| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

 

BFH-Urteil vom 18.10.1983 (VI R 180/82) BStBl. 1984 II S. 110

Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sind dann nicht als Werbungskosten abziehbar, wenn das Arbeitszimmer durchquert werden muß, um andere, privat benutzte Räume der Wohnung zu erreichen.

EStG § 9 Abs. 1 Satz 1, § 12 Nr. 1.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist ledig. Er bewohnt eine Dreizimmer-Mietwohnung. Einen Raum der Wohnung benutzt er als häusliches Arbeitszimmer. Dafür hat er Aufwendungen in Höhe von 756 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend gemacht. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erkannte die Aufwendungen nicht als Werbungskosten an, weil Wohnzimmer, Schlafzimmer und Bad der Wohnung nur durch das Arbeitszimmer erreichbar waren, der Durchgang durch das Arbeitszimmer also für die private Nutzung der gesamten Wohnung erforderlich gewesen sei.

Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt. Nach seiner Auffassung sei die in der Durchquerung des Arbeitszimmers liegende private Nutzung von so untergeordneter Bedeutung gewesen, daß nicht deshalb die Berücksichtigung des Zimmers als Arbeitszimmer hätte abgelehnt werden dürfen. Jedenfalls bei einem ledigen Steuerpflichtigen falle der Durchgang nicht ins Gewicht, wenn im übrigen - wie im Streitfall - feststehe, daß das Zimmer intensiv als Arbeitszimmer genutzt werde.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung des § 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Es trägt vor, die Zuordnung eines Raumes zum beruflichen Bereich setze voraus, daß er eindeutig von den übrigen, der privaten Nutzung dienenden Räume abgetrennt sei. Diese Voraussetzung sei bei einem Durchgangszimmer nicht erfüllt.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klageabweisung.

1. Die Auffassung des Klägers, die Revision sei als unzulässig zu verwerfen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung habe, ist nicht zutreffend. Hat das FG - wie im Streitfall - die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung aus vertretbaren Gründen zugelassen, so kann der Bundesfinanzhof (BFH) die Revision selbst dann nicht als unzulässig verwerfen, wenn er die Frage der Grundsätzlichkeit anders beurteilen würde als das FG (BFH-Urteil vom 7. August 1967 VI R 297/66, BFHE 90, 29, BStBl III 1967, 789).

2. Aufwendungen für die eigene Wohnung können bei der Einkommensteuer grundsätzlich nicht abgezogen werden, weil es sich bei diesen Aufwendungen regelmäßig um solche der privaten Lebensführung handelt, die nach § 12 Nr. 1 EStG nicht abziehbar sind. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Aufwendungen gleichwohl ausnahmsweise nahezu ausschließlich betrieblich oder beruflich veranlaßt sind (§ 4 Abs. 4, § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG, und BFH-Urteil vom 21. Juli 1981 VIII R 154/76, BFHE 134, 113, BStBl II 1982, 37). Eine solche Veranlassung ist nur gegeben, wenn - unabhängig davon, ob dem Steuerpflichtigen außerhalb seiner Wohnung ein ausreichender Arbeitsplatz zur Verfügung steht und unabhängig davon, ob ein häusliches Arbeitszimmer erforderlich ist - feststeht, daß der Raum so gut wie ausschließlich für betriebliche oder berufliche Zwecke genutzt wird. Eine private Mitbenutzung ist lediglich dann unschädlich, wenn sie von untergeordneter Bedeutung ist (BFH-Urteile vom 28. Oktober 1964 IV 168/63 S, BFHE 81, 45, BStBl III 1965, 16; vom 28. September 1967 IV R 120/66, BFHE 90, 327, BStBl II 1968, 77, und BFH-Beschlüsse vom 19. Oktober 1970 GrS 2/70, BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17, sowie GrS 3/70, BFHE 100, 317, BStBl II 1971, 21). Ist die private Mitbenutzung nicht von nur untergeordneter Bedeutung, so steht die Vorschrift des § 12 Nr. 1 EStG der Abziehbarkeit auch nur eines Teils der Aufwendungen entgegen.

3. Die Frage, ob ein Raum so gut wie ausschließlich betrieblich oder beruflich genutzt wird, ist anhand von bestimmten Beweisanzeichen zu entscheiden, die in dem Urteil in BFHE 81, 45, BStBl III 1965, 16 zusammengestellt worden sind. Zu diesen Beweisanzeichen gehört auch, ob das Arbeitszimmer von den Privaträumen getrennt liegt. Ist eine solche Trennung nicht vorhanden, so kann nicht mehr davon gesprochen werden, daß eine private Mitbenutzung von nur untergeordneter Bedeutung vorliegt. Aus diesem Grund hat der Senat die Abziehbarkeit der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer in dem nicht zur Veröffentlichung bestimmten Teil des Urteils vom 28. Oktober 1977 VI R 194/74 in einem Fall abgelehnt, in dem das Arbeitszimmer nicht durch eine Tür abgeschlossen und dadurch nicht gewährleistet war, daß das Arbeitszimmer getrennt vom Wohnzimmer hätte genutzt werden können.

Ähnliche Erwägungen führen dazu, bei einem Arbeitszimmer eine schädliche private Mitbenutzung grundsätzlich dann anzunehmen, wenn es sich bei dem Zimmer um ein Durchgangszimmer, also um ein solches Zimmer handelt, das durchquert werden muß, um andere privat benutzte Räume der Wohnung zu erreichen, das also die einzige Verbindung zu diesen Räumen herstellt. In einem solchen Fall kann man nicht davon ausgehen, daß eine private Mitbenutzung von nur untergeordneter Bedeutung vorliegt. Eine andere Auffassung ist schon deshalb nicht vertretbar, weil sie dazu führen würde, daß auch ein Flur als häusliches Arbeitszimmer anzuerkennen wäre, wenn er nicht nur als Durchgang für andere Räume, sondern auch als "Arbeitszimmer" benutzt würde.

Auch die Tatsache, daß der Kläger ledig ist und die Wohnung allein bewohnt, kann zu keinem anderen Ergebnis führen. Zwar wird in einem solchen Fall das Arbeitszimmer als Durchgangszimmer in einem geringeren Umfang privat genutzt, als wenn die Wohnung von einer Familie bewohnt würde. Wenn aber - wie im Streitfall - der Kläger und jeder seiner Besucher das Wohnzimmer nur durch das Arbeitszimmer erreichen können, dann ist es - entgegen der Auffassung des FG - nicht gerechtfertigt, eine private Mitbenutzung des Arbeitszimmer von nur untergeordneter Bedeutung anzunehmen.

Es ist auch nicht möglich, bei einem Arbeitszimmer, das als Durchgangszimmer benutzt wird, die auf das Zimmer entfallenden Aufwendungen in einen betrieblichen bzw. beruflichen und einen privaten Anteil - etwa im Verhältnis der Fläche des Arbeitszimmers zu der Fläche, die für den Durchgang unbedingt notwendig ist - aufzuteilen. Eine solche Aufteilung käme nach den Beschlüssen des Großen Senats des BFH in BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 16 und in BFHE 100, 317, BStBl II 1971, 21 nur in Betracht, wenn objektive Merkmale und Unterlagen vorhanden sind, die eine zutreffende und leicht nachprüfbare Trennung ermöglichen. Diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben, weil die Benutzung eines Arbeitszimmers als Durchgangszimmer von verschiedenen nicht zutreffend feststellbaren Merkmalen abhängt, wie z.B. von der Häufigkeit der Benutzung zum Durchgang.