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BFH-Urteil vom 13.1.1984 (VI R 194/80) BStBl. 1984 II S. 315

Werbegeschenke eines Arbeitnehmers an die Kunden seines Arbeitgebers sind - soweit sie bei ihm zu den Werbungskosten i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG gehören - steuerrechtlich ohne die Einschränkungen des § 4 Abs. 5 Nr. 1 EStG abziehbar.

EStG 1975 § 4 Abs. 5 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Satz 1.

Vorinstanz: FG Berlin

Sachverhalt

Die Prozeßbeteiligten streiten darüber, ob der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) im Streitjahr 1975 Aufwendungen für Geschenke an Kunden seiner Arbeitgeberin nach § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes 1975 (EStG) als Werbungskosten absetzen darf oder ob ihm diese Möglichkeit infolge einer analogen Anwendung des § 4 Abs. 5 Nr. 1 EStG verwehrt ist.

Der Kläger ist Verkaufsdirektor eines Unternehmens und bezieht als solcher Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Zu seinen Aufgaben gehört die Führung und Überwachung der teils selbständig, teils unselbständig im Außendienst tätigen Mitarbeiter seiner Arbeitgeberin. Darüber hinaus obliegt es ihm, Verhandlungen mit wichtigen Kunden selbst zu führen. Er erhält neben einem geringen Fixum in größerem Umfange erfolgsabhängige Bezüge. Als Werbungskosten machte er u.a. Aufwendungen geltend, die auf Kundengeschenke entfielen. Der Einzelwert dieser Geschenke überstieg zwar selten den Betrag von 50 DM. In ihrer Art waren sie jedoch nicht geeignet, als Werbeträger zu dienen. Es handelte sich hierbei insbesondere um Schmuckstücke und ähnliche Dinge. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte deshalb diese Aufwendungen im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung nicht und berief sich auf eine entsprechende Anwendung des § 4 Abs. 5 Nr. 1 EStG.

Mit seiner Klage hatte der Kläger Erfolg. Das Finanzgericht - FG - (vgl. Urteil vom 15. November 1979 IV 549/78, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1980, 281) erkannte den Abzug der Geschenkaufwendungen als Werbungskosten an. Es hielt eine analoge Anwendung des § 4 Abs. 5 Nr. 1 EStG nicht für zulässig. Das in dieser Vorschrift enthaltene Verbot, bestimmte Aufwendungen für Geschenke als Betriebsausgaben abzusetzen, gelte nicht für Arbeitnehmer, bei denen die für Betriebsausgaben geltenden Vorschriften trotz mancher Übereinstimmungen nicht angewandt werden könnten.

Mit seiner Revision rügt das FA die Nichtanwendung des § 4 Abs. 5 Nr. 1 EStG. Es trägt vor: Das FG habe zu Unrecht eine analoge Anwendung des § 4 Abs. 5 Nr. 1 EStG abgelehnt, die sich im Streitfall geradezu aufdränge. Denn die Tätigkeit des Klägers sei mit der eines selbständigen Handelsvertreters weitgehend vergleichbar. Das ergebe sich schon daraus, daß er ein relativ geringes Festgehalt und darüber hinaus in weit größerem Umfange erfolgsabhängige Bezüge erhalte, die von der Arbeitgeberin so bemessen seien, daß davon entsprechend den Usancen der Branche zu machende Aufwendungen zur Erzielung eines höheren Umsatzes (Geschenke an Kunden) getätigt werden könnten. Er erhalte diese hohen Bezüge von seiner Arbeitgeberin offensichtlich in der Erwartung, daß er sie für eine progressive Umsatzentwicklung nutze. Würde die Arbeitgeberin des Klägers die streitigen Aufwendungen selbst getätigt haben, so könne sie diese nach § 4 Abs. 5 Nr. 1 EStG nicht von ihrem Gewinn absetzen. Es sei nicht einzusehen, warum im Falle des Klägers etwas anderes gelten solle. Insoweit dränge sich ein Vergleich mit der Vorschrift des § 3 Nr. 50 EStG auf, nach der die Beträge steuerfrei seien, die der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber erhalte, um sie für ihn - den Arbeitgeber - auszugeben. Dabei sei es gleichgültig, ob der Arbeitnehmer im eigenen oder fremden Namen handle (durchlaufende Gelder), bzw. die geleisteten Beträge dazu dienten, die Auslagen des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber zu ersetzen (Auslagenersatz). Würden daher die streitigen Aufwendungen dem Kläger in Form durchlaufender Gelder oder als Auslagenersatz nach § 3 Nr. 50 EStG gewährt, so stellten sie bei der Arbeitgeberin zwar Betriebsausgaben dar, nur unterlägen sie der Beschränkung des § 4 Abs. 5 Nr. 1 EStG. Durch die Abwälzung der Kosten auf den Kläger erführen diese Aufwendungen eine Qualifikation als Werbungskosten, für die das Gesetz die Beschränkung des § 4 Abs. 5 Nr. 1 EStG nicht vorsehe. Das könne indes nicht hingenommen werden, wolle man nicht Steuerumgehungen Tür und Tor öffnen. Durch bloße Verlagerung der Kosten vom Arbeitgeber auf den Arbeitnehmer werde eine Umgehung des Abzugsverbots des § 4 Abs. 5 Nr. 1 EStG erreicht. Angesichts der im Steuerrecht gebotenen Gleichbehandlung gleichartiger Sachverhalte könne daher nicht hingenommen werden, daß es von dem im Einzelfall mehr oder weniger zufälligen Ergebnis, ob es sich nun um Betriebsausgaben oder Werbungskosten handle, abhänge, ob die Beschränkung des § 4 Abs. 5 Nr. 1 EStG eingreife oder nicht.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet.

Zutreffend gehen die Beteiligten davon aus, daß es sich bei den Aufwendungen des Klägers für die Kundengeschenke um Werbungskosten i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG handelt, nämlich um beruflich veranlaßte Aufwendungen des Klägers im Rahmen seiner Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Denn der Kläger hat sie ausschließlich zu dem Zweck getätigt, die Umsätze seiner Arbeitgeberin und damit seine erfolgsabhängigen Einkünfte zu steigern.

Entgegen der Ansicht des FA kann der vom Kläger begehrte Abzug dieser Werbungskosten nicht in analoger Anwendung des Abzugsverbots des § 4 Abs. 5 Nr. 1 EStG versagt werden.

Diese Vorschrift legt fest, daß Aufwendungen für Geschenke an Personen, die nicht Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen sind, bis auf die in der Vorschrift selbst genannten Ausnahmen nicht als Betriebsausgaben den Gewinn mindern dürfen. Betriebsausgaben sind nach § 4 Abs. 4 EStG Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlaßt sind. Im Hinblick auf diese gesetzliche Begriffsbestimmung hat der Bundesfinanzhof (BFH) wiederholt ausgesprochen, daß zu den Werbungskosten über den Wortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG hinaus nicht nur Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen, sondern überhaupt alle Aufwendungen gehören, die durch den Beruf veranlaßt sind (Beschluß vom 28. November 1977 GrS 2-3/77, BFHE 124, 43, BStBl II 1978, 105; Urteil vom 20. November 1979 VI R 25/78, BFHE 129, 149, BStBl II 1980, 75). Der erkennende Senat hat hieraus gefolgert, daß der Begriff der Werbungskosten insofern deckungsgleich mit dem Begriff der Betriebsausgaben des § 4 Abs. 4 EStG ist (BFHE 129, 149, BStBl II 1980, 75; Urteil vom 21. März 1975 VI R 131/73, BFHE 115, 469, BStBl II 1975, 641). Eine berufliche bzw. betriebliche Veranlassung ist bei Werbungskosten im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bzw. bei Betriebsausgaben stets dann anzunehmen, wenn objektiv ein Zusammenhang mit dem Beruf oder Betrieb besteht und subjektiv die Aufwendungen zur Förderung des Berufs bzw. des Betriebs gemacht werden (vgl. BFHE 129, 149, BStBl II 1980, 75).

Die insoweit bestehende "Deckungsgleichheit" des Betriebsausgabenbegriffs mit dem der Werbungskosten kann jedoch nicht dazu führen, nunmehr auch die ihrem Wortlaut nach nur für Betriebsausgaben geltende Vorschrift des § 4 Abs. 5 Nr. 1 EStG zur Begrenzung des Werbungskostenabzugs i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG heranzuziehen (anderer Ansicht FG Münster, Urteil vom 24. Januar 1980 VII 2038/78 E, EFG 1980, 327).

Nach dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit oder Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung ist die Heranziehung zu einer Steuer nur zulässig, sofern und soweit dies durch Gesetz angeordnet ist, sofern also ein gesetzlicher Tatbestand erfüllt ist, an den als Rechtsfolge eine Steuer geknüpft ist (vgl. Tipke, Steuerrecht, 9. Aufl., S. 41). Dementsprechend können Aufwendungen, die ihrer Natur nach als Werbungskosten abziehbar sind, zur Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit vom Abzug grundsätzlich nur ausgeschlossen werden, wenn das Gesetz dies ausdrücklich angeordnet hat. Anders als bei den Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 5 Nr. 1 EStG) enthält das Gesetz jedoch hinsichtlich der Werbungskosten keine den Abzug von Geschenken ganz oder teilweise ausschließende Norm.

Soweit das EStG allerdings Regelungslücken aufweist, die als planwidrige Unvollkommenheit des Gesetzes anzusehen sind (vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl., 1983 S. 359, m.w.N.), ist die Rechtsprechung nach dem Urteil des BFH vom 20. Oktober 1983 IV R 175/79 (BFHE 139, 561) unter gewissen Voraussetzungen zur Lückenausfüllung berechtigt, selbst wenn sich dies zu Lasten des Steuerpflichtigen, also steuerverschärfend, auswirkt (vgl. dazu auch Woerner, Die Steuerrechtsprechung zwischen Gesetzeskonkretisierung, Gesetzesfortbildung und Gesetzeskorrektur in Tipke, Grenzen der Rechtsfortbildung durch Rechtsprechung und Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht, Köln 1982 S. 23 ff., insbesondere S. 35 ff.).

Der Senat kann offenlassen, ob er der vorstehenden Rechtsauffassung des IV. Senats zu folgen vermöchte; denn im Streitfall ist eine dem Gesamtplan des EStG widersprechende Unvollkommenheit nicht darin zu erblicken, daß das Gesetz für den Bereich der Werbungskosten kein dem § 4 Abs. 5 Nr. 1 EStG entsprechendes Abzugsverbot enthält. Ein solcher Gesamtplan ergibt sich insbesondere nicht aus dem allgemeinen Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG, wonach weder von den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte Aufwendungen für die Lebensführung abgezogen werden dürfen, die die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, auch wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen. Denn die Vorschrift des § 4 Abs. 5 Nr. 1 EStG setzt das Vorhandensein von Betriebsausgaben, also den betrieblichen Anlaß für die Hingabe der Geschenke, gerade voraus. Sind aber Betriebsausgaben gegeben, so kann es sich nicht um Aufwendungen i.S. des § 12 Nr. 1 EStG handeln, da beide Normen sich gegenseitig ausschließen.

Der Gesetzgeber wollte mit § 4 Abs. 5 Nr. 1 EStG kein Gesamtkonzept verwirklichen, sondern nur eine Einzelfrage speziell für den Bereich der Betriebsausgaben regeln. Er wollte durch das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Nr. 1 EStG den Mißbrauch bei dieser Art von Betriebsausgaben verhindern, der deshalb leicht entstehen kann, weil Aufwendungen für betrieblich veranlaßte Geschenke auch den privaten Bereich des Schenkers in starkem Maße berühren können (vgl. auch Blümich/Falk/Uelner/Haas, Einkommensteuergesetz, 11. Aufl., § 4 Anm. VII 3 S. 78 b). Diese Regelung traf der Gesetzgeber offensichtlich nur deshalb bei Betriebsausgaben und nicht auch bei Werbungskosten, weil Geschenke im betrieblichen Bereich der Festigung oder Steigerung des Umsatzes dienen können, während Geschenke an Dritte als Werbungskosten nur selten in Betracht kommen, weil sie in der Regel auf die Erzielung von Einnahmen im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, aus Kapitalvermögen, aus Vermietung und Verpachtung oder im Rahmen der sonstigen Einkünfte i.S. des § 22 EStG keinen Einfluß haben. Der Umstand, daß - wie der Streitfall zeigt - auch Ausnahmen vorliegen können, läßt noch nicht den Schluß zu, daß eine von der Rechtsprechung zu schließende Regelungslücke im Gesamtplan des Gesetzgebers vorliegt.

Die Rechtsauffassung des Senats wird auch dadurch bestätigt, daß der Gesetzgeber umgekehrt Einschränkungen der Abziehbarkeit von Werbungskosten im Rahmen des § 9 Abs. 1 Nrn. 4 und 5 EStG nicht ohne weiteres als auf den Bereich der Betriebsausgaben übertragbar angesehen hat. Denn sonst hätte er nicht in § 4 Abs. 5 EStG 1965 hinter Satz 2 durch Art. 1 Nr. 1 des Steueränderungsgesetzes 1966 - StÄndG 1966 - (BGBl I 1966, 702, BStBl I 1967, 2) den die entsprechende Geltung des § 9 Abs. 1 Nrn. 4 und 5 und Abs. 2 anordnenden Satz 3 eingefügt (vgl. jetzt § 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG 1983). Zu dieser Gleichstellung bedurfte es eines Tätigwerdens des Gesetzgebers (vgl. BFH-Urteil vom 31. Mai 1978 I R 69/76, BFHE 125, 381, BStBl II 1978, 564, mit Hinweis auf den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 2. Oktober 1969 1 BvL 12/68, BVerfGE 27, 58, BStBl II 1970, 140, Abschn. C II 3 c). Der erkennende Senat sieht daher keine Möglichkeit, nunmehr umgekehrt Beschränkungen, die für Betriebsausgaben gelten, ohne eine entsprechende gesetzliche Regelung auf Werbungskosten i.S. des § 9 EStG zu übertragen.

Es kann im Streitfall dahingestellt bleiben, wie zu entscheiden wäre, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer, hier also dem Kläger, die verauslagten Kosten für Werbegeschenke ersetzt hätte. Denn ein solcher Sachverhalt ist nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der Senat gebunden ist (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), hier nicht gegeben. Die Arbeitgeberin des Klägers hat diesem vielmehr nur das bereits vereinbarte höhere Erfolgshonorar gezahlt, das sich u.U. auch aufgrund der Verausgabung der Werbegeschenke durch den Kläger ergeben haben mag. Das ist aber nicht mit der vom FA unter Hinweis auf § 3 Nr. 50 EStG genannten Zahlung von durchlaufenden Geldern oder von Auslagenersatz vergleichbar. Denn das Erfolgshonorar stand dem Kläger zu, gleichviel, ob er es durch erhöhte Werbeaufwendungen oder auf andere Weise erzielt hat. Der erfolgsabhängige Arbeitslohn, so hoch er im Verhältnis zu dem festen Arbeitslohn des Klägers auch sein mag, enthält weder Beträge, die der Kläger als Arbeitnehmer von seiner Arbeitgeberin erhalten hat, um sie für diese auszugeben, noch solche, durch die ihm Auslagen für den Arbeitgeber ersetzt worden sind.