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BFH-Urteil vom 13.6.1984 (III R 131/80) BStBl. 1984 II S. 816

1. Einheitswertbescheide sind nur dann inhaltlich hinreichend bestimmt, wenn sie die Abgrenzung der wirtschaftlichen Einheit erkennen lassen.

2. Ist Eigentümer des Grund und Bodens der eine Ehegatte und wirtschaftlicher Eigentümer der aufstehenden Gebäude der andere Ehegatte, sind Grund und Boden und Gebäude nach § 26 Nr. 1 BewG trotz der Vorschrift des § 70 Abs. 3 BewG (Gebäude auf fremdem Grund und Boden) zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammenzufassen.

BewG 1965 §§ 26, 70 Abs. 3.

Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) war an dem hier streitigen Stichtag 1. Januar 1974 Eigentümerin des Grundstücks X, Y-Straße 8, mit einer Grundstücksfläche von 4.890 qm. Das Grundstück war durch Realteilung eines größeren, damals der Mutter der Klägerin gehörenden Grundstücks entstanden und der Klägerin im Jahr 1968 übergeben worden. Eine Teilfläche von 2.500 qm hatte der Ehemann der Klägerin seit 1961 aufgrund eines Pachtvertrages mit Betriebsgebäuden für seinen gewerblichen Betrieb bebaut. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) hatte diese Fläche wegen der betrieblichen Nutzung nach altem Recht (Wertverhältnisse 1. Januar 1935) durch Bescheid vom 11. Dezember 1964 als eigene wirtschaftliche Einheit - Grundvermögen, unbebautes Grundstück - bewertet und der Mutter der Klägerin zugerechnet. Diese Feststellungen hatte das FA auch für den Hauptfeststellungszeitpunkt 1. Januar 1964 aufgrund der Angaben der Mutter der Klägerin in der Erklärung zur Feststellung des Einheitswerts getroffen. Der Bescheid trägt das Datum vom 25. Januar 1971 und ist außer an die Mutter der Klägerin auch an eine Schwester der Klägerin als "Rechtsnachfolgerin" adressiert.

Zum Stichtag 1. Januar 1974 führte das FA mit Bescheid vom 15. August 1974 eine Zurechnungsfortschreibung auf die Klägerin durch. Dieser Bescheid enthielt nachrichtlich die Feststellungen zu Wert und Art aus dem Hauptfeststellungsbescheid und wurde der Klägerin bekanntgegeben. Mit Bescheid vom 10. Juni 1975 erfaßte das FA zusätzlich durch einen Wert- und Artfortschreibungsbescheid die Veränderung der Grundstücksfläche und bewertete die wirtschaftliche Einheit wegen der aufstehenden Betriebsgebäude auf fremdem Grund und Boden gemäß § 94 Abs. 1 Satz 3 2. Halbsatz des Bewertungsgesetzes 1965 (BewG) als Geschäftsgrundstück.

Auf den Einspruch, mit dem die Klägerin die Zulässigkeit der Wert- und Artfortschreibung auf den 1. Januar 1974 bezweifelte, berichtigte das FA den Wertansatz des Grund und Bodens und bezog die bisher als eigene wirtschaftliche Einheit - Gebäude auf fremdem Grund und Boden - bewerteten Betriebsgebäude des Ehemannes der Klägerin gemäß § 26 Nr. 1 i. V. m. § 119 Abs. 1 BewG in die wirtschaftliche Einheit des Grundstücks mit ein. Im übrigen wies das FA den Einspruch zurück.

Das Finanzgericht (FG) hat den Ehemann der Klägerin zum Verfahren beigeladen, der Klage stattgegeben und den Bescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufgehoben. Zur Begründung führte es aus: Voraussetzung für eine Fortschreibung gemäß § 22 BewG sei die Existenz eines Einheitswertbescheides für die jeweilige wirtschaftliche Einheit. Im Hauptfeststellungsbescheid sei irgendeine Teilfläche mit der Größe von 2.500 qm aus der Flur 8, Flurstück 38, bewertet worden. Das FA habe damit zwar möglicherweise die an den Ehemann der Klägerin verpachtete Fläche erfassen wollen, es sei aber nicht bekannt, ob dieser am 1. Januar 1964 lediglich 2.500 qm oder bereits 4.890 qm gepachtet gehabt habe. Der Bescheid sei inhaltlich nicht hinreichend bestimmt; denn aus ihm lasse sich nicht feststellen, welche Teilfläche bewertet worden sei; er sei deshalb nichtig. Im übrigen sei in diesem Bescheid nicht die Klägerin, sondern eine ihrer Schwestern als Rechtsnachfolgerin bezeichnet und der Bescheid dieser bekanntgegeben worden.

Da dem Zurechnungsfortschreibungsbescheid auf den 1. Januar 1974 damit die erforderliche Grundlage fehle, sei auch dieser Bescheid nichtig. Er sei auch deshalb nichtig, weil er nicht hinreichend bestimmt sei. Durch diesen Bescheid habe das FA das Grundstück X, Y-Straße bewerten wollen. Dem Bescheid sei jedoch nicht zu entnehmen, ob damit ein drittes Grundstück oder die Flur 8, Flurstück 38, ganz oder teilweise gemeint sei.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 125 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977).

Außer der Flurstückbezeichnung und der Größe des Grundstücks von 2.500 qm seien zwar keine weiteren Angaben zur Bezeichnung des Grundstücks im Bescheid enthalten; dies führe jedoch nicht zur Nichtigkeit des Bescheides. Die damalige Eigentümerin und Empfängerin des Bescheides habe erkennen können, um welche 2.500 qm es sich gehandelt habe.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage.

1. a) Gemäß § 22 Abs. 2 BewG ist über die Art oder Zurechnung des Gegenstandes eine neue Feststellung zu treffen (Artfortschreibung oder Zurechnungsfortschreibung), wenn sie von der zuletzt getroffenen Feststellung abweicht und es für die Besteuerung von Bedeutung ist. Die Fortschreibung eines Einheitswerts setzt danach begrifflich und wesensnotwendig voraus, daß vorher schon ein Einheitswert auf einen Hauptfeststellungszeitpunkt (§ 21 BewG), einen Nachfeststellungszeitpunkt (§ 23 BewG) oder einen Fortschreibungszeitpunkt (§ 22 Abs. 4 BewG) festgestellt worden ist (vgl. Ritzer, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1980, 12 ff.).

b) Das FG ist von dieser Rechtslage ausgegangen. Es hat jedoch angenommen, daß die dem Wert- und Artfortschreibungsbescheid auf den 1. Januar 1974 vorangegangenen Feststellungsbescheide für den Hauptfeststellungszeitraum 1964 nichtig seien. Dem folgt der Senat nicht.

aa) Entscheidend ist, daß der Hauptfeststellungsbescheid, wie sich aus dem vom FG in Bezug genommenen Berechnungsbogen zum Hauptfeststellungsbescheid ergibt, der Mutter der Klägerin als Grundstückseigentümerin im Hauptfeststellungszeitpunkt bekanntgegeben worden ist. Dieser Bescheid ist inhaltlich hinreichend bestimmt und damit entgegen der Ansicht des FG nicht nichtig. Für den Hauptfeststellungsbescheid galt noch altes Abgabenrecht, d. h. die Reichsabgabenordnung (AO). Im Geltungsbereich der AO war nach der sog. Evidenztheorie ein Verwaltungsakt dann nichtig, wenn er an einem schweren, für jedermann ohne Schwierigkeiten erkennbaren Mangel litt (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 19. Dezember 1963 III 77/62, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Reichsabgabenordnung, § 91, Rechtsspruch 19, und vom 27. November 1968 III 244/64, BFHE 94, 517, BStBl II 1969, 250). Ein solcher Mangel liegt auch vor, wenn der Inhalt eines Steuerbescheides zu unbestimmt oder so unvollständig ist, daß er nicht ausgelegt werden kann (vgl. Tipke/Kruse, Reichsabgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 91 AO Anm. 32). Insbesondere muß der Inhalt von Feststellungsbescheiden über Einheitswerte die Abgrenzung der zu bewertenden wirtschaftlichen Einheit erkennen lassen (vgl. Gürsching/Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 7. Aufl., § 19 BewG Rdnr. 33).

Entgegen der Auffassung des FG konnte die Mutter der Klägerin als Empfängerin des Hauptfeststellungsbescheides erkennen, welche Teilfläche durch den Bescheid bewertet worden ist. Zum Hauptfeststellungszeitpunkt hatte das FA aus der der Mutter der Klägerin gehörenden Gesamtgrundstücksfläche 2.500 qm wegen der betrieblichen Nutzung durch den Ehemann der Klägerin als eigene wirtschaftliche Einheit bewertet. Diese Grundstücksfläche konnte unter Berücksichtigung des Bescheides vom 11. Dezember 1964 sowie der von der Mutter der Klägerin als Grundstückseigentümerin abgegebenen Erklärung zur Feststellung des Einheitswerts mit hinreichender Sicherheit zugeordnet werden. Die zu bewertende wirtschaftliche Einheit ist dadurch in ausreichendem Maße abgegrenzt.

bb) Ob auch der der Schwester der Klägerin zugestellte Bescheid wirksam geworden ist, ist nicht mehr entscheidungserheblich.

2. Auch der Zurechnungsfortschreibungsbescheid auf den 1. Januar 1974 vom 15. August 1974 war wirksam. Er enthält zwar nur die Lagebezeichnung X, Y-Straße. Für die Klägerin war aber ersichtlich, auf welche wirtschaftliche Einheit er sich bezog. Denn ihr Ziel im Rechtsbehelfs- und Rechtsmittelverfahren war die Aufrechterhaltung dieses Bescheides hinsichtlich Wert und Art.

3. a) Der Wert- und Artfortschreibungsbescheid auf den 1. Januar 1974 vom 10. Juni 1975 konnte danach vom FA erlassen werden, da ihm bestandskräftige Feststellungsbescheide zugrunde lagen. Die Feststellungen zum Einheitswert auf den 1. Januar 1974 mußten auch nicht durch eine Nachfeststellung gemäß § 23 BewG erfolgen, da die wirtschaftliche Einheit schon seit 1961 bestand und, wie auch die Klägerin in der Revisionserwiderung selbst vorträgt, durch den Übergabevertrag lediglich vergrößert worden ist.

Der Wert- und Artfortschreibungsbescheid ist auch inhaltlich hinreichend bestimmt; die Lagebezeichnung X, Y-Straße entspricht der des Zurechnungsfortschreibungsbescheides und grenzt damit die zu bewertende wirtschaftliche Einheit ausreichend und für den Empfänger erkennbar ab.

b) Der Wert- und Artfortschreibungsbescheid auf den 1. Januar 1974 ist auch nicht deshalb nichtig, weil er dem Ehemann der Klägerin als Eigentümer der auf dem Grundstück befindlichen Betriebsgebäude nicht bekanntgegeben wurde.

In die angefochtene Feststellung waren die Betriebsgebäude des Ehemannes der Klägerin nicht miteinbezogen. Die Bewertung ist lediglich hinsichtlich der Grundstücksart gemäß § 94 Abs. 1 Satz 3 2. Halbsatz BewG als Geschäftsgrundstück erfolgt. Eine Bekanntgabe des Bescheides an den Ehemann der Klägerin erübrigte sich deshalb.

Das FA hat in der Einspruchsentscheidung den Grund und Boden der Klägerin und die ihrem Ehemann gehörenden Betriebsgebäude zutreffend zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammengefaßt. Nach § 2 Abs. 2 BewG kommen zwar mehrere Wirtschaftsgüter als wirtschaftliche Einheit nur insoweit in Betracht, als sie demselben Eigentümer gehören. Nach § 26 Nr. 1 BewG steht jedoch die fehlende Eigentümeridentität der Bildung einer wirtschaftlichen Einheit nicht im Wege, wenn die mehreren Eigentümer Ehegatten sind, die gemeinsam zur Vermögensteuer zu veranlagen sind (§ 119 Abs. 1 BewG i. V. m. § 14 Abs. 1 Nr. 1 des Vermögensteuergesetzes). Ist Eigentümer des Grund und Bodens der eine Ehegatte und wirtschaftlicher Eigentümer der aufstehenden Gebäude der andere Ehegatte, scheitert die Zusammenfassung von Grund und Boden und Gebäude zu einer wirtschaftlichen Einheit nicht an der mangelnden Eigentümeridentität. Hieran ändert nichts die Regelung des § 70 Abs. 3 BewG, wonach als Grundstück im Sinne des BewG auch ein Gebäude gilt, das auf fremdem Grund und Boden errichtet ist. Denn für die Anwendung von § 70 Abs. 3 und § 94 BewG ist nur Raum, wenn das Eigentum an Grund und Boden und Gebäude auch unter Berücksichtigung der besonderen steuerrechtlichen Zurechnungsvorschriften auseinanderfällt. Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn und soweit § 26 Nr. 1 BewG eingreift.

Die Einspruchsentscheidung ist dem Ehemann der Klägerin auch bekanntgegeben worden. Die Klägerin und ihr Ehemann wurden von demselben Steuerberater, dem jetzigen Prozeßbevollmächtigten, schon im Rechtsbehelfsverfahren vertreten. Diesem sind, wie aus der Aktenverfügung zur Einspruchsentscheidung hervorgeht, zwei Ausfertigungen der inhaltlich auch den Ehemann der Klägerin betreffenden Einspruchsentscheidung zugestellt worden. Im übrigen hätte der Ehemann der Klägerin gegen den ihm bekanntgegebenen Aufhebungsbescheid für die wirtschaftliche Einheit der Betriebsgebäude auf fremdem Grund und Boden Einspruch einlegen und sich so auch gegen die Einbeziehung der Betriebsgebäude in die wirtschaftliche Einheit des Grundstücks wenden können.