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BFH-Beschluß vom 20.12.1983 (VII B 73/83) BStBl. 1984 II S. 205

Bei der Entscheidung über den Antrag des Gläubigers auf Verfügung der Vollstreckung gegen eine Finanzbehörde nach § 151 Abs. 1 FGO kann die Einwendung der Aufrechnung durch den Schuldner nicht berücksichtigt werden. Im Rahmen der Zwangsvollstreckung kann die Aufrechnung in sinngemäßer Anwendung der §§ 151 Abs. 1 FGO, 767 ZPO nur durch Klage geltend gemacht werden.

FGO §§ 151 Abs. 1, 152, 153; ZPO § 767.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

In dem Rechtsstreit des Antragstellers und Beschwerdeführers (Beschwerdeführer) und dessen Ehefrau gegen den Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt - FA -) wegen Erstattung von Einkommensteuer und Kirchensteuer entschied das Finanzgericht (FG), daß der Erstattungsbetrag auf 1.893, 16 DM festgesetzt werde. Mit Schreiben vom ... erklärte das FA gegenüber dem Beschwerdeführer und dessen Ehefrau die Aufrechnung mit rückständigen Steuern gegenüber dieser Erstattungsforderung.

Den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung der Vollstreckungsklausel nach den §§ 151 der Finanzgerichtsordnung (FGO), 724, 725 der Zivilprozeßordnung (ZPO) behandelte das FG als Antrag auf Verfügung der Zwangsvollstreckung nach § 152 FGO. Es lehnte diesen Antrag mit der Begründung ab, die Forderung des Beschwerdeführers sei durch die Aufrechnung des FA erloschen, bevor der Beschwerdeführer die Vollstreckung beantragt habe.

Die dagegen erhobene Beschwerde begründet der Beschwerdeführer im wesentlichen wie folgt:

Die Forderung sei nicht durch Aufrechnung erloschen, da die Steuerforderungen, mit denen das FA die Aufrechnung erklärt habe, - im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung - bereits verjährt gewesen seien und das Steuerschuldverhältnis infolgedessen erloschen sei. Das FA hätte die angeblichen Aufrechnungsansprüche außerdem spätestens im Laufe des Prozesses geltend machen müssen. Das FG verweigere ihm, dem Beschwerdeführer, zu Unrecht eine positive Entscheidung hinsichtlich seines Antrags, aus dem genannten Urteil des FG zu vollstrecken.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß zur Vollstreckung aus dem genannten Urteil eine Vollstreckungsklausel aufgrund von § 153 FGO nicht erforderlich ist, da für diese Vollstreckung § 152 FGO maßgebend ist. Mit Rücksicht darauf bestehen auch keine Bedenken, dem Begehren des Beschwerdeführers einen Antrag auf Verfügung der Zwangsvollstreckung nach § 152 FGO zu entnehmen.

Die Aufrechnungserklärung des FA ist jedoch nicht geeignet, die Versagung der Vollstreckungsverfügung zu rechtfertigen. Die Einwendung der Aufrechnung betrifft den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst (vgl. Zöller/Scherübl, Zivilprozeßordnung, 13. Aufl., § 767 Anm. 2 b, 3 a; Münzberg in Stein/Jonas, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 20. Aufl., § 767 Rdnrn. 17, 37). Die Aufrechnung hat zur Folge, daß die Forderung, gegen die aufgerechnet worden ist, erlischt (§§ 226 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -, 389 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -).

Da die Einwendung der Aufrechnung den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst betrifft, kann sie in sinngemäßer Anwendung des § 767 ZPO nur im Wege der Klage geltend gemacht werden. Diese Vorschrift gehört zu denjenigen, die nach § 151 Abs. 1 FGO sinngemäß anzuwenden sind (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 11. Aufl., § 151 FGO Tz. 1; v. Wallis in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 151 FGO Anm. 14). Die Klage in sinngemäßer Anwendung des § 767 ZPO ist demnach der Rechtsbehelf, der zur Geltendmachung der Aufrechnung als Einwendung gegen die Zwangsvollstreckung gegeben ist (vgl. Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts - OVG - Münster vom 30. Juni 1970 X B 946/69, OVGE Münster und Lüneburg, Bd. 25 S. 270, und vom 28. November 1979 X A 2237/77, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1980, 2427; Beschluß des OVG Lüneburg vom 10. Dezember 1973 1 B 155/73, NJW 1974, 918).

Da für die Geltendmachung der Aufrechnung im Rahmen der Zwangsvollstreckung mit der Klage nach den §§ 151 Abs. 1 FGO, 767 ZPO ein besonderer Rechtsbehelf gegeben ist, darf die Aufrechnung bei der Entscheidung über die Verfügung der Zwangsvollstreckung nach § 152 FGO nicht berücksichtigt werden. Die Verweisung auf die Geltendmachung im Wege der Klage kann auch nicht als unangemessen angesehen werden. Sie bewirkt insbesondere nicht, daß der Vollstreckungsschuldner der Vollstreckung bis zur Klageerhebung oder gar bis zur Entscheidung über die Klage wehrlos ausgesetzt wäre. In sinngemäßer Anwendung des § 769 ZPO besteht vielmehr die Möglichkeit zur vorläufigen Einstellung der Zwangsvollstreckung, sofern die Voraussetzungen dazu vorliegen.

Die Zurückverweisung der Sache an das FG erscheint schon deshalb geboten, damit den Beteiligten nach erneuter Entscheidung über den Antrag der Rechtsweg nicht verkürzt wird.

Das FG hat nach Maßgabe der Regelung in § 152 Abs. 1 FGO erneut über das Begehren des Beschwerdeführers zu entscheiden.