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BFH-Urteil vom 16.5.1984 (V R 10/77) BStBl. 1984 II S. 537

Führt ein Hauseigentümer die erstmalige Verwendung des neu errichteten Wohnhauses in der Weise durch, daß er die Vermietung der Räumlichkeiten einer im eigenen Namen auftretenden Mittelsperson überträgt, dann ist im Falle von Vermietungsumsätzen an Unternehmer nur diese Mittelsperson befugt, die zum Eintritt der Rechtswirkungen nach § 9 UStG 1967 erforderlichen Rechtshandlungen vorzunehmen (Anschluß an Urteil vom 15. Dezember 1983 V R 169/75, BFHE 140, 354, BStBl II 1984, 388).

UStG 1967 § 9, § 15 Abs. 1.

Sachverhalt

Die Klägerin errichtete in den Jahren 1972/1973 auf ihrem Grundstück ein Mehrfamilienhaus mit zwei Wohnungen sowie - im Kellergeschoß gelegen - vier Zimmern, zwei WC, zwei Duschen und einer Küche. Am 1. Dezember 1972 schloß die Klägerin als Vermieterin mit der unter der Bezeichnung "Vermögensverwaltung A" handelnden Frau A als Mieterin einen "Mietvertrag".

Die einzelnen Wohnungen und Zimmer wurden nacheinander ab Februar 1973 bezugsfertig. Frau A vermietete die Räumlichkeiten im eigenen Namen ("Vermögensverwaltung A") weiter. Drei der im Kellergeschoß gelegenen Zimmer vermietete sie an Gastarbeiter, die im Betrieb des Ehemannes der Klägerin beschäftigt waren. Das vierte Zimmer im Kellergeschoß mietete der Ehemann der Klägerin, um LKW-Fahrern, die seinen Betrieb belieferten, von Fall zu Fall eine Übernachtungsmöglichkeit bieten zu können. Nach Auszug eines Gastarbeiters mietete der Ehemann der Klägerin zum 1. Mai 1974 ein weiteres Zimmer zu diesem Zwecke.

Die Klägerin erklärte mit Schreiben vom 20. Januar 1973 gegenüber dem Finanzamt, sie wolle ihre Umsätze aus Vermietung der Besteuerung nach den allgemeinen Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes unterwerfen. In ihrer Umsatzsteuererklärung 1973 machte sie Vorsteuerbeträge in Höhe von 19.817,74 DM als abziehbar geltend und berechnete eine negative Umsatzsteuer von 18.846,66 DM.

Das Finanzamt verneinte die Abziehbarkeit der geltend gemachten Vorsteuerbeträge, da nach seiner Auffassung zwischen der Klägerin und Frau A kein Mietverhältnis besteht. Frau A sei als Verwalterin des Hauses tätig. Entsprechend dieser Rechtsauffassung setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer 1973 auf 0 DM fest.

Mit der Klage begehrt die Klägerin die Festsetzung der Umsatzsteuer 1973 entsprechend ihrer Steuererklärung. Das Finanzgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Zwischenschaltung der "Vermögensverwaltung A" als gewerbliche Zwischenvermieterin stelle einen Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts im Sinne des § 6 StAnpG dar.

Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Das Finanzamt beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

1. Die bei der Klägerin aus Anlaß der Hauserrichtung angefallenen Umsatzsteuern sind keine nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967 abziehbaren Vorsteuerbeträge. Dem Abzugsbegehren der Klägerin steht entgegen, daß die für den Vorsteuerabzug maßgebliche erstmalige Verwendung der errichteten Räumlichkeiten durch eine nach § 4 Nr. 12 UStG 1967 steuerfreie Vermietung erfolgte (Urteil vom 25. Januar 1979 V R 53/72, BFHE 127, 238, BStBl II 1979, 394).

Zur Auslegung des § 15 Abs. 1 und 2 UStG 1967 in dem für die Entscheidung maßgeblichen Sachpunkt hat der Senat im Urteil vom 15. Dezember 1983 V R 169/75 (BFHE 140, 354, BStBl II 1984, 388) ausgeführt, daß § 15 UStG 1967 vom Prinzip der wirtschaftlichen Zuordnung der Leistungsbezüge und der mit ihrer Hilfe ausgeführten Umsätze beherrscht werde. Dieses Zuordnungsprinzip sei auch dann anzuwenden, wenn der Unternehmer den über den Vorsteuerabzug entscheidenden Umsatz nicht selbst ausführe, sondern durch eine andere Person (Mittelsperson) mit Hilfe der ihr zur Verfügung gestellten Leistungsbezüge ausführen lasse und ihm das wirtschaftliche Ergebnis des auf diese Weise auf die Mittelsperson verlagerten Umsatzes zufließe.

Zum Bereich der sog. Zwischenvermietungen hat der erkennende Senat gefolgert, daß sich bei Errichtung von Haus- und Wohnungseigentum die Abziehbarkeit der in diesem Zusammenhang beim Eigentümer angefallenen Vorsteuerbeträge im Falle der Einschaltung einer Mittelsperson in den Vermietungsvorgang danach richte, ob die (im eigenen Namen auftretende) Mittelsperson steuerpflichtige oder (zum Ausschluß vom Vorsteuerabzug führende) steuerfreie Vermietungsumsätze bewirke. Hierauf komme es nämlich an, wenn zwischen Eigentümer und Mittelsperson kein Mietverhältnis (mit steuerpflichtigen Mietumsätzen des Eigentümers), sondern ein Geschäftsbesorgungsverhältnis bestehe oder wenn wegen § 6 StAnpG (jetzt § 42 AO 1977) einem derartigen Mietvertrag die angestrebten steuerlichen Folgen zu versagen und damit die Mittelsperson lediglich als Geschäftsbesorger tätig geworden sei.

2. Die vom Finanzgericht vertretene Rechtsauffassung, der zwischen der Klägerin und Frau A abgeschlossene Mietvertrag stelle einen Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts im Sinne des § 6 StAnpG dar, hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Das Finanzgericht ist zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, daß die Klägerin sich in bezug auf die geltend gemachten Vorsteuerbeträge nicht auf das Bestehen eines Mietvertrages mit steuerpflichtigen Vermietungsleistungen an Frau A berufen kann (wird ausgeführt).

Aufgrund vorstehender Erwägungen kann in Anwendung des § 6 StAnpG für die Besteuerung der Klägerin nicht davon ausgegangen werden, daß die Klägerin Vermietungsleistungen an Frau A erbracht hat. Die Überlassung der Wohnungen an Frau A erfolgte zwangsläufig nichtsteuerbar. Bei dieser Sachlage war die erstmalige Verwendung der von der Klägerin bei der Gebäudeerrichtung bezogenen Leistungen die weisungsgemäße Weitervermietung der Räumlichkeiten durch Frau A an Dritte. Wie oben in Abschnitt 1 ausgeführt, richtet sich die Abzugsfähigkeit der bei der Klägerin angefallenen Vorsteuerbeträge nach der steuerlichen Beurteilung der von Frau A ausgeführten Vermietungsumsätze; diese waren steuerfrei gemäß § 4 Nr. 12 a UStG 1967. Ein Verzicht auf Steuerbefreiung gemäß § 9 UStG 1967 kommt bezüglich der beiden Wohnungen und der drei zunächst an Gastarbeiter vermieteten Zimmer im Kellergeschoß mangels Unternehmereigenschaft der Mieter nicht in Betracht. Die Klägerin ist insoweit gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1967 vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen.

3. Dieses rechtliche Ergebnis betrifft des weiteren das vierte Zimmer im Kellergeschoß, welches dem Ehemann der Klägerin zur Nutzung für betriebliche Zwecke überlassen worden war. Es ist in der umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung dieses Vorgangs davon auszugehen, daß ein Ehegatte mit seinem Ehepartner Vereinbarungen über die entgeltliche Überlassung von Räumlichkeiten treffen kann. Dies ist jedenfalls dann unbedenklich, wenn der Ehepartner diese Räumlichkeiten für Zwecke seines Unternehmens benötigt und nutzt. Hat der Hauseigentümer-Ehegatte die Verwaltung des Hauses einem Geschäftsbesorger übertragen, ist es im Regelfall nicht zu beanstanden, wenn dieser seine Hausverwaltertätigkeit auch auf die Räumlichkeiten erstreckt, die dem Ehegatten des Hauseigentümers unter Begründung eines Mietverhältnisses überlassen werden sollen. Dies gilt selbst dann, wenn die Mittelsperson erst durch Anwendung des § 6 Abs. 1 StAnpG (§ 42 AO 1977) als Geschäftsbesorger (statt Zwischenmieter) eingestuft worden ist (vgl. dazu nachfolgenden Unterabschn. a). Vorliegend ist demnach davon auszugehen, daß die als Geschäftsbesorgerin der Klägerin auftretende Frau A - für die Klägerin handelnd - im eigenen Namen einen Mietvertrag über das vierte Zimmer mit dem Ehemann der Klägerin abgeschlossen hat. Die von Frau A bewirkten Vermietungsumsätze an den Ehemann, die (anteilig) für den von der Klägerin begehrten Vorsteuerabzug maßgeblich sind, waren steuerfrei nach § 4 Nr. 12 UStG 1967, denn bezüglich dieser Umsätze liegt keine rechtswirksame Option nach § 9 UStG 1967 vor (vgl. dazu nachfolgenden Unterabschn. b).

a) Der Mietvertrag zwischen Frau A und dem Ehemann der Klägerin wird nicht davon berührt, daß unter Anwendung des § 6 Abs. 1 StAnpG das zwischen der Klägerin und Frau A bestehende Rechtsverhältnis als Geschäftsbesorgung zu beurteilen ist. Diese Beurteilung berücksichtigt den erkennbaren Willen der Klägerin, die Verwaltungsangelegenheiten des Hauses auf eine Mittelsperson zu übertragen, die im Außenverhältnis zu den Mietern rechtliche Bindungen eingegangen ist, deren wirtschaftliches Ergebnis die Klägerin trifft. Die Sach- und Rechtslage ist hier eine andere als in dem mit Urteil vom 15. Dezember 1983 V R 112/76 (BFHE 140, 375, BStBl II 1984, 388) entschiedenen Fall. Dort hat der erkennende Senat die Vermietung an einen Zwischenmieter und die Untervermietung durch diesen an den Ehegatten des (Haupt-)Vermieters als einheitliches Vertragswerk beurteilt, welches eine unangemessene Gestaltung darstelle. Es handelte sich um Vermietung und gleichzeitige Rückmietung der Familienwohnung des Hauseigentümers. In einem solchen Fall, bei dem die beabsichtigte erstmalige Nutzung in der Eigennutzung als Familienwohnung bestehen sollte, ist selbst für die Einschaltung eines Geschäftsbesorgers kein Raum.

b) Die erstmalige Verwendung des an den Ehemann zur unternehmerischen Nutzung überlassenen Zimmers im Kellergeschoß erfolgte durch eine nach § 4 Nr. 12 UStG 1967 steuerfreie Vermietung. Auf diese Steuerfreiheit ist nicht gemäß § 9 UStG 1967 verzichtet worden.

Die Rechtszuständigkeit zur Abgabe der Erklärung nach § 9 UStG 1967 (Option zur Steuerpflicht) liegt bei demjenigen Unternehmer, der die von der Option betroffenen Umsätze ausführt. Verlagert ein Unternehmer die erstmalige Verwendung seines Leistungsbezuges auf eine Mittelsperson, geht die Zuständigkeit zur Abgabe der Optionserklärung auf diese Person über, denn sie bewirkt die von der Option erfaßten Umsätze. Der Unternehmer, welcher die für seinen Vorsteuerabzug maßgeblichen Umsätze auf die Mittelsperson verlagert, kann die Optionserklärung nicht abgeben. Eine solche Berechtigung kann nicht daraus hergeleitet werden, daß ihn die wirtschaftlichen und rechtlichen Folgen der Optionserklärung treffen. Dieses materiellrechtliche Betroffensein (infolge der Zuordnung der von der Mittelsperson ausgeführten Umsätze zu seiner Vorsteuerabzugsberechtigung) rechtfertigt kein Abgehen vom Gesetzeswortlaut. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats werden die im Umsatzsteuergesetz vorgesehenen Optionsrechte des Unternehmers durch einseitige rechtsgestaltende Erklärungen ausgeübt (Urteile vom 11. Januar 1973 V R 3/72, BFHE 109, 287, BStBl II 1973, 574; vom 19. Februar 1976 V 23/73, BFHE 118, 483, BStBl II 1976, 400, und vom 25. Januar 1979 V R 53/72, BFHE 127, 238, BStBl II 1979, 394). Wegen der mit ihnen verbundenen einschneidenden Rechtswirkungen muß Rechtsklarheit über die rechtliche Befugnis zur Abgabe solcher Erklärungen bestehen. Das Gesetz ordnet demgemäß in sachgerechter Weise diese Befugnis demjenigen zu, der die von der Option betroffenen Umsätze ausführt, zumal ihn im Regelfall die Rechtswirkungen der Option auf der Vorsteuerseite treffen.

Für den Ausnahmefall des ausgelagerten Umsatzes muß der Unternehmer durch interne Weisungen an den Geschäftsbesorger dafür Sorge tragen, daß dieser sich gegenüber dem Finanzamt entsprechend den Vorstellungen des Auftraggebers erklärt. Dementsprechend traf vorliegend die Rechtszuständigkeit zur Abgabe der Optionserklärung die als Mittelsperson (Geschäftsbesorger) tätig gewordene Frau A bezüglich der von ihr gegenüber Dritten (den Mietern) ausgeführten Vermietungsumsätze.

Die von der Klägerin mit Schreiben vom 20. Januar 1973 gegenüber dem Finanzamt abgegebene Optionserklärung ist demgemäß aus den vorbezeichneten Erwägungen, aber auch aus einem weiteren Grund rechtlich ohne Bedeutung. Die Optionserklärung kann sich ihrer Natur nach nur auf bestimmte Umsätze beziehen. Das ist bei der Einzeloption evident. Die von der Klägerin abgegebene Globaloption bezog sich auch auf bestimmte Umsätze, nämlich auf die von ihr vermeintlich gegenüber Frau A ausgeführten Vermietungsumsätze. Da dem Austauschverhältnis dieser beiden Personen unter Anwendung des § 6 StAnpG eine andere rechtliche Beurteilung zuteil geworden ist, läuft die Optionserklärung der Klägerin leer. Das von dieser Erklärung betroffene Leistungsband zwischen der Klägerin und Frau A mit der Frau A als Leistungsempfängerin besteht nicht.

Die als Geschäftsbesorgerin der Klägerin tätig gewordene Frau A hat von ihrer formalen Optionsbefugnis nach § 9 UStG 1967 keinen Gebrauch gemacht. Nach der geltenden Gesetzeslage hätte sie nur eine Optionserklärung bezüglich aller von ihr ausgeführten Vermietungsumsätze abgeben können (sogenannte Globaloption). Die Finanzverwaltung hatte jedoch bereits mit Erlaß des Bundesministers der Finanzen vom 28. Juni 1969 IV A/2 - S 7198 - 2/69 (BStBl I 1969, 363) zugelassen, daß der Unternehmer die Option auf einzelne Umsätze beschränkt (sogenannte Einzeloption). Die Frage, welche rechtliche Bedeutung dieser Verwaltungsregelung zukommt, stellt sich vorliegend nicht, denn Frau A hat weder eine Globaloption abgegeben noch von der im Erlaßwege eingeräumten Möglichkeit einer Einzeloption Gebrauch gemacht.