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BFH-Urteil vom 11.7.1984 (II R 177/81) BStBl. 1984 II S. 804

Ein Unternehmen hatte nur dann i. S. des § 29 Satz 2 UmwStG 1969 am 1. Januar 1968 bestanden, wenn es an diesem Stichtag als betriebswirtschaftlicher Organismus vorhanden gewesen war und ihm nicht seitdem wesentliche Teile entzogen worden waren. Rechtsträger und Rechtsform konnten dagegen seitdem gewechselt haben.

UmwStG 1969 § 29 Satz 2.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

I.

Das Stammkapital der Klägerin wurde 1972 erhöht. Den neuen Geschäftsanteil übernahm die X-GmbH, welche der Klägerin als Sacheinlage Vermögenswerte der in § 29 Satz 1 Nr. 2 UmwStG 1969 genannten Art übertrug.

Der Antrag auf Eintragung des Beschlusses über die Kapitalerhöhung ging beim Handelsregister im September 1972 ein. Die Eintragung erfolgte im Oktober 1973.

Das beklagte FA setzte gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVStG 1972) gegen die Klägerin Gesellschaftsteuer fest. Die beantragte Steuerbefreiung nach § 29 Satz 1 Nr. 2 des Umwandlungs-Steuergesetzes (UmwStG 1969) verweigerte es. Die im Mai 1970 gegründete und im selben Monat ins Handelsregister eingetragene X-GmbH habe nicht i. S. des § 29 Satz 2 UmwStG 1969 am 1. Januar 1968 bestanden.

Die Klage wies das Finanzgericht (FG) ab.

Mit ihrer Revision beantragt die Klägerin, den angefochtenen Steuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung und das FG-Urteil aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Der bisher festgestellte Sachverhalt läßt nicht erkennen, ob das übertragende Unternehmen i. S. des § 29 Satz 2 UmwStG 1969 am 1. Januar 1968 bestanden hat.

Die Vorschrift, daß das übertragende Unternehmen am 1. Januar 1968 bestanden haben mußte, begrenzte den Anwendungsbereich des § 29 UmwStG 1969 entsprechend dessen Sinn und Zweck. Die Begünstigung sollte die Anpassung von Unternehmensstrukturen an geänderte Verhältnisse erleichtern, sie war also auf bereits bestehende Unternehmen beschränkt, wobei der Gesetzgeber die Existenz am 1. Januar 1968 für ausreichend hielt. Diesem Sinngehalt entsprechend konnte es im vorliegenden Fall nicht darauf ankommen, daß die erst im Mai 1970 gegründete und ins Handelsregister eingetragene X-GmbH am 1. Januar 1968 rechtlich noch nicht bestanden hatte. Entscheidend ist vielmehr, ob das Unternehmen selbst - unabhängig von dem Rechtsträger und dessen Rechtsform - an diesem Stichtag schon vorhanden gewesen war (vgl. dazu die Urteile des Senats vom 8. August 1979 II R 119/78, BFHE 128, 553, BStBl II 1980, 11, und vom 21. Oktober 1981 II R 114/77, BFHE 134, 450, BStBl II 1982, 197). Denn für den bisherigen Bestand des Unternehmens kann nur derselbe Maßstab gelten, nach welchem das Gesetz auch den künftigen Fortbestand des umzustrukturierenden Vermögens beurteilte; und hier machte es die Steuervergünstigung davon abhängig, daß das Vermögen eines Unternehmens als Ganzes, ein Betrieb, ein Teilbetrieb oder ein Mitunternehmeranteil übertragen wurde. Nach dieser Formulierung mußte das umzustrukturierende Vermögen als wirtschaftliche Einheit erhalten bleiben. Wurden wesentliche Teile dieser Einheit von der Übertragung ausgenommen, so entfiel die Steuervergünstigung (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 8. Oktober 1975 II R 42/75, BFHE 117, 295, BStBl II 1976, 120, und vom 11. März 1981 II R 23/79, BFHE 133, 91, BStBl II 1981, 480).

Demzufolge hatte auch ein übertragendes Unternehmen nur dann i. S. des § 29 Satz 2 UmwStG 1969 am 1. Januar 1968 bestanden, wenn es seit diesem Stichtag unverändert als wirtschaftliche Einheit, d. h. als betriebswirtschaftlicher Organismus existiert hatte. War dieser Organismus in der Zwischenzeit durch Entzug wesentlicher Teile verändert worden, so war das (danach bestehende) übertragende Unternehmen nicht mehr mit dem am 1. Januar 1968 vorhanden gewesenen Unternehmen identisch, hatte also nicht im Sinne der genannten Vorschrift am Stichtag bestanden.

Der Senat kann den vorliegenden Fall nicht unter diesen vorgenannten Gesichtspunkten rechtlich würdigen, weil dazu die notwendigen tatsächlichen Feststellungen fehlen.

Die Sache wird daher an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).