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BFH-Urteil vom 28.3.1984 (II R 42/82) BStBl. 1984 II S. 498

Bei der Zusammenrechnung von Erwerben nach § 14 Abs. 1 ErbStG 1974 sind Vorerwerbe negativen Wertes aus der Zeit vor dem 1. Januar 1974 insoweit nicht zu berücksichtigen, als diese Vorerwerbe nicht durch Vorerwerbe positiven Wertes aus dieser Zeit ausgeglichen werden (Fortentwicklung des BFH-Urteils vom 12. November 1980 II R 110/78, BFHE 132, 306, BStBl II 1981, 269).

ErbStG 1974 § 14 Abs. 1, § 37.

Vorinstanz: FG München

Sachverhalt

Streitig ist die Zusammenrechnung eines Erwerbes gemäß § 14 Abs. 1 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) 1974 mit Vorerwerben (teils negativen Steuerwertes) aus der Zeit vor dem 1. Januar 1974.

Der Klägerin waren von ihrem Vater durch notariell beurkundeten Vertrag vom 1. Juli 1970 mehrere Grundstücke geschenkt worden. Wegen dieses Erwerbes (im Steuerwert von 31.900 DM) hatte das beklagte Finanzamt (FA) unter Einbeziehung einer Vorschenkung aus dem Jahr 1963 (im Steuerwert von 30.000 DM) Schenkungsteuer in Höhe von 1.116,50 DM (= 3,5 v. H. des steuerpflichtigen Erwerbes) festgesetzt, wobei es einen Freibetrag von 30.000 DM gewährt hatte.

Zum 1. Januar 1970 war die Klägerin als Kommanditistin in eine KG aufgenommen worden, an der ihr Vater als persönlich haftender Gesellschafter beteiligt war. Ihre Kommanditeinlage betrug 200.000 DM.

Am 31. Dezember 1970 wurde ein "Schenkungsvertrag" beurkundet, ausweislich dessen der Vater der Klägerin erklärte, er habe die Einlageverpflichtung der Klägerin, die sich aus ihrem Eintritt in eine KG ergeben habe, aus seinem Vermögen dadurch geleistet, daß sein Gesellschaftsvermögen belastet und das Einlagekonto der Klägerin erkannt worden sei. Um der Rechtsprechung zu § 518 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zu genügen, übertrage er hiermit einen Betrag in Höhe von 200.000 DM als Schenkung an die Klägerin. Das FA sah hierin die Schenkung eines Kommanditanteils, dem schenkungsteuerrechtlich ein negativer Wert ( 262.478 DM) zukomme.

Durch privatschriftlichen Vertrag vom 1. März 1977 schenkte der Vater der Klägerin sodann aus seinem Guthaben (Privatkonto) bei einer KG einen Teilbetrag in Höhe von 500.000 DM mit Wirkung vom 1. Januar 1976 und erklärte zugleich die Abtretung dieses Betrages.

Das FA setzte daraufhin Schenkungsteuer in Höhe von 35.325 DM nach folgender Berechnung fest:

Forderungsabtretung

500.000 DM

 

5 v.H. Zinsen vom 1. Januar 1976

 

bis 28. Februar 1977

29.166 DM

 

-----------------

zusammen

529.166 DM

 

zuzüglich Vorschenkung vom

 

1. Juli 1970

31.900 DM

 

-----------------

zusammen

561.066 DM

abzüglich Freibetrag

90.000 DM

 

-----------------

verbleiben

471.066 DM

abgerundet

471.000 DM

7,5 v.H. Erbschaftsteuer =

35.325 DM

Eine abzugsfähige Vorsteuer wegen des Vorerwerbes in Höhe von 31.900 DM ergab sich deshalb nicht, weil das FA diesem Vorerwerb einen Freibetrag in Höhe von 90.000 DM gegenüberstellte.

Die Klägerin erhob Sprungklage mit dem Antrag, die Schenkungsteuer auf 11.393,50 DM herabzusetzen. Dabei ging sie von folgender Berechnung aus:

Erwerb durch Forderungsabtretung

 

1977

529.166,00 DM

 

Grundstücksschenkung 1970

31.900,00 DM

 

Schenkung des Kommanditanteils

 

1970

./. 262.478,00 DM

 

-----------------------

 

298.588,00 DM

abzüglich Freibetrag

90.000,00 DM

 

-----------------------

verbleiben

208.588,00 DM

abgerundet

208.500,00 DM

Erbschaftsteuer

12.510,00 DM

abzüglich Erbschaftsteuer

 

auf Vorerwerb

1.116,50 DM

 

-----------------------

 

11.393,50 DM

 

=============

Zur Begründung führte die Klägerin aus, daß die Schenkung des Kommanditanteils mit negativem Steuerwert entgegen der Auffassung des FA bei der Zusammenrechnung zu berücksichtigen sei. § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG 1974, der vorschreibe, daß Erwerbe ohne positiven Wert unberücksichtigt blieben, gelte nicht für Vorerwerbe vor dem 1. Januar 1974.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben. Es hat dabei die Auffassung vertreten, daß die Klägerin aufgrund der notariellen Urkunde vom 31. Dezember 1970 einen Kommanditanteil mit negativem Steuerwert unentgeltlich erworben habe. Auf diesen Vorerwerb sei § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG 1974 noch nicht anwendbar.

Das FA hat Revision eingelegt und beantragt, die Schenkungsteuer unter Aufhebung des angefochtenen Urteils auf 32.932 DM festzusetzen. Diesem Antrag liegt folgende Berechnung zugrunde:

Erwerb durch Forderungsabtretung

 

1977

529.166,00 DM

 

Vorerwerbe + 31.900 DM

 

./. 262.478 DM

0,00 DM

-------------------

--------------------

 

529.166,00 DM

abzüglich Freibetrag

90.000,00 DM

 

--------------------

verbleiben

439.166,00 DM

abgerundet

439.100,00 DM

Schenkungsteuer

 

(7,5 v.H.)

32.932,50 DM

Schenkungsteuer

 

auf Vorerwerbe

0,00 DM

 

-------------------

zu erheben

 

(abgerundet)

32.932,00 DM

 

==========

Die Revision hat das FA wie folgt begründet:

Ein negativer Saldo der Erwerbe aus der Zeit vor dem 1. Januar 1974 sei nicht mit dem Erwerb durch Forderungsabtretung im Jahre 1977 zu verrechnen (§ 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG 1974). Aus § 37 Satz 1 ErbStG 1974 a. F. ergebe sich nicht, daß § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG 1974 auf Vorschenkungen vor dem 1. Januar 1974 nicht anzuwenden sei. Im übrigen komme der Abzug einer Steuer auf Vorerwerbe im Streitfall nicht in Betracht.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Festsetzung der Schenkungsteuer auf 32.932 DM.

§ 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG 1974, wonach bei der Zusammenrechnung nach Satz 1 dieser Vorschrift Erwerbe ohne positiven Steuerwert unberücksichtigt bleiben, ist im vorliegenden Fall insoweit anwendbar, als der Vorerwerb negativen Wertes (die Schenkung des Kommanditanteils 1970) nicht durch den Vorerwerb positiven Wertes (die Grundstücksschenkung 1970) ausgeglichen wird. Dies ergeben die folgenden Überlegungen:

Gemäß § 37 Satz 1 ErbStG 1974 a. F. findet das ErbStG 1974 auf alle Erwerbe Anwendung, für welche die Steuer nach dem 31. Dezember 1973 entsteht. § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG 1974 gilt somit dem Grundsatz nach auch im vorliegenden Fall; denn die strittige Steuer betrifft den Erwerb aus dem Jahre 1977, auch wenn die Vorerwerbe aus der Zeit vor dem 1. Januar 1974 in die Steuerberechnung einzubeziehen sind.

Der Senat hat durch Urteil vom 12. November 1980 II R 110/78 (BFHE 132, 306, BStBl II 1981, 269) ausgesprochen, daß bei der Zusammenrechnung von Erwerben gemäß § 14 Abs. 1 ErbStG 1974 Vorerwerbe negativen Wertes aus der Zeit vor dem 1. Januar 1974 zumindest insoweit zu berücksichtigen sind, als sie Erwerbe positiven Wertes aus dieser Zeit ausgleichen. Hieran hält er fest. § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG 1974 ist aber auf Erwerbe negativen Wertes aus der Zeit vor dem 1. Januar 1974 insoweit anwendbar, als diesen Vorerwerben keine Vorerwerbe positiven Wertes aus dieser Zeit gegenüberstehen.

Der Senat ist in seiner Entscheidung in BFHE 132, 306, BStBl II 1981, 269 davon ausgegangen, daß die Vorerwerbe aus der Zeit vor dem 1. Januar 1974 bereits abgeschlossen waren, als das ErbStG 1974 in Kraft trat, auch wenn sie sich für die Berechnung der Steuer für einen späteren Erwerb noch auswirken konnten. Diese Ausführungen bedürfen weiterer Konkretisierung.

Wenn der Senat von abgeschlossenen Vorgängen gesprochen hat, auch wenn diese Vorgänge sich noch für die Berechnung der Steuer für einen späteren Erwerb auswirken konnten, so hat er damit die Vorerwerbe nicht als voll abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts über die echte Rückwirkung von Gesetzen (vgl. z. B. Beschlüsse vom 31. Mai 1960 2 BvL 4/59, BVerfGE 11, 139; vom 24. September 1965 1 BvR 228/65, BVerfGE 19, 119, 127) angesehen, sondern nur als Vorgänge, die in der Vergangenheit einen gewissen Abschluß erfahren haben. Dieser gewisse Abschluß, der nach der Auffassung des Senats die Anwendung des § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG 1974 hindert, ist bei Vorerwerben aus der Zeit vor dem 1. Januar 1974 insoweit anzunehmen, als sich derartige Vorerwerbe positiven und negativen Wertes bei Inkrafttreten des ErbStG 1974 ausgleichbar gegenüberstanden. Soweit diese bereits gefestigten Ausgleichsmöglichkeiten reichten, ist anzunehmen, daß die Vorerwerbe negativen Wertes nicht durch den neuen § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG 1974 erfaßt werden.

Dies gilt aber insoweit nicht, als sich bei der Zusammenrechnung der Vorerwerbe aus der Zeit vor dem 1. Januar 1974 ein Negativsaldo ergibt. Denn dieser am 1. Januar 1974 vorhandene Negativsaldo könnte ausschließlich mit späteren, dem neuen Recht unterliegenden Erwerben ausgeglichen werden. Die erbschaftsteuerrechtliche Behandlung dieses Saldos muß unter diesen Umständen als am 1. Januar 1974 noch offen angesehen werden. Insoweit ist deshalb kein Vorgang zu sehen, der bei Inkrafttreten des ErbStG 1974 bereits einen gewissen Abschluß erreicht hat.

Dies bedeutet für die Auslegung des § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG 1974, daß diese Vorschrift kraft § 37 Satz 1 ErbStG 1974 a. F. insoweit auf Vorerwerbe negativen Wertes aus der Zeit vor dem 1. Januar 1974 anzuwenden ist, als diese Vorerwerbe nicht zu diesem Zeitpunkt durch Vorerwerbe positiven Wertes bereits ausgeglichen sind. Im vorliegenden Fall sind deshalb die Vorerwerbe aus der Zeit vor dem 1. Januar 1974 mit 0 DM anzusetzen. Daraus ergibt sich die vom FA berechnete Schenkungsteuer in Höhe von 32.932 DM.

Entgegen der Auffassung des FG ist die für die Grundstücksschenkung seinerzeit festgesetzte Erbschaftsteuer in Höhe von 1.116,50 DM nicht abzuziehen. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG 1974 ist die Steuer abzuziehen, welche für die Vorerwerbe zur Zeit des letzten Erwerbes zu erheben gewesen wäre. Da die Vorerwerbe mit 0 DM anzusetzen sind, kann sich unter diesen Umständen eine abzuziehende Steuer nicht ergeben.