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BFH-Urteil vom 4.5.1984 (III R 61/83) BStBl. 1984 II S. 657

1. Bei der Bewertung nichtnotierter Anteile an Kapitalgesellschaften nach dem sog. Stuttgarter Verfahren sind Abschn. 76 f. VStR 1977 auch insoweit bereits zum 31. Dezember 1976 anwendbar, als die Richtlinien die Auswirkungen der Körperschaftsteuerreform 1977 berücksichtigen.

2. Der Zuschlag von 127 v. H. gemäß Abschn. 78 Abs. 3 VStR 1977 ist nicht zu beanstanden, wenn die nach Abschn. 78 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c VStR 1977 abgezogene Körperschaftsteuer nach einem Körperschaftsteuersatz von 56 v. H. ermittelt worden ist.

3. Der Abschlag von 30 v. H. gemäß Abschn. 78 Abs. 5 VStR 1977 ist Ausdruck einer vorsichtigen Schätzung, der regelmäßig alle Unsicherheiten im Rahmen der Ermittlung des Ertragshundertsatzes ausreichend berücksichtigt.

BewG §§ 9 Abs. 2 und 11 Abs. 2 Satz 2; VStR 1977 Abschn. 78.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt in der Rechtsform der GmbH die Herstellung von ... Das voll eingezahlte Stammkapital hielten an dem hier streitigen Stichtag, dem 31. Dezember 1976, die Beigeladenen je zur Hälfte. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) hat den gemeinen Wert der Anteile an der GmbH gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der Gesellschaft nach dem sogenannten Stuttgarter Verfahren (Abschn. 76 ff. der Vermögensteuer-Richtlinien - VStR - 1977) geschätzt. Es entsprach nicht dem Begehren der Klägerin, bei der Ermittlung des Ertragshundertsatzes von dem Zuschlag nach Abschn. 78 Abs. 3 VStR 1977 in Höhe von 127 v. H. abzusehen. Auch dem hilfsweise gestellten Antrag, den in Abschn. 78 Abs. 5 VStR 1977 vorgesehenen Abschlag von 30 v. H. auf 50 v. H. zu erhöhen, gab das FA nicht statt.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 11 Abs. 2 BewG. Sie macht geltend: Gemäß der amtlichen Einführung seien die VStR 1977 erst für den am 1. Januar 1977 beginnenden Hauptveranlagungszeitraum anzuwenden. Im Streitfall gehe es jedoch um den gemeinen Wert der Anteile zum 31. Dezember 1976. Dieser Zeitpunkt falle noch in den vorhergehenden Hauptveranlagungszeitraum 1. Januar 1974 bis 31. Dezember 1976. Bei einer Ertragsberechnung für Veranlagungszeiträume vor 1977 müsse das ab 1. Januar 1977 geltende neue Körperschaftsteuerrecht außer Betracht bleiben. Im übrigen sei der in Abschn. 78 Abs. 3 VStR 1977 vorgesehene Zuschlag von 127 v. H. sachlich nicht gerechtfertigt. Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG sei der gemeine Wert unter Berücksichtigung u. a. der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft - und nicht der Anteilseigner - zu schätzen. Durch den Zuschlag gemäß Abschn. 78 Abs. 3 VStR 1977 würden jedoch im Ergebnis - im Falle der Thesaurierung von Gewinnen sogar fiktive - Kapitalerträge des Anteilseigners in die Schätzung einbezogen. Halte man entgegen ihrer - der Klägerin - Auffassung die Verwaltungsanweisung in Abschn. 78 Abs. 3 VStR 1977 für vertretbar, sei der Abschlag gemäß Abschn. 78 Abs. 5 VStR 1977 mit 30 v. H. zu gering bemessen. Der Richtliniengeber habe diesen Abschlag in Höhe von 30 v. H. aus Abschn. 78 Abs. 3 VStR 1974 übernommen, weil man - auch für die Zeit nach Inkrafttreten der Körperschaftsteuerreform - von einem unveränderten Ausschüttungsverhalten der Kapitalgesellschaften ausgegangen sei. Dabei habe jedoch der Richtliniengeber übersehen, daß der ausschüttungsfähige Ertrag, wie er sich nach Abschn. 78 VStR 1977 errechne, wegen des Ansatzes fiktiver Erträge wesentlich höher liege als der sich nach Abschn. 78 VStR 1974 ergebende ausschüttungsfähige Ertrag. So umfasse der ausschüttungsfähige Ertrag im Sinn von Abschn. 78 Abs. 5 VStR 1977 neben dem Körperschaftsteuer-Anrechnungsanspruch des Anteilseigners auch die Körperschaftsteuer der Kapitalgesellschaft, die auf thesaurierte Gewinne entfalle. Der in dieser Weise errechnete Ertrag könne jedoch nicht als ausschüttungsfähig angesehen werden, sondern müsse um einen Abschlag von mindestens 45 v. H. gekürzt werden (vgl. Siegel, Der Betrieb - DB - 1980, 2159; Bacher, Betriebs-Berater - BB - 1979, 364; Clemm, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1979, 462; Martin, GmbH-Rundschau - GmbHR - 1977, 261; derselbe, GmbHR 1978, 278).

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und den Feststellungsbescheid vom 28. September 1979 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Mai 1980 in der Weise zu ändern, daß der Zuschlag nach Abschn. 78 Abs. 3 VStR 1977 entfällt, hilfsweise, den Abschlag nach Abschn. 78 Abs. 5 VStR 1977 auf 50 v. H. zu erhöhen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

1. Anteile an Kapitalgesellschaften, für die ein Kurswert im Sinn von § 11 Abs. 1 BewG nicht gegeben ist, sind mit dem gemeinen Wert anzusetzen (§ 11 Abs. 2 BewG). Liegen, wie im Streitfall, zeitnahe Verkäufe, aus denen der gemeine Wert abgeleitet werden könnte, nicht vor, so ist der gemeine Wert unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der Gesellschaft zu schätzen (§ 11 Abs. 2 Satz 2 BewG). Im Interesse einer möglichst gleichmäßigen und praktikablen Schätzung verfährt die Finanzverwaltung bei der Anteilsbewertung nach dem sogenannten Stuttgarter Verfahren (a. a. O.). Wie das Finanzgericht (FG) zutreffend ausgeführt hat, ist das Stuttgarter Verfahren als geeignetes Schätzungsverfahren anerkannt, das dem Gesetz entspricht und ein wertvolles Hilfsmittel darstellt, um die Einheitlichkeit der Bewertung zu gewährleisten (zuletzt Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17. Dezember 1982 III R 92/80, BFHE 137, 367, BStBl II 1983, 192).

2. Bei der Anteilsbewertung zum 31. Dezember 1976 sind die VStR 1977 auch insoweit anzuwenden, als sie die Auswirkungen der Körperschaftsteuerreform 1977 berücksichtigen. Die Einwendungen der Klägerin gegen die Anwendung von Abschn. 78 Abs. 3 und 5 VStR 1977 greifen nicht durch. Nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG sind bei der Schätzung des gemeinen Werts u. a. die Ertrags"aussichten" der Kapitalgesellschaft zu berücksichtigen. Mithin ist eine vorausschauende Betrachtungsweise ausdrücklich vorgeschrieben. Danach kommt es, wie das FG zutreffend entschieden hat, bei der Anteilsbewertung auf den voraussichtlichen künftigen Jahresertrag an. Der in den letzten drei Jahren vor dem Bewertungsstichtag tatsächlich erzielte jährliche Durchschnittsertrag bildet lediglich eine wichtige Beurteilungsgrundlage für die Schätzung dieses voraussichtlichen künftigen Jahresertrages. Künftiger Jahresertrag ist bei der Anteilsbewertung zum 31. Dezember 1976 derjenige Ertrag, der ab 1. Januar 1977 erzielt wird. Da mit dem 1. Januar 1977 die Körperschaftsteuerreform in Kraft trat, sind deren Auswirkungen auf die Höhe des Jahresertrags bei der Anteilsbewertung zum 31. Dezember 1976 zu berücksichtigen. Dies widerspricht nicht dem der Vermögensbesteuerung zugrunde liegenden Stichtagsprinzip und verstößt auch nicht gegen das verfassungsrechtlich geschützte Rückwirkungsverbot. Auch ein Verstoß gegen § 9 Abs. 2 Satz 1 BewG ist nicht erkennbar. Jeder fiktive Erwerber würde bei einem Kauf der Anteile am 31. Dezember 1976 die mit der Körperschaftsteuerreform verbundenen Vorteile in seine Kaufpreisüberlegungen einbeziehen. Die Anwendung des Abschn. 78 VStR 1977 bei der Anteilsbewertung zum 31. Dezember 1976 steht - entgegen der Auffassung der Klägerin - auch nicht in Widerspruch zu der Einführungsbemerkung der VStR 1977. Nach Satz 3 der Einführung gelten die VStR 1977 "von dem am 1. Januar 1977 beginnenden Hauptveranlagungszeitraum an". Dem am 1. Januar 1977 beginnenden Hauptveranlagungszeitraum war indes der zum 31. Dezember 1976 festgestellte gemeine Wert von Anteilen an Kapitalgesellschaften zugrunde zu legen. Denn Stichtag für die Bewertung von Anteilen an Kapitalgesellschaften ist jeweils der 31. Dezember des Jahres, das dem für die Hauptveranlagung zur Vermögensteuer maßgebenden Zeitpunkt vorangeht (§ 112 BewG).

3. Gemäß Abschn. 78 Abs. 3 VStR 1977 ist zur Ermittlung des Ertragshundertsatzes der sich nach Abschn. 78 Abs. 1 und 2 VStR 1977 ergebende durchschnittliche Jahresertrag um 127 v. H. zu erhöhen, wenn, wie im Streitfall, die abgezogene Körperschaftsteuer nach einem Körperschaftsteuersatz von 56 v. H. ermittelt wird. Dieser Zuschlag ist aufgrund der Systematik des Abschn. 78 Abs. 1 VStR 1977 - und zwar im Hinblick auf den dort vorgesehenen Abzug der Körperschaftsteuer - dem Grunde nach nicht zu beanstanden und der Höhe nach zutreffend. Nach Abschn. 78 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c VStR 1977 ist die Körperschaftsteuer mit dem Betrag abzuziehen, der sich ergibt, wenn der für die Gesellschaft maßgebende Steuersatz (§ 23 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG -) auf das um Sonderabschreibungen, Verlustabzug usw. korrigierte Einkommen angewendet wird. Bei diesem Körperschaftsteuerabzug wird zunächst unterstellt, daß weder die Möglichkeit einer Minderung der Körperschaftsteuer für ausgeschüttete Gewinne noch die der Körperschaftsteueranrechnung (-vergütung) besteht (vgl. Werner, GmbHR 1977, 85 f.). Es wird nicht berücksichtigt, daß aus der Sicht der Anteilseigner der von der GmbH zu entrichtenden Körperschaftsteuer aufgrund des Anrechnungsverfahrens im wirtschaftlichen Ergebnis der Aufwandscharakter genommen wird. Denn der Betrag der Minderung der Körperschaftsteuer (§ 27 KStG) gilt zusätzlich als für die Ausschüttung verwendet (§ 28 Abs. 3 KStG), und die Körperschaftsteuergutschrift (-vergütung) besitzt für den Anteilseigner wirtschaftlich die gleiche Bedeutung wie eine Ausschüttung. Diese Erwägungen rechtfertigen es, die abgezogene Körperschaftsteuer, soweit diese nicht auf Teile des Gewinns entfällt, die für nichtabziehbare Ausgaben verwendet werden müssen (z. B. Vermögensteuer) für die Zwecke der Anteilsbewertung wirtschaftlich als zusätzlichen künftigen Jahresertrag anzusehen (vgl. auch Döllerer, BB 1983, 1 f., 3) und den nach Abschn. 78 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c VStR 1977 vorgenommenen Abzug der Körperschaftsteuer rückgängig zu machen. Dies geschieht durch den Zuschlag nach Abschn. 78 Abs. 3 VStR 1977. Rechnerisch ergibt sich dieser Zuschlag dadurch, daß das nach Abzug der Tarifbelastung von 56 v. H. verbleibende Einkommen der Kapitalgesellschaft von 44 v. H. wieder auf das Einkommen vor Abzug der Tarifbelastung hochgerechnet wird (44 v. H. + 127 v. H. von 44 [= 56 v. H.] = 100 v. H.).

Die Einwendungen der Klägerin gegen den Zuschlag greifen nicht durch. Es trifft zu, daß gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG der gemeine Wert von Anteilen an Kapitalgesellschaften unter Berücksichtigung u. a. der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft zu schätzen ist. Die Ermittlung der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft ist jedoch nur Hilfsmittel zur Ermittlung des Anteilswerts. Die Klägerin übersieht, daß es bei der Anteilsbewertung letztlich nicht um den Wert der Gesellschaft, sondern um den Wert des Anteils geht und deshalb die Ertragsaussichten der Anteilseigner nicht außer acht bleiben dürfen.

4. Es ist aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden, daß das FG den gemäß Abschn. 78 Abs. 5 VStR 1977 in Höhe von 30 v. H. gewährten Abschlag nicht erhöht hat. Dieser Abschlag wurde in gleicher Höhe bereits nach Abschn. 78 VStR in den Fassungen vor den VStR 1977 gewährt (so bereits Ziff. 2 b Abs. 7 der Richtlinien zur Bewertung nichtnotierter Aktien und Anteile an Kapitalgesellschaften vom 14. Februar 1955, BStBl I 1955, 97). Der erkennende Senat folgt dem FG in der Auffassung, daß mit Rücksicht auf das Inkrafttreten des KStG 1977 eine Erhöhung dieses Abschlags nicht gerechtfertigt war. Zunächst kann - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht davon ausgegangen werden, daß der Abschlag nach Abschn. 78 Abs. 3 VStR 1974 ausschließlich das Thesaurierungsbedürfnis der jeweiligen Kapitalgesellschaft berücksichtigen sollte (vgl. BFH-Urteil vom 12. März 1980 II R 143/76, BFHE 130, 336, BStBl II 1980, 463; Schreiben des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 8. Mai 1978 IV C 3 - S 3263 - 51/77, Finanz-Rundschau - FR - 1978, 377). Der BFH hat den von der Verwaltung nach Abschn. 78 Abs. 3 VStR i. d. F. vor den VStR 1977 zugestandenen Abschlag bis 30 v. H. im Urteil in BFHE 130, 336, BStBl II 1980, 463 als Ausdruck einer vorsichtigen Bewertung angesehen und dessen Übernahme durch die Gerichte unter dem Gesichtspunkt der Risikobelastung akzeptiert. Mit diesem Abschlag sollte mithin schon in der Zeit vor dem 1. Januar 1977 im Rahmen einer griffweisen Schätzung neben den Auswirkungen notwendiger Gewinnthesaurierungen auch das allgemeine Unternehmerrisiko berücksichtigt werden. Es sollte pauschal dem Umstand Rechnung getragen werden, daß die Kapitalgesellschaften einen Teil des ausschüttungsfähigen Gewinns aus Gründen einer vorsichtigen Finanzpolitik wegen nichtvorhersehbarer Aufwendungen sowie zur Sicherung der Liquidität oder zum Ausbau des Unternehmens zurückbehalten (vgl. z. B. Gürsching/Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 7. Aufl., § 11 BewG Anm. 108). Mit dem FG ist der Senat der Auffassung, daß die durch die Körperschaftsteuerreform 1977 geänderten Steuersätze und die mit Einführung des Anrechnungsverfahrens grundsätzlich entfallende Doppelbelastung der Erträge auf das Ausschüttungsverhalten der Kapitalgesellschaft Auswirkung haben können. Nach den nicht angegriffenen und dem Senat gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG war an dem hier maßgebenden Stichtag auch nicht andeutungsweise zu erkennen, ob das künftige Thesaurierungsverhalten der Kapitalgesellschaft nach oben oder nach unten von den bisherigen Ausschüttungsgepflogenheiten abweichen würde. Im Hinblick auf diese Unsicherheit scheint es nicht zulässig, an dem hier maßgeblichen Stichtag - wie dies jedoch im Schrifttum geschieht (vgl. z. B. Bacher, a. a. O.; Clemm, a. a. O.; Martin, a. a. O.; Siegel, a. a. O.) - ohne weiteres eine Ausschüttung von 70 v. H. des Gewinns zu unterstellen. Abgesehen davon, daß aus Abschn. 78 Abs. 3 VStR 1974 nicht abgeleitet werden kann, daß die Ausschüttungen während der Geltung des alten Körperschaftsteuerrechts bei 70 v. H. des ausschüttungsfähigen Gewinns lagen, können die Ausschüttungen nach dem Inkrafttreten der Körperschaftsteuerreform - worauf das FG zutreffend hingewiesen hat - bei 70 v. H. der ausschüttungsfähigen Gewinne, ebensogut aber auch höher oder niedriger liegen.

Im übrigen ist zu berücksichtigen, daß der Unternehmenswert der Gesellschaft von den Gewinnerwartungen, nicht aber von der Höhe der tatsächlichen Gewinnausschüttungen beeinflußt wird. Wird auf die Gewinnerwartungen der Gesellschaft abgestellt, können die thesaurierten Erträge nicht anders behandelt werden als die ausgeschütteten Gewinne. Denn Ertrag im Sinne von § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG ist der Betrag, über den die Anteilseigner verfügen können, indem sie ihn thesaurieren oder auf andere Weise verwenden (ausschütten). Die Höhe der Ausschüttung ist eine Folge der Anlagepolitik der Gesellschafter. Diese werden ihre Entscheidung danach treffen, ob es für sie auf längere Sicht voraussichtlich ertragreicher ist, Gewinne (Gewinnteile) zu thesaurieren oder in anderer Weise anzulegen. Diese Erwägungen wird auch ein fiktiver Käufer der Geschäftsanteile anstellen. Er wird bei seinen Kaufpreisüberlegungen berücksichtigen, daß sich die Anteilseigner dahin entschieden haben, daß eine Thesaurierung des Gewinns trotz der - seit 1. Januar 1977 nur vorübergehenden - Körperschaftsteuerbelastung die günstigere Anlageform ist. Es ist jedenfalls nicht ersichtlich, weshalb ein gedachter Erwerber der GmbH-Anteile für deren Kaufpreis deshalb weniger aufwenden sollte, weil die Gesellschafter beschlossen haben, die Gewinne nicht auszuschütten. Auch der gedachte Erwerber wird berücksichtigen, daß die nicht ausgeschütteten Gewinne den Wert der Anteile positiv beeinflussen, weil sie die Ertragskraft des Unternehmens steigern (vgl. z. B. das Urteil in BFHE 130, 336, BStBl II 1980, 463, unter Hinweis auf Moxter, DB 1976, 1585).

Im Ergebnis folgt der erkennende Senat der Auffassung der Vorinstanz und sieht in dem Abschlag von 30 v. H. gemäß Abschn. 78 Abs. 5 VStR 1977 einen Ausdruck vorsichtiger Schätzung (vgl. auch Moxter, DB 1976, 1588), der regelmäßig alle Unsicherheiten im Rahmen der Ermittlung des Ertragshundertsatzes ausreichend berücksichtigt. Die von der Klägerin begehrte Erhöhung dieses Abschlags ist deshalb nicht gerechtfertigt.