rückgängig gemacht wird und außerdem die Gesellschaftsteuer allein von dem Gewinnanteil der Klägerin zu 2 abzuziehen ist.