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BFH-Urteil vom 3.8.1984 (VI R 129/79) BStBl. 1984 II S. 809

Erhalten Arbeitnehmer für tatsächlich geleistete Arbeit am 24. Dezember ab 16 Uhr und am 31. Dezember ab 21 Uhr neben dem Grundlohn tarifvertragliche Zuschläge, so können diese als "Feiertagszuschläge" steuerfrei sein.

EStG 1971 § 34a.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) nahm die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine AG, durch Lohnsteuer-Haftungsbescheid vom 4. November 1975 in Anspruch. Dem liegt u. a. folgender Sachverhalt zugrunde:

Nach den Manteltarifverträgen vom 18. November 1968 und vom 7. Januar 1974 hat die Klägerin ihren Arbeitnehmern

a) für Arbeit an gesetzlichen Feiertagen, die auf einen Sonntag fallen, sowie für Arbeit am 31. Dezember von 22 Uhr (ab 1974 21 Uhr) an einen Zuschlag von im Regelfall, d. h. innerhalb des Schichtenplans, 100 v. H. und

b) für Arbeit an gesetzlichen Feiertagen, die auf einen Werktag fallen, sowie für Arbeit am 24. Dezember von 16 Uhr an einen entsprechenden Zuschlag von 150 v. H. zu zahlen.

Im Rahmen einer im Jahre 1975 durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung wurde festgestellt, daß die Klägerin ihren Arbeitnehmern für Arbeit am 24. Dezember und am Silvestertag in den Jahren 1969 bis 1974 entsprechend der tarifvertraglichen Regelung Zuschläge von insgesamt 157.330 DM lohnsteuerfrei gezahlt hat. Der Prüfer und ihm folgend das FA sahen diese Zuschläge als steuerpflichtigen Arbeitslohn an, da der Heilige Abend und Silvester keine gesetzlichen Feiertage und die Zuschläge deshalb nicht steuerfrei seien. Der streitigen Lohnsteuer-Nachforderung sind nur 148.420 DM zugrunde gelegt, weil 1972 der Heilige Abend und Silvester auf einen Sonntag fielen und das FA die Zuschläge insoweit im Umfang der tarifvertraglichen Sonntagszuschläge von 50 v. H. steuerfrei belassen hat. Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es führte in seinem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1979, 554 veröffentlichten Urteil aus:

Die betreffenden Zuschläge seien als tarifvertragliche Zuschläge für Feiertagsarbeit steuerfrei. Die wortgleichen Begriffe "Feiertagsarbeit" in § 34 a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1971 seien nicht inhaltsgleich. Die Festlegung auf Arbeit zwischen 0 Uhr und 24 Uhr an "gesetzlichen" Feiertagen im Sinne der örtlich allgemein geltenden Vorschriften beziehe sich ausdrücklich nur auf Zuschläge, die "in anderen Fällen" (als denen des Absatzes 1) für Feiertagsarbeit gezahlt würden. Die Festlegung der Zuschläge im Sinne des Absatzes 1 sei dagegen nach Grund und Höhe dem Gesetz oder dem Tarifvertrag vorbehalten. Da dieser Vorbehalt ausdrücklich auch die Festlegung der Zuschläge "dem Grunde nach" betreffe, schließe er ein, daß die Tarifpartner Zuschläge für Feiertagsarbeit mit steuerlicher Wirkung für Arbeit nicht nur an gesetzlichen, sondern auch an anderen Feiertagen vereinbaren dürften. Diese Auslegung des § 34 a Abs. 1 EStG verstoße im Verhältnis zu der in Absatz 2 enthaltenen Zuschlagsbegünstigung nicht gegen das Gebot der Gleichmäßigkeit der Besteuerung.

Der in § 34 a Abs. 1 Satz 2 EStG verankerte Vorbehalt zugunsten der Tarifpartner habe allerdings dort seine Grenzen, wo diese Regelungsbefugnis offensichtlich mißbraucht werde. Ein Mißbrauch liege hier aber nicht vor. Denn der Heilige Abend und der Silvestertag seien zwar keine gesetzlichen Feiertage, aber im Bewußtsein der Bevölkerung mindestens ebenso als Feiertage verankert wie jene. Das gelte jedenfalls für den Teil dieser Tage, der in der tarifvertraglichen Zuschlagsregelung den gesetzlichen Feiertagen gleichgestellt sei, nämlich beim Heiligen Abend ab 16 Uhr und beim Silvestertag ab 22 bzw. 21 Uhr.

Mit der Revision macht das FA geltend, die Auslegung des FG verletze den § 34 a EStG. Der Heilige Abend und Silvester seien keine Feiertage. Es verstoße auch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn die Feiertagsarbeit in § 34 a Abs. 1 und 2 EStG unterschiedlich beurteilt würde.

Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben, soweit es die Lohnsteuernachforderung um 37.105 DM gemindert hat.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist nicht begründet.

1. Nach § 34 a Abs. 1 Satz 1 EStG 1971, der auf die Streitjahre 1971 bis 1973 unmittelbar und gemäß § 52 Abs. 23 EStG 1971 auch auf die Streitjahre 1969 und 1970 anwendbar ist, sind u. a. tarifvertragliche Zuschläge, die für tatsächlich geleistete Feiertagsarbeit neben dem Grundlohn gezahlt werden, steuerfrei, wenn weitere - hier nicht streitige - Voraussetzungen erfüllt sind. Die Zuschläge müssen nach Satz 2 dieser Vorschrift in einem Gesetz oder in einem Tarifvertrag dem Grunde und der Höhe nach festgelegt sein. Die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit für die hier gezahlten Zuschläge sind gegeben.

Was unter "Feiertagsarbeit" i. S. des § 34 a Abs. 1 EStG 1971 zu verstehen ist, ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch rechnen zu den Feiertagen indessen nur die gesetzlichen und die kirchlichen Feiertage. Dazu zählen weder der 24. Dezember noch der 31. Dezember. Ein Vergleich des § 34 a Abs. 1 EStG 1971 einerseits mit den Absätzen 2 und 3 des § 34 a EStG 1971 andererseits gestattet jedoch die Auslegung, wie sie das FG gefunden hat.

a) In § 34 a Abs. 1 EStG 1971 ist von "Feiertagsarbeit" die Rede. Derselbe Begriff wird zunächst in Absatz 2 verwendet. Aus § 34 a Abs. 2 Nr. 2 EStG 1971 ergibt sich aber, daß in diesem Absatz nur gesetzliche Feiertage gemeint sein können. Dies wird durch § 34 a Abs. 3 Nr. 3 EStG 1971 noch verdeutlicht.

In § 34 a Abs. 2 Nr. 2 EStG 1971, der nur für den Absatz 2, nicht aber auch für Absatz 1 gelten kann, ist erstmals ausdrücklich von "gesetzlichen Feiertagen" die Rede. Deshalb ist der Begriff der "Feiertagsarbeit" in Absatz 2 so zu verstehen, daß es sich um Arbeit an gesetzlichen Feiertagen handeln muß. Diese Folgerung wird durch Absatz 3 Nr. 3 bestätigt. Zwar gilt diese Vorschrift nach ihrem Einleitungssatz auch für Absatz 1. In ihr ist aber "Feiertagsarbeit" im Sinne des Absatzes 2 Ziff. 1 bis 3 die Arbeit von 0 bis 24 Uhr des jeweiligen Tages. Welche Tage "gesetzliche Feiertage" sind, bestimmen nach § 34 a Abs. 3 Nr. 3 Satz 2 EStG 1971 die am Ort der Arbeitsstätte geltenden Vorschriften. Daraus ist zu entnehmen, daß im Rahmen des Absatzes 2 nur Zuschläge für Arbeiten an gesetzlichen Feiertagen steuerfrei sind.

Da für Absatz 1 eine entsprechende Einschränkung fehlt, ist - argumentum e contrario - daraus zu folgern, daß für die Fälle des Absatzes 1 primär dem jeweiligen Tarifvertrag zu entnehmen ist, wann "Feiertagsarbeit" vorliegt (vgl. auch Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 3 b EStG Anm. 18; Blümich/Falk, Einkommensteuergesetz, 11. Aufl., § 3 b Rdnrn. 7 und 11; Klein/Flockermann/Kühr, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 3. Aufl., § 3 b Anm. 2 d (3) und Anm. 3 b (3); Baumdicker in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 3 b Rdnr. 16; Bals, Betriebs-Berater - BB - 1970, 1527, 1531). Eine Einschränkung, daß "Feiertagsarbeit" insoweit nur Arbeit an gesetzlichen Feiertagen sei, ist insoweit also nicht zwingend.

Allerdings meinen Hartz/Meeßen/Wolf (ABC-Führer Lohnsteuer, "Lohnzuschläge" C II.4) und Schmidt/Heinicke (Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 3. Aufl., § 3 b Anm. 2 b), daß Zuschläge für Arbeit an Heiligabend und Silvester selbst dann nicht steuerfrei seien, wenn für diese Tage nach dem Tarifvertrag Feiertagszuschläge gezahlt würden. Hartz/Meeßen/Wolf (a. a. O.) begründen das damit, daß sich § 34 a Abs. 3 Nr. 3 Satz 2 EStG 1971 auch auf Absatz 1 beziehe. Dem folgt der erkennende Senat jedoch nicht. Denn § 34 a Abs. 3 Nr. 3 Satz 1 EStG 1971 bezieht sich, wie bereits erwähnt, nach seinem Wortlaut nur auf Absatz 2. § 34 a Abs. 3 Nr. 3 Satz 2 EStG 1971 ist aber von seinem Standort - unmittelbar an Satz 1 anschließend - als auch von seinem Inhalt her lediglich eine Ergänzung des Satzes 1. Denn in Satz 1 wird gesagt, an welchen Stunden "des jeweiligen Tages" Feiertagsarbeit geleistet werden kann. Satz 2 erläutert sodann, welche (der jeweiligen) Tage gesetzliche Feiertage sind. Damit ist nicht nur Satz 1, sondern auch Satz 2 des § 34 a Abs. 3 Nr. 3 EStG 1971 auf die Fälle des Absatzes 2 beschränkt. Da für Absatz 1 eine entsprechende Beschränkung fehlt, ist eine unterschiedliche Auslegung der Absätze 1 und 2 des § 34 a EStG 1971, was die "Feiertagsarbeit" anbelangt, angezeigt.

Das vorstehende Verständnis des § 34 a Abs. 1 Satz 1 EStG 1971 wird noch durch Satz 2 dieser Vorschrift bestätigt. Denn danach sind die Zuschläge auch "dem Grunde nach" in einem Tarifvertrag festzulegen. Die Tarifvertragsparteien haben also - in noch zu beschreibendem Umfang - die Möglichkeit zu bestimmen, an welchen Tagen dem Grunde nach "Feiertagsarbeit" geleistet wird.

b) Für die vorstehende Auslegung spricht auch das Grundverhältnis zwischen § 34 a Abs. 1 EStG 1971 einerseits und Absatz 2 dieser Vorschrift andererseits.

Im Rahmen des Absatzes 1 steht den Tarifvertragsparteien weitgehende Autonomie zu; die Höhe der Zuschläge, die sie vereinbaren können und die damit steuerfrei sind, ist nicht begrenzt. Dagegen sind die Zuschläge "in anderen Fällen" (des Absatzes 2) nur in gesetzlich vorgegebenem Rahmen steuerfrei. Werden in solchen anderen Fällen tatsächlich höhere Zuschläge gezahlt, so sind sie insoweit steuerpflichtig. Daraus hat der Senat gefolgert, daß grundsätzlich den Vereinbarungen der Tarifvertragsparteien - bis zur Grenze des Mißbrauchs - zu entsprechen ist (vgl. hierzu Urteil vom 23. Januar 1981 VI R 190/77, BFHE 132, 446, BStBl II 1981, 371; s. auch Oeftering/Görbing, Das gesamte Lohnsteuerrecht, 5. Aufl., § 3 b EStG Anm. 14).

Der Gesetzgeber geht also offensichtlich davon aus, daß bei Vereinbarungen der Tarifvertragsparteien ein Mißbrauch weniger befürchtet werden muß als in anderen Fällen. Dann erscheint es auch vertretbar, den Tarifvertragsparteien grundsätzlich die Bestimmung zu überlassen, wann "Feiertagsarbeit" vorliegt.

c) Wie sich aus dem zuletzt bezeichneten Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) ergibt, dürfen die Tarifvertragsparteien ihre Regelungsbefugnis indessen nicht mißbrauchen. Deshalb könnte die Steuerfreiheit von Zuschlägen nicht anerkannt werden, soweit die Tarifpartner etwa jeden Mittwoch zum Feiertag erklärten. Ein derartiger Mißbrauch ist im Streitfall aber nicht feststellbar. Denn die Klägerin zahlte die Zuschläge für Arbeitszeiten am 24. Dezember ab 16 Uhr und am 31. Dezember ab 22 Uhr (ab 1974 21 Uhr). Es handelt sich insoweit um Zeiten, die von Steuerpflichtigen weitgehend als Feierstunden genutzt werden; Ladengeschäfte sind zu diesen Zeiten regelmäßig geschlossen. Berufliche Arbeit während dieser Stunden wird von der Bevölkerung als besonders unangenehm und lästig empfunden. Kaum jemand würde sich freiwillig bereitfinden, zu diesen Zeiten zu arbeiten. Die Gleichstellung von Arbeit zu diesen Zeiten mit Arbeit an gesetzlichen Feiertagen ist demnach verständlich und nicht mißbräuchlich. Dem FG ist zuzustimmen, daß sie sich auch im Rahmen des mit der Steuerbegünstigung von Zuschlägen für Feiertagsarbeit verfolgten Zwecks hält; denn danach sollen aus volks- und betriebswirtschaftlichen Gründen erforderliche Arbeiten zu ungewöhnlichen Zeiten für die betroffenen Arbeitnehmer attraktiver gemacht werden. Es soll ihnen ein finanzieller Ausgleich für die Unannehmlichkeiten, zu diesen Zeiten arbeiten zu müssen, gewährt werden. Ein solcher Ausgleich erscheint für Arbeit zu den hier in Rede stehenden Stunden angebracht.

Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob Zuschläge für Arbeit an Heiligabend und Silvester zu früheren Stunden ebenfalls steuerfrei wären.

d) Soweit das FA mit der Revision rügt, die Steuerbefreiung im Streitfall führe zu einer Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern, die unter die Regelung des § 34 a Abs. 2 EStG 1971 fallen, kann ihm nicht gefolgt werden.

Zum einen ist diese Ungleichbehandlung im Gesetz, was sich aus einem Vergleich der beiden Absätze 1 und 2 ergibt, bewußt herbeigeführt (vgl. auch vorstehend 1 b). Zum anderen könnten sich mit Erfolg auf eine solche Ungleichbehandlung nur Arbeitnehmer berufen, die dadurch benachteiligt werden. Die angebliche Ungleichbehandlung gestattet es aber nicht, die Arbeitnehmer, die von der Regelung begünstigt sind, auf das niedrigere Niveau der nicht begünstigten Arbeitnehmer "herunterzuschleusen".

2. Auf das Streitjahr 1974 ist § 34 a EStG 1974 anwendbar. Die Vorschrift stimmt indessen, soweit es hier von Interesse ist, mit § 34 a EStG 1971 sachlich überein. Damit kommt für dieses Streitjahr die Steuerfreiheit ebenso wie für die vorangegangenen Streitjahre in Betracht.