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BFH-Urteil vom 16.3.1984 (VI R 174/80) BStBl. 1984 II S. 433

Aufwendungen, die einem Arbeitnehmer zur Bewirtung von Kunden seines Arbeitgebers entstehen, sind - soweit sie bei ihm zu den Werbungskosten i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG gehören - steuerrechtlich ohne die sich aus § 4 Abs. 5 Nr. 2 Satz 2 EStG ergebenden Einschränkungen abziehbar (Anschluß an BFH-Urteil vom 13. Januar 1984 VI R 194/80, BFHE 140, 440, BStBl II 1984, 315).

EStG 1975 § 4 Abs. 5 Nr. 2 Satz 2.

Vorinstanz: FG Bremen

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war in den Streitjahren als Vertriebsbeauftragter im kaufmännischen Außendienst für eine Niederlassung der X GmbH tätig und bezog Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. In seinen Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre machte er bei diesen Einkünften als Werbungskosten u. a. Repräsentationskosten in Höhe von 5.541 DM (1975) und 5.820 DM (1976) geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erkannte diese Aufwendungen nur teilweise als Werbungskosten an, weil die Belegführung nicht den gesetzlichen Erfordernissen entsprochen habe. So fehlten teilweise Datum, Angaben über den Anlaß der Bewirtung, Bezeichnung der bewirteten Personen nach ihrer Funktion (Kollegen, Geschäftsfreunde usw.) und auf den Kassenbons auch die Warenbezeichnung. Einen Teil der Repräsentationsaufwendungen behandelte das FA als Kosten der privaten Lebensführung, weil sie auf Sylt entstanden seien, wo der Kläger eine Eigentumswohnung hatte.

Die Klage hatte nur zu einem geringen Teil Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ging davon aus, daß die Vorschrift des § 4 Abs. 5 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes 1975 (EStG) auch auf Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit angewendet werden müsse. Verzichten könne man in diesen Fällen wohl nur auf die Verwendung des amtlich vorgeschriebenen Vordrucks. Der Kläger habe den Mangel der Belegführung auch nicht dadurch heilen können, daß er im Einspruchsverfahren eine Liste mit den fehlenden Angaben vorgelegt habe. Dies ergebe sich aus allgemeinen Buchführungs- und Aufzeichnungsgrundsätzen, die eine zeitnahe Aufzeichnung des Geschäftsvorfalls voraussetzten. Was die Aufwendungen des Klägers auf Sylt angehe, so habe deren Abziehbarkeit nicht deshalb versagt werden dürfen, weil der Kläger dort eine Eigentumswohnung habe. ... Die meisten der auf Sylt ausgestellten Belege enthielten jedoch ebenfalls keine Angaben über den Anlaß der Bewirtung, so daß die entsprechenden Kosten aus diesem Grunde vom Abzug ausgeschlossen seien.

Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der dieser Verletzung materiellen Rechts rügt. Er macht geltend, das FG habe § 4 Abs. 5 Nr. 2 EStG zu Unrecht auf die hier streitigen Werbungskosten angewandt, weil diese Vorschrift nur für Betriebsausgaben gelte. Es handele sich um eine steuerbegründende Vorschrift, die eng auszulegen sei. Eine analoge Anwendung des § 4 Abs. 5 Nr. 2 EStG komme nicht in Betracht, weil eine Analogie hier steuerverschärfend zuungunsten des Steuerpflichtigen wirken würde. Auch die Ansicht des FG, daß nur durch Aufzeichnungen, wie sie in § 4 Abs. 5 Nr. 2 EStG vorgeschrieben seien, Werbungskosten glaubhaft gemacht werden könnten, habe keine gesetzliche Grundlage. Er, der Kläger, sei weder buchführungs- noch aufzeichnungspflichtig. In solchen Fällen müsse es genügen, wenn die Werbungskosten in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem FG glaubhaft gemacht würden.

Der Kläger beantragt, das Urteil des FG dahin abzuändern, daß an weiteren Werbungskosten für Bewirtungsaufwendungen für 1975 2.072 DM und für 1976 2.186 DM anerkannt werden.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Zu Unrecht hat das FG den Abzug der Bewirtungsaufwendungen deshalb versagt, weil die vom Kläger vorgelegten Belege nicht die in § 4 Abs. 5 Nr. 2 EStG vorgeschriebenen Angaben enthielten.

Die Vorschrift des § 4 Abs. 5 Nr. 2 Satz 2 EStG, um die es hier geht, ist auf Werbungskosten nicht anwendbar. Dies gilt auch dann, wenn man - wie der IV. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) im Urteil vom 20. Oktober 1983 IV R 175/79 (BFHE 139, 561, BStBl II 1984, 221) - die Rechtsprechung für berechtigt hielte, Regelungslücken, die als planwidrige Unvollkommenheit des Gesetzes anzusehen sind, zu schließen, auch wenn sich dies zu Lasten des Steuerpflichtigen auswirkt. Denn eine dem Gesamtplan des EStG widersprechende Unvollkommenheit liegt hier nicht vor. Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 13. Januar 1984 VI R 194/80 (BFHE 140, 440, BStBl II 1984, 315) eine Einschränkung der Abziehbarkeit von Werbungskosten in entsprechender Anwendung des für Werbegeschenke geltenden § 4 Abs. 5 Nr. 1 EStG abgelehnt. Nichts anderes gilt für § 4 Abs. 5 Nr. 2 Satz 2 EStG. Denn auch insoweit trifft das Gesetz ausdrücklich nur die Bezieher von Gewinneinkünften und nicht die von Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit (vgl. auch Verfügung der Oberfinanzdirektion - OFD - Köln vom 11. Juni 1980 - S 2354 - 17 - St 121, Der Betrieb - DB - 1980, 1521). Die Ausführungen im Urteil VI R 194/80 (BFHE 140, 440, BStBl II 1984, 315) gelten deshalb hier entsprechend; zur weiteren Begründung wird auf sie Bezug genommen.

Daß es sich bei der in § 4 Abs. 5 Nr. 2 Satz 2 EStG für Bewirtungsaufwendungen vorgeschriebenen besonderen Belegführung nicht um einen allgemeinen Grundgedanken des Einkommensteuerrechts handelt, läßt sich auch aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift belegen. So hat die Bundesregierung das zunächst in § 17 Abs. 2 des Regierungsentwurfs eines Dritten Steuerreformgesetzes (BT-Drucks. 7/1470, 221) vorgesehene vollständige Abzugsverbot für Bewirtungsaufwendungen ausdrücklich mit der Beseitigung von Mißbräuchen (gegenseitige Bewirtungen, luxuriöse Aufwendungen, Tarnung von privatem Aufwand) im Bereich der Betriebsausgaben begründet. Der Zweck, Mißbräuche beim Betriebsausgabenabzug von Bewirtungsaufwendungen einzudämmen, führte schließlich auch zu der vorliegenden Fassung des Gesetzes, die auf einem Vorschlag des Finanzausschusses beruht (vgl. zur Entstehungsgeschichte auch Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 4 EStG 1975, grüne Blätter, Erläuterungen zu Abs. 5 Nr. 2). Es waren dieselben Gründe, die zur Einschränkung der steuerlichen Abziehbarkeit von Geschenken geführt haben (vgl. BT-Drucks. 7/1470, 221).

Auch aus allgemeinen Buchführungs- und Aufzeichnungsgrundsätzen (§ 146 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -, § 162 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung - AO -) läßt sich eine zeitnahe Belegführung der in § 4 Abs. 5 Nr. 2 EStG bezeichneten Art nicht herleiten. Dies folgt schon daraus, daß der Kläger als Bezieher von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit weder aufzeichnungs- noch buchführungspflichtig ist.

Der Nachweis für die Abziehbarkeit von Bewirtungsaufwendungen als Werbungskosten richtet sich vielmehr nach allgemeinen Grundsätzen. Den Steuerpflichtigen trifft aber die objektive Beweislast (Feststellungslast) für die Tatsachen, die den Abzug der Werbungskosten dem Grunde und der Höhe nach rechtfertigen (vgl. auch BFH-Urteil vom 20. Januar 1978 VI R 193/74, BFHE 124, 508, BStBl II 1978, 338).

Die Vorentscheidung, die von einer anderen Rechtsauffassung ausgeht, ist aufzuheben. Die Sache ist an das FG zurückzuverweisen, da sie nicht entscheidungsreif ist (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).