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BFH-Urteil vom 15.11.1983 (VII R 29/83) BStBl. 1984 II S. 463

Die Mitwirkung eines Rechtsbeistands, dem die Erlaubnis zur außergerichtlichen Einziehung von (auch abgetretenen) Forderungen erteilt ist, bei der Abtretung von Steuererstattungsansprüchen ist keine Hilfeleistung in Steuersachen i. S. des § 1 StBerG.

AO 1977 § 46; StBerG § 1 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 3, §§ 3, 4, 5, 7; RBerG Art. 1 § 1 Abs. 1 Nr. 4, § 4 Abs. 1 Nr. 1.

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Rechtsbeistand. Er besitzt die Erlaubnis zur geschäftsmäßigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten, und zwar für die außergerichtliche Einziehung von Forderungen sowie für die gerichtliche Geltendmachung von Forderungen im Rahmen des Mahn- und Zwangsvollstreckungsverfahrens sowohl im eigenen wie im fremden Namen, auch soweit Forderungen zu Einziehungszwecken abgetreten sind. Im Rahmen von Forderungseinziehungen hauptsächlich für Versicherungsgesellschaften traf der Kläger mit mehreren Schuldnern Ratenzahlungsvereinbarungen. Dabei unterschrieben die Schuldner an den Kläger gerichtete Erklärungen mit zumeist folgendem Passus:

"... und wir treten schon jetzt an den umseitigen Gläubiger zur Sicherung dieser Forderung unwiderruflich ab:

... die Steuererstattungsansprüche für 1978-1986 gegenüber unseren Finanzämtern. Gleichzeitig bevollmächtigen wir Sie hiermit unwiderruflich, in unserem Namen entsprechend § 46 AO dem zuständigen Finanzamt diese Abtretung anzuzeigen und unsere möglichen Erstattungsansprüche geltend zu machen...."

Unter Bezugnahme auf diese Erklärungen der Schuldner zeigte der Kläger in den Jahren 1979, 1980 und 1981 in mehreren Fällen gegenüber verschiedenen Finanzämtern die Abtretung von Steuererstattungsansprüchen an. Als Formular für die Abtretungsanzeigen verwendete er regelmäßig Privatdrucke, die dem amtlichen Vordruck nachgebildet waren und die entsprechend den geschäftsmäßigen Bedürfnissen, teilweise abweichend vom amtlichen Muster, ausgefüllt worden waren. Dabei unterschrieb er diese Abtretungsanzeigen sowohl für die Abtretenden als auch für die Abtretungsempfänger, wobei er vielfach nur eine Unterschrift unter das Formular setzte.

Mit Verfügung vom 11. Mai 1981 untersagte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -FA-) dem Kläger, bei der Einziehung von Steuererstattungsansprüchen mitzuwirken, und drohte für jeden Fall der Nichtbefolgung ein Zwangsgeld in Höhe von 500 DM an. Das FA stützte seine Verfügung im wesentlichen auf § 1 Abs. 2 Nr. 3 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) i. V. m. Art. 1 § 4 Abs. 2 des Rechtsberatungsgesetzes (RBerG).

Nach erfolgloser Beschwerde (Entscheidung der beigetretenen Oberfinanzdirektion - OFD - vom 18. August 1981) hob das Finanzgericht (FG) auf die Klage des Klägers die Untersagungsverfügung und die Beschwerdeentscheidung auf. Den Streitwert setzte es auf 4.000 DM fest.

In den Gründen führte es aus, daß die Erstellung von Abtretungsanzeigen und deren Vorlage nach § 46 der Abgabenordnung (AO 1977) schon begrifflich nicht zur Einziehung von Steuererstattungs- oder Vergütungsansprüchen i. S. von § 1 Abs. 2 Nr. 3 StBerG gehörten. Es handele sich dabei allenfalls um vorbereitende Maßnahmen für die Einziehung von Forderungen, die von dem Verbot des § 5 StBerG noch nicht erfaßt würden und daher auch nicht gemäß § 7 StBerG untersagt werden dürften. - Die Erstellung von Abtretungsanzeigen und deren Vorlage nach § 46 AO 1977 falle nicht unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 StBerG. Steuerangelegenheiten im Sinne dieser Vorschrift seien nur dann gegeben, wenn es sich um Bereiche handele, die etwa im Interesse des Steueraufkommens, der Steuermoral, der Steuerrechtspflege allgemein oder zum Schutz gesetzesunkundiger Steuerpflichtiger vor Falschberatungen vom Gesetz für besonders schützenswert erachtet würden (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 18. Juni 1980 1 BvR 697/77, BStBl II 1980, 706, 710). Der Schutzgedanke könne nur so verstanden werden, daß die Steuerpflichtigen im wesentlichen vor falscher Anwendung der in § 1 Abs. 1 StBerG genannten Steuergesetze aufgrund von unrichtigen Beratungen geschützt werden sollten, nicht jedoch vor dem Verlust von Steuererstattungsansprüchen aufgrund der Anwendung des § 46 AO 1977. Inwieweit bei Abtretungen und deren Anzeige ein Schutz des Steuerpflichtigen stattfinden solle, sei in § 46 AO 1977 in Form von Schuldnerschutzvorschriften mitgeregelt worden. Ein Mitwirkungsprivileg bei diesen Abtretungen für steuerberatende Berufe sehe diese Vorschrift nicht vor und könne auch nicht über das StBerG konstruiert werden. - Die Tätigkeit des Klägers werde auch nicht dadurch zu einer Hilfeleistung in Steuersachen, daß er sie vielfach wiederholt habe. Der Begriff "Hilfeleistung in Steuersachen" setze zunächst voraus, daß es sich überhaupt um eine Steuersache handele. - Die Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung lasse sich schließlich nicht daraus ableiten, daß die vom Kläger den FÄ vorgelegten Abtretungserklärungen von verschiedenen FG als rechtsfehlerhaft angesehen würden.

Das FG ließ die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu.

Mit seiner Revision rügt das FA unrichtige Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 3 StBerG. Es führt aus, die Tätigkeiten des Klägers aufgrund von Art. 1 § 1 RBerG griffen in Bereiche über, die unter die durch das StBerG geregelte Hilfeleistung in Steuersachen fielen. Als eine unter das Verbot fallende Hilfeleistung in Steuersachen sei gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 3 StBerG auch die Hilfeleistung bei der Einziehung der Steuererstattungsansprüche anzusehen. Darunter falle die Erstellung von Abtretungsanzeigen und deren Vorlage beim FA gemäß § 46 AO 1977. Hier gehe die Mitwirkung über die Erstellung von Abtretungsanzeigen hinaus. - Widersprochen werde auch der Auffassung des FG, die Erstellung von Abtretungsanzeigen und deren Vorlage nach § 46 AO 1977 falle nicht unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 StBerG. Die Abtretungsanzeigen beträfen Einkommen- oder Lohnsteuererstattungsansprüche und somit Steuergesetze. Darüber hinaus würden § 46 und § 80 AO 1977 berührt.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen. Der Kläger hat keinen Antrag gestellt und keine Erklärung abgegeben.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Das FG hat die Beschwerdeentscheidung der OFD sowie die Untersagungsverfügung und die Zwangsgeldandrohung des FA zu Recht aufgehoben. Der Kläger hat durch die von ihm bei der Abtretung der Erstattungsansprüche und bei der Anzeige der Abtretung an die FÄ ausgeübten Tätigkeiten keine unerlaubte Hilfe in Steuersachen geleistet.

1. Gegenstand der finanzgerichtlichen Entscheidung war die Rechtmäßigkeit der Verfügung des FA, durch welche dem Kläger untersagt worden war, bei der Erstellung von Abtretungsanzeigen und deren Vorlage (als Bevollmächtigter des Abtretenden und des Abtretungsempfängers) mitzuwirken, sowie die Androhung eines Zwangsgeldes für den Fall der Nichtbefolgung. Das FA sah in den Tätigkeiten des Klägers eine Hilfeleistung bei der Einziehung von Steuererstattungsansprüchen (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 StBerG i. V. m. Art. 1 § 4 Abs. 2 RBerG).

Der Kläger hatte zwar die Erlaubnis zur geschäftsmäßigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten, nämlich zur außergerichtlichen Einziehung von Forderungen (Art. 1 § 1 Abs. 1 Nr. 4 RBerG). Diese Erlaubnis gewährte aber nicht die Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Angelegenheiten, die durch Bundesrecht geregelte Steuern oder Vergütungen betreffen, soweit diese durch Bundes- oder Landesverwaltungsbehörden verwaltet werden (Art. 1 § 4 Abs. 1 Nr. 1 RBerG). Nach Abs. 2 des § 4 RBerG ist für die in Abs. 1 bezeichneten Angelegenheiten das StBerG maßgebend. Art. 1 § 4 Abs. 1 Nr. 1 RBerG und § 1 Abs. 1 Nr. 1 StBerG stimmen wörtlich überein.

Zur unbeschränkten bzw. beschränkten Hilfeleistung in Steuersachen sind nur die in §§ 3 und 4 StBerG aufgeführten Personen oder Institutionen berechtigt, zu denen der Kläger unstreitig nicht gehört. Es kommt deshalb für die Entscheidung darauf an, ob die vom Kläger als Bevollmächtigtem ausgeübten Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Abtretung der Erstattungsansprüche und der Anzeige der Abtretungen an die FÄ gemäß § 46 AO 1977 noch im Rahmen der ihm gemäß Art. 1 § 1 Abs. 1 Nr. 4 RBerG erteilten Erlaubnis zur außergerichtlichen Einziehung von Forderungen im fremden Namen liegen oder ob sie, weil sie Angelegenheiten i. S. des Art. 1 § 4 Abs. 1 Nr. 1 RBerG bzw. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 StBerG betreffen, schon in den Bereich der Hilfeleistung in Steuersachen hineinragen. Trifft letzteres nicht zu, so können die Tätigkeiten des Klägers auch nicht als Hilfeleistung bei der Einziehung von Steuererstattungsansprüchen (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 StBerG) bewertet werden. Denn Abs. 2 der genannten Vorschrift stellt, was die Qualifikation als Hilfeleistung in Steuersachen angeht, nur eine Ergänzung der in Abs. 1 aufgeführten Tatbestände dar. Sie wäre nur dann heranzuziehen, wenn der Kläger über die im Rahmen des § 46 AO 1977 ausgeübten Tätigkeiten hinaus weitere Maßnahmen ergriffen hätte, die als Hilfeleistung bei der Einziehung von Steuererstattungsansprüchen bewertet werden müßten (vgl. das zwischen den Beteiligten ergangene Urteil des erkennenden Senats vom 3. Mai 1983 VII R 32/81, BFHE 138, 297, BStBl II 1983, 521, in dem der Senat entschieden hat, daß, wer für andere Personen beim FA Anträge auf Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs stellt, Hilfe in Steuersachen i. S. des § 1 Abs. 2 Nr. 3 StBerG leistet).

2. Das StBerG und damit auch dessen §§ 5 und 7, auf die das FA die angefochtene Untersagungsverfügung und die Zwangsgeldandrohung gestützt hat, ist im Streitfall nicht anzuwenden. Denn die Tätigkeiten des Klägers stellen keine Hilfeleistung in Angelegenheiten dar, die durch Bundesrecht geregelte Steuern und Vergütungen betreffen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 StBerG).

a) Zwar könnte der weitgefaßte Gesetzeswortlaut dafür sprechen, auch die Hilfeleistung bei der Abtretung von Steuererstattungsansprüchen und der Anzeige der Abtretungen als solche Angelegenheiten anzusehen, die durch Bundesrecht geregelte Steuern betreffen. Sinn und Zweck dieser Vorschrift gebieten indes eine engere Auslegung, und zwar vor allem im Hinblick auf § 1 Abs. 2 Nr. 3 StBerG. Nach dieser Vorschrift umfaßt die Hilfeleistung in Steuersachen auch "3. die Hilfeleistung bei der Einziehung von Steuererstattungs- oder Vergütungsansprüchen". Hätte der Gesetzgeber die im zeitlichen Ablauf vorausgehenden Abtretungen und Anzeigen bereits durch § 1 Abs. 1 Nr. 1 StBerG erfassen wollen, wäre die sich auf die "Einziehung" beschränkende besondere Regelung in § 1 Abs. 2 Nr. 3 StBerG überflüssig. Aus dem Zusammenhang der beiden Vorschriften ergibt sich nach Auffassung des erkennenden Senats, daß die genannten, der Einziehung von Steuererstattungsansprüchen vorausgehenden Tätigkeiten nicht unter den Begriff der Hilfeleistung in Steuersachen fallen.

b) Ob die vom Kläger als Bevollmächtigtem des Abtretenden (und des Abtretungsempfängers) durchgeführte Abtretung und Anzeige an das FA den Erfordernissen des § 46 AO 1977 entspricht und ob demgemäß die dem FA gegenüber erklärte Abtretung wirksam ist, kann dahinstehen. Die Unwirksamkeit einer durch einen bevollmächtigten Rechtsbeistand im Namen des Gläubigers und Schuldners herbeigeführten Abtretung hat jedenfalls nicht zur Folge, daß aus diesem Grund eine Angelegenheit i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 StBerG angenommen werden müßte und die Mitwirkung des Klägers als verbotene Hilfeleistung zu qualifizieren wäre. § 46 AO 1977 regelt die Voraussetzungen einer wirksamen Abtretung von Steuererstattungsansprüchen. Sofern sie nicht erfüllt sind, ist die Abtretung unwirksam (vgl. dazu Urteil des Bundesfinanzhofs vom 26. November 1982 VI R 205/81, BFHE 137, 150, BStBl II 1983, 123). Auf die rechtliche Beurteilung der dabei entfalteten Tätigkeit eines Rechtsbeistands unter dem Gesichtspunkt einer Hilfeleistung in Steuersachen ist dies ohne Einfluß. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob und wodurch der Kläger gegen § 46 AO 1977 verstoßen hat, wie das FA vorgetragen hat. Soweit das FA über die gerügten Verstöße gegen § 46 AO 1977 hinaus noch weitere Gründe für die Annahme vorgetragen hat, daß die Tätigkeit des Klägers über die Erstellung von Abtretungsanzeigen hinausgegangen sei, handelt es sich um neues tatsächliches Vorbringen, mit dem das FA im Revisionsverfahren nicht gehört werden kann (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

c) Da der Kläger nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG als Rechtsbeistand und Bevollmächtigter keine Tätigkeiten ausgeübt hat, die über die in § 46 AO 1977 geregelte Abtretung und Anzeige von Erstattungsansprüchen hinausgingen, scheidet, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, auch eine Hilfeleistung bei der Einziehung von Steuererstattungsansprüchen (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 StBerG) aus. Die im Rahmen des § 46 AO 1977 entfalteten Tätigkeiten des Klägers dienten einerseits der ihm erlaubten Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten bei der außergerichtlichen Einziehung von Forderungen. Die Einziehung von Erstattungsansprüchen bereiteten sie andererseits nur vor. Wie der Senat in dem bereits erwähnten Urteil in BFHE 138, 297, BStBl II 1983, 521 entschieden hat, übt der nach Art. 1 § 1 Abs. 1 Nr. 4 RBerG zur außergerichtlichen Einziehung befugte Rechtsbeistand erst mit der Erstellung der Erstattungsanträge eine Tätigkeit aus, die der Einziehung des Erstattungsanspruchs dient.