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BFH-Urteil vom 21.6.1983 (VIII R 173/80) BStBl. 1984 II S. 7

Mit der Abgabe eines Antrags auf Lohnsteuer-Jahresausgleich für das Kalenderjahr 1975 wurde nicht die Frist zur Abgabe der Einkommensteuererklärung 1975, zu der das FA den Steuerpflichtigen aufgefordert hat, eingehalten. In einem solchen Falle ist der Tatbestand, der das FA zur Auferlegung eines Verspätungszuschlags berechtigt, erfüllt.

AO § 168 Abs. 2; EGAO 1977 Art. 97 § 8.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Ehegatten, die im Streitjahr 1975 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden.

Der Kläger war im Jahr 1975 Rechtsreferendar, die Klägerin Lehrerin an einer Grund- und Hauptschule.

Ende 1973 hatte die damals noch unverheiratete Klägerin durch Schenkung von ihrer Mutter Gesellschaftsanteile an zwei Kommanditgesellschaften (KG) erhalten; sie war, ohne an der Geschäftsführung beteiligt zu sein, als (weitere) persönlich haftende Gesellschafterin in die Unternehmen eingetreten. Darüber hinaus hatte ihr die Mutter Anteile an einer Erbengemeinschaft zugewendet, die (einheitlich und gesondert festzustellende) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und aus Kapitalvermögen erzielte.

1975 hatten die Kläger einen Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich für 1974 gestellt, dabei die Frage nach anderen Einkünften und Bezügen verneint, und waren vom Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) zur Einkommensteuer veranlagt worden, wobei sich eine Einkommensteuererstattung ergeben hatte.

Von dem Erwerb der Firmenbeteiligung der Klägerin erhielt das FA Ende 1975 Kenntnis. Ohne den Klägern zunächst eine Steuernummer zuzuteilen, forderte das FA die Kläger im November 1975 zur Abgabe von Einkommensteuererklärungen für 1973 und 1974 auf. Am 21. Mai 1976 gaben die Kläger einen Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich für 1975 ab, wobei sie wie im Vorjahr ihren Arbeitslohn, die einbehaltene Lohnsteuer, ihre Werbungskosten und sonstigen Ausgaben anführten und erklärten, keine "anderen Einkünfte und Bezüge" erzielt zu haben. Aufgrund der Angaben der Kläger wurde keine Einkommensteuerveranlagung nach § 46 des Einkommensteuergesetzes (EStG), sondern ein Lohnsteuer-Jahresausgleich durchgeführt; der Lohnsteuer-Jahresausgleich führte zu einer Steuererstattung.

Als die Kläger keine förmliche Einkommensteuererklärung abgaben (und auch nicht auf die abgegebenen Lohnsteuer-Jahresausgleichsanträge verwiesen), erinnerte das FA mit Schreiben vom 31. Januar 1977 an die Abgabe der Erklärungen. Mit Schreiben vom 15. Februar 1977 meldete sich daraufhin für die Klägerin eine Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, die jetzige Prozeßbevollmächtigte der Kläger, und teilte mit, sie habe die Steuerberatung der beiden Firmen und der Erbengemeinschaft übernommen. Sie erbat eine Frist zur Abgabe der Einkommensteuererklärung. Den Antrag vom 29. November 1977 auf eine weitere Fristverlängerung, u. a. auch für die Einkommensteuererklärung 1975, bis zum 31. Dezember 1977 lehnte das FA ab. Förmliche Einkommensteuererklärungen für 1974 und 1975 wurden schließlich am 25. Januar 1978 abgegeben. Bereits zuvor - am 19. Oktober 1977 - waren durch das FA H die Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb und der KG einheitlich und gesondert festgestellt worden. Danach war die Klägerin im Jahr 1975 mit insgesamt 393.986 DM am Gewinn der Gesellschaften beteiligt. Aus der Nachlaßbeteiligung entfielen auf die Klägerin nach der Einkommensteuererklärung noch Einkünfte aus Kapitalvermögen von 2.770 DM.

In dem Einkommensteuerbescheid 1975 vom 14. Juni 1978 wurde die Einkommensteuer auf 220.800 DM festgesetzt. Den Klägern wurde ein Verspätungszuschlag von 6.000 DM auferlegt. Die Steuerfestsetzung für 1975 wurde nach Feststellung der Einkünfte der Erbengemeinschaft nochmals geändert. Dabei blieb der Verspätungszuschlag aufrechterhalten. Für 1974 war ein Verspätungszuschlag von 4.000 DM festgesetzt worden.

Gegen die Verspätungszuschläge zur Einkommensteuer 1974 und 1975 legten die Kläger Beschwerde ein. Die Oberfinanzdirektion (OFD) hob den Verspätungszuschlag zur Einkommensteuer 1974 auf und wies die Beschwerde hinsichtlich des Verspätungszuschlags zur Einkommensteuer 1975 zurück. Gegen die Beschwerdeentscheidung vom 15. Januar 1979 erhoben die Kläger am 15. Februar 1979 Klage.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Im Streitfall sei noch § 168 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) anwendbar (Art. 97 § 8 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung - EGAO 1977 -). Das FA könne Steuerpflichtigen, die die Frist zur Abgabe der Steuererklärung nicht wahrten, einen Zuschlag bis zu 10 v. H. der endgültig festgesetzten Steuer, höchstens 10.000 DM, auferlegen. Der Zuschlag sei nicht zu erheben oder zurückzunehmen, wenn die Versäumnis entschuldbar erscheine. Die Kläger machten zu Unrecht geltend, es gebe für die Einkommensteuererklärung 1975 keine gesetzlich geregelte oder durch die Finanzbehörden auf gesetzlicher Grundlage zu bestimmende Abgabefrist. Die Kläger hätten jedoch die Frist für die Abgabe der Einkommensteuererklärung 1975 eingehalten. Sie hätten fristgerecht für 1975 einen Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich abgegeben; der Vordruck enthalte die Aufforderung zur vollständigen Erklärung über das Einkommen; unrichtige Angaben der Steuerpflichtigen stünden einer verspäteten Steuererklärung nicht gleich. Eine Steuererklärung liege auch dann vor, wenn sie Mängel aufweise; die Mängel dürften nur nicht so schwerwiegend sein, daß es unmöglich sei, das ordnungsmäßige Veranlagungsverfahren in Gang zu setzen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 6. November 1969 IV 249/64, BFHE 97, 405, BStBl II 1970, 168). Die Richtigstellung einer Einkommensteuererklärung befuge das FA nicht zur "Festsetzung eines Verspätungszuschlags in dem nach § 164 AO zu berichtigenden Steuerbescheid".

Das FG war hilfsweise der Auffassung, daß es zweifelhaft sei, ob das FA sein Ermessen bei der Bemessung des Verspätungszuschlags ohne Rechtsverstoß ausgeübt habe.

Das FG hat die Revision zugelassen.

Mit der Revision begehrt das FA die Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage. Die Festsetzung des Verspätungszuschlags 1975 sei nach Grund und Höhe gerechtfertigt.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen und die Hinzuziehung der Bevollmächtigten im Verfahren für notwendig zu erklären.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Das FA konnte nach der für die Abgabe der Einkommensteuererklärung 1975 geltenden Vorschrift des § 168 Abs. 2 AO (Art. 97 § 8 EGAO 1977) einem Steuerpflichtigen, der die Frist zur Abgabe der Einkommensteuererklärung nicht wahrte, einen Zuschlag bis zu 10 v. H. der endgültig festgesetzten Steuer, höchstens 10.000 DM, auferlegen.

Das FG hat die Einhaltung der Einkommensteuererklärungsfrist i. S. von § 168 Abs. 2 AO durch die Kläger zu Unrecht bejaht.

Unwidersprochen ist in der Revision die Feststellung des FG geblieben, daß die Frist zur Abgabe der Einkommensteuererklärung 1975 bis Ende Mai 1976 lief.

a) Gemäß § 168 Abs. 2 AO ist die Steuererklärung nach Form und Inhalt so abzugeben, wie es das FA nach den Gesetzen und Ausführungsbestimmungen vorschreibt (§ 166 Abs. 1 Satz 2 AO). Für die Einkommensteuererklärungen sind die amtlichen Vordrucke zu verwenden (§ 60 Abs. 1 Satz 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung - EStDV -). Unstreitig waren die Kläger zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung 1975 verpflichtet, und unstreitig ist von ihnen eine Einkommensteuererklärung 1975 auf amtlichem Vordruck innerhalb der Einkommensteuererklärungsfrist nicht abgegeben worden.

b) Die Kläger haben mit der Abgabe ihres Antrags auf Lohnsteuer-Jahresausgleich 1975 am 21. Mai 1976 die Frist i. S. von § 168 Abs. 2 AO nicht eingehalten.

aa) Die Einkommensteuererklärung und die auf dem amtlichen Vordruck eingereichte Erklärung, es werde die Durchführung eines Lohnsteuer-Jahresausgleichs beantragt, sind unterschiedliche Erklärungen.

bb) Die Einkommensteuerveranlagung und die Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs stellten im Veranlagungszeitraum 1975 zwei unterschiedliche Verfahren dar.

Das Verfahren des Lohnsteuer-Jahresausgleichs bewirkt den Abschluß des Lohnsteuerabzugsverfahrens; es dient der Erstattung zu hoch einbehaltener und abgeführter Lohnsteuer; dieser Abschluß des Lohnsteuerabzugsverfahrens ist antragsgebunden und steht im Belieben des Steuerpflichtigen. Mit dem Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich bringt der Erklärende - abgesehen von den Tatsachenerklärungen, die er nach dem Lohnsteuer-Jahresausgleichsvordruck beantwortet - zum Ausdruck, daß er den rechtlichen Schluß ziehe, steuerlich komme für seine Verhältnisse ein Lohnsteuer-Jahresausgleich in Betracht, und er beantrage die Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs. Er eröffnet damit die Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichsverfahrens. Er bindet das FA mit dieser Erklärung zwar nicht etwa dahin gehend, daß das FA nur einen Lohnsteuer-Jahresausgleich durchführen könnte. Denn das FA entscheidet von Amts wegen, ob es einen Lohnsteuer-Jahresausgleich durchzuführen hat oder ob die Voraussetzungen für einen Lohnsteuer-Jahresausgleich nicht erfüllt sind und entweder eine Einkommensteuerveranlagung durchzuführen ist oder sowohl eine Einkommensteuerveranlagung wie auch ein Lohnsteuer-Jahresausgleich zu unterbleiben haben.

Der Antragsteller will damit aber nicht eine Einkommensteuererklärung mit den damit verbundenen Folgen - z. B. der Ausübung von Wahlrechten, dem Stellen von Anträgen oder der Festlegung von Tatsachen wie einzelner Bilanzansätze - abgeben.

2. Zur Frage, ob das FA ggf. bei Festsetzung des Verspätungszuschlags die Grenzen des ihm gesetzlich eingeräumten Ermessens überschritten hat, wie das FG für möglich hält, hat die Vorinstanz keine tatsächlichen Feststellungen getroffen und keine abschließende Würdigung vorgenommen. Der Senat kann infolgedessen nicht in der Sache entscheiden. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

3. Über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren ist im Kostenfestsetzungsverfahren zu befinden (vgl. BFH-Beschluß vom 18. Juli 1967 GrS 5-7/66, BFHE 90, 150, BStBl II 1968, 56).