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BFH-Urteil vom 25.11.1983 (VI R 58/80) BStBl. 1984 II S. 269

Der Begriff "anläßlich" in § 5 Abs. 1 LStDV 1971 (§ 4 Abs. 1 LStDV 1981) setzt nicht voraus, daß das Jubiläumsgeschenk in einem bestimmten zeitlichen Zusammenhang mit dem Jubiläum gewährt worden ist; maßgebend für die Steuerfreiheit eines Jubiläumsgeschenks ist ein sachlicher Zusammenhang zwischen dem Jubiläum und der Zuwendung (Modifizierung der bisherigen BFH-Rechtsprechung).

LStDV 1971 § 5 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Düsseldorf

Sachverhalt

In einer Betriebsvereinbarung vom September 1972 wurde allen Mitarbeitern der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer AG, eine einmalige Gratifikation von 600 DM für die zehnjährige Betriebszugehörigkeit zugesagt. Gleichzeitig wurde aus "Gründen der sozialen Gerechtigkeit" vereinbart, den Mitarbeitern, die bei Einführung dieser Regelung bereits mehr als 10 Jahre im Unternehmen tätig waren, diesen Betrag ebenfalls, wenn auch nachträglich, auszuzahlen. Bis dahin hatte die Klägerin Jubiläumszuwendungen nur anläßlich von 25- und 40jährigen Arbeitnehmerjubiläen gewährt.

Aufgrund der Neuregelung zahlte die Klägerin im Oktober 1972 an sämtliche Mitarbeiter, die 10 Jahre oder länger bei ihr beschäftigt waren, je 600 DM lohnsteuerfrei aus. Darunter waren 40 Arbeitnehmer, deren 10jähriges Dienstjubiläum im Zeitpunkt der Zuwendung bereits mehr als drei Monate zurücklag (sog. Altjubilare). Insgesamt waren bei der Klägerin seinerzeit rd. 170 Personen beschäftigt.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) verneinte die Lohnsteuerfreiheit der an die Altjubilare gezahlten Zuwendungen. Das FA forderte deshalb die darauf entfallende Lohnsteuer durch Haftungsbescheid nach. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es führte im wesentlichen aus: Auch die Zuwendungen an die Altjubilare seien lohnsteuerfrei. Denn sie seien "anläßlich eines Arbeitnehmerjubiläums" gewährt worden. Anlaß für diese Zahlungen sei nämlich ausschließlich die 10jährige Betriebszugehörigkeit dieser Arbeitnehmer gewesen. Das ergebe sich aus der Betriebsvereinbarung. Der Steuerfreiheit stehe nicht entgegen, daß die Zuwendungen erst gewährt worden seien, nachdem das Arbeitnehmerjubiläum jeweils mehr als drei Monate zurückgelegen habe. Denn ein Jubiläumsgeschenk sei auch dann noch anzunehmen, wenn es zwar nachträglich, aber ausschließlich im Hinblick auf das Jubiläum gegeben worden sei. Aus § 5 Abs. 1 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung 1971 (LStDV) lasse sich nichts Gegenteiliges ableiten. Denn "anläßlich eines Arbeitnehmerjubiläums" bedeute, daß das Jubiläum Anlaß für die Zuwendung gewesen sein müsse. Ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Zahlung und dem Jubiläum könne mit Rücksicht auf das Wort "anläßlich" nicht gefordert werden.

Mit der Revision rügt das FA die unzutreffende Auslegung und Anwendung des § 5 Abs. 1 LStDV. Es trägt vor, dem Wort "anläßlich" in dieser Bestimmung wohne ein Zeitmoment inne. Deshalb sei eine Zahlung nur dann als Jubiläumsgeschenk lohnsteuerfrei, wenn sie in einem nahen zeitlichen Zusammenhang zu dem Jubiläum stehe. Die Absicht, den Jubilar wegen seiner Betriebstreue zu ehren, trete bei größerem zeitlichen Auseinanderfallen von Jubiläum und Zahlung in den Hintergrund gegenüber dem Vorhaben, dem Arbeitnehmer zusätzlich Arbeitslohn zu gewähren. Im Streitfall liege auch kein Fall vor, der es nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ausnahmsweise gestatte, bei einer nachträglich eingeführten Gratifikationsregelung wenige Arbeitnehmer noch in die Begünstigung einzubeziehen.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin hält die Revision für unbegründet.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist nicht begründet.

Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 LStDV gehören Jubiläumsgeschenke der Arbeitgeber an ihre in einem gegenwärtigen Dienstverhältnis stehenden Arbeitnehmer nicht zum steuerpflichtigen Arbeitslohn, wenn sie "anläßlich" - u. a. - des 10jährigen Arbeitnehmerjubiläums gewährt werden, 600 DM je Arbeitnehmer nicht übersteigen und die übrigen Voraussetzungen für die Steuerfreiheit gegeben sind. Die im Streitfall den 40 Altjubilaren gezahlten Beträge sind "anläßlich" ihres 10jährigen Arbeitnehmerjubiläums gewährt worden, auch wenn die Jubiläen im Zeitpunkt der Zuwendung mehr als drei Monate zurücklagen.

Allerdings hat die ständige Rechtsprechung des BFH den Begriff "anläßlich" in § 5 Abs. 1 LStDV so verstanden, daß die Zuwendung in einem zeitlichen Zusammenhang mit dem Jubiläum stehen müsse. Dieser Zusammenhang ist nach dieser Rechtsprechung grundsätzlich nur gewahrt, wenn das Geschenk innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten vor bis zu drei Monaten nach dem Jubiläum oder anläßlich einer Betriebsfeier zur Ehrung aller Jubilare innerhalb von 12 Monaten nach dem Jubiläum gegeben wird (vgl. BFH-Urteil vom 17. September 1974 VI R 71/72, BFHE 113, 376, BStBl II 1975, 49). Bei Vorliegen besonderer Umstände konnten aber auch schon bisher spätere Jubiläumszuwendungen steuerfrei sein (vgl. BFH-Urteil vom 17. November 1978 VI R 139/77, BFHE 126, 239, BStBl II 1979, 60; ferner BFHE 113, 376, BStBl II 1975, 49). Die Finanzverwaltung legt den Begriff "anläßlich" ebenfalls in dem vorstehenden Sinn aus (vgl. Abschn. 10 a Abs. 1 der Lohnsteuer-Richtlinien - LStR - 1972, Abschn. 16 Abs. 1 LStR 1981).

Der Senat teilt nunmehr die Auffassung des FG Düsseldorf (Urteil vom 28. März 1979 VIII 25/76 L, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1979, 398) sowie des Schrifttums (vgl. Offerhaus, Betriebs-Berater - BB - 1981, 725; Schlücking, Neue Wirtschafts-Briefe - NWB -, Fach 6, S. 2273, 2275 - Jubiläumszuwendungen), nach der der Begriff "anläßlich" in § 5 Abs. 1 LStDV in erster Linie einen sachlichen Zusammenhang des Geschenks mit dem Jubiläum fordert. Der Wortlaut "anläßlich" bringt nämlich vor allem zum Ausdruck, daß das Jubiläum der "Anlaß" für das Geschenk gewesen, daß das Geschenk also "mit Rücksicht auf" das Jubiläum gewährt sein muß. Der zeitliche Zusammenhang zwischen der Hingabe des Geschenks und dem Jubiläum veranschaulicht lediglich den sachlichen Zusammenhang zwischen beiden Ereignissen. Er ist aber keine zwingende Voraussetzung, sondern - wie auch die Vorinstanz zutreffend darlegt - ein Beweisanzeichen für den sachlichen Zusammenhang (ebenso, wenn auch bezüglich einer anderen Rechtsfrage: BFH-Urteil vom 8. Februar 1983 VIII R 130/79, BFHE 138, 195, BStBl II 1983, 554, drittletzter Absatz).

Diese Interpretation führt nicht zu einer grundsätzlichen Abkehr von der bisherigen in der Rechtsprechung sowie von der Finanzverwaltung vertretenen Auffassung. Denn schon bisher haben der BFH den zeitlichen Zusammenhang nur "grundsätzlich", die Finanzverwaltung in den LStR nur "im allgemeinen" gefordert. Nach der BFH-Rechtsprechung kam es auf den zeitlichen Zusammenhang nicht an, wenn der sachliche Zusammenhang auf andere Weise eindeutig feststand, z. B. wenn in Großbetrieben das Jubiläum eines Arbeitnehmers zunächst übersehen worden war oder wenn der Arbeitgeber die Jubiläumszuwendungen erst nachträglich aufgrund eines arbeitsgerichtlichen Urteils zahlte (vgl. Urteil vom 23. April 1965 VI 139/64 U, BFHE 82, 591, BStBl III 1965, 460). Es kommt hinzu, daß auch die Finanzverwaltung gerade in jüngster Zeit die Auffassung vertreten hat, "eine starre Anwendung" der Zeitgrenze von drei Monaten sei abzulehnen (vgl. Erlaß des Finanzministers von Nordrhein-Westfalen vom 28. Juli 1981, Finanz-Rundschau - FR - 1981, 411), weshalb nachgezahlte Beträge aufgrund der Erhöhung von Jubiläumszuwendungen im öffentlichen Dienst auch lohnsteuerfrei seien, wenn die Dreimonatsfrist überschritten sei.

Das nunmehrige Verständnis des Begriffs "anläßlich" vermeidet im übrigen die systematischen und praktischen Schwierigkeiten, die sich bezüglich der steuerlichen Begünstigung von Zuwendungen an Altjubilare, die in eine neue Jubiläumsregelung einbezogen wurden, ergeben hatten. Die Rechtsprechung des BFH hatte insoweit nämlich nur die Steuerfreiheit bejaht, wenn es sich bei den in die Neuregelung einbezogenen Altjubilaren um "eine kleine Gruppe" von Arbeitnehmern oder um "einige wenige" Arbeitnehmer gehandelt hatte (BFHE 82, 591, BStBl III 1965, 460; BFHE 113, 376, BStBl II 1975, 49). Es werden nunmehr Zuwendungen an Altjubilare, unabhängig von ihrer Zahl, jeweils danach beurteilt, ob sie in sachlichem Zusammenhang mit ihrem Arbeitnehmerjubiläum stehen.

Das FG konnte im Rahmen seiner Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse den - erforderlichen - sachlichen Zusammenhang zwischen der Zuwendung an die Altjubilare und deren Jubiläum bejahen. Die Betriebsvereinbarung, nach der alle Arbeitnehmer eine Jubiläumszuwendung erhalten sollten, wenn sie 10 Jahre dem Betrieb angehört haben, stellt sicher, daß ihnen allen dieses Geschenk mit Rücksicht auf ihre 10jährige Betriebszugehörigkeit gewährt worden ist. Eine willkürliche Manipulation mit dem Ziel, einzelnen Arbeitnehmern (insbesondere den Altjubilaren) normalen Arbeitslohn steuerfrei zu gewähren, scheidet trotz des fehlenden zeitlichen Zusammenhangs aus. Denn auch die Altjubilare erhielten die Zuwendung nur im Hinblick auf ihre 10jährige Betriebstreue und nicht als Entgelt für die übliche Tätigkeit. Aus dem gesamten Zusammenhang ist im übrigen nicht erkennbar, daß die Jubiläumsgeldzusage im wesentlichen den Grund hatte, älteren verdienten Arbeitnehmern zusätzlichen Arbeitslohn steuerfrei zukommen zu lassen. Dagegen spricht allein schon die Tatsache, daß sich die Klägerin aufgrund der Betriebsvereinbarung auch dazu verpflichtete, allen Arbeitnehmern, die künftig ein 10jähriges Arbeitnehmerjubiläum begehen würden, dieselbe Zuwendung zu gewähren.