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BFH-Urteil vom 4.7.1984 (II R 188/82) BStBl. 1984 II S. 831

1. Hat das FG die durch einen Bevollmächtigten erhobene Klage durch Prozeßurteil als unzulässig abgewiesen, weil die Prozeßvollmacht nicht nachgewiesen wurde, so kann der Mangel der Vollmacht im Revisionsverfahren nur noch behoben werden, wenn bereits vor Erlaß des Prozeßurteils eine schriftliche Vollmacht ausgestellt war (Anwendung des Beschlusses des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 17. April 1984 GmS-OGB 2/83, HFR 1984, 389). Der Mangel der Vollmacht kann in diesen Fällen jedoch nicht mehr behoben werden, wenn die nach Art. 3 § 1 VGFG-EntlG mit ausschließender Wirkung gesetzte Frist für das Einreichen der Vollmacht verstrichen ist.

2. Hat das FG die Klage durch Prozeßurteil abgewiesen, weil der Prozeßbevollmächtigte keine Prozeßvollmacht vorlegte, so sind die Kosten des Verfahrens vor dem FG zu Recht dem Kläger selbst und nicht dem vollmachtlosen Prozeßbevollmächtigten auferlegt worden, wenn der Kläger sein Klagebegehren durch Revision gegen das FG-Urteil weiterverfolgt.

FGO § 62, § 135, § 155; ZPO § 89; VGFG-EntlG Art. 3 § 1.

Vorinstanz: FG Düsseldorf

Sachverhalt

I.

Die Steuerbevollmächtigte B hatte namens der Kläger gegen zwei Grunderwerbsteuerbescheide des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) Klage erhoben. Prozeßvollmachten waren nicht beigefügt und wurden trotz mehrfacher Aufforderungen auch nicht vorgelegt. In der mündlichen Verhandlung vom 27. April 1982, zu welcher die Steuerbevollmächtigte mit Postzustellungsurkunde durch Niederlegung zur Post geladen war, hat das Finanzgericht (FG) die Klage als unzulässig abgewiesen; die Kosten wurden den Klägern auferlegt. Die Entscheidung wurde verkündet. Sie ist damit begründet, daß eine Prozeßvollmacht nicht vorgelegt worden sei. Das Urteil ist der Steuerbevollmächtigten am 21. Juli 1982 mit Postzustellungsurkunde durch Niederlegung zur Post zugestellt worden.

Mit Schriftsatz vom 8. November 1982 haben die Kläger, vertreten durch zwei Rechtsanwälte (Prozeßbevollmächtigte), gegen das Urteil des FG vom 27. April 1982 Revision eingelegt und mit Schreiben vom 9. November 1982, beim FG eingegangen am 15. November 1982, wegen möglicher Versäumung der Revisionsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung tragen sie vor und versichern an Eides Statt, daß sie das FG-Urteil erst am 5. November 1982 erhalten hätten. Erst an diesem Tage seien sie durch eine Kostenforderung der Gerichtskasse auf das Urteil aufmerksam gemacht worden. Wenn die Klage aber wegen fehlender Vollmacht der Steuerbevollmächtigten als unzulässig abgewiesen worden sei, so sei auch die Zustellung des Urteils an die Steuerbevollmächtigte fehlerhaft, so daß die Rechtsmittelfrist nicht zu laufen begonnen habe. Weiter tragen die Kläger vor, daß sie die Steuerbevollmächtigte zwar gebeten haben, für sie Klage beim FG zu erheben, von ihr aber nie aufgefordert worden seien, ihr eine schriftliche Vollmacht zu erteilen.

Die Kläger beantragen, unter Aufhebung der Vorentscheidung nach den erstinstanzlichen Anträgen zu erkennen.

Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen.

Entscheidungsgründe

II.

1. Die Revision ist zulässig. Sie ist insbesondere innerhalb der in § 120 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) festgelegten Revisionsfrist eingelegt worden.

Dahinstehen kann, ob den Klägern selbst das Urteil am 5. November 1982 zugestellt worden ist oder ob eine förmliche Zustellung bisher überhaupt nicht erfolgt ist. Denn das Urteil des FG ist verkündet worden, mithin im Zeitpunkt der Verkündung wirksam geworden, so daß eine vor der förmlichen Zustellung eingelegte Revision als innerhalb der Revisionsfrist eingelegt angesehen werden muß (vgl. u. a. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 120 FGO Tz. 11).

Die Revisionsfrist war zur Zeit der Revisionseinlegung noch nicht abgelaufen. Die Frist endet gemäß § 120 Abs. 1 FGO innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils. Wurde das Urteil den Klägern am 5. November 1982 zugestellt, so ist diese Frist zweifelsfrei gewahrt. Eine frühere Zustellung, die gegenüber den Klägern die Revisionsfrist hätte in Lauf setzen können, ist nicht erfolgt. Insbesondere müssen sich die Kläger nicht die Zustellung an die Steuerbevollmächtigte zurechnen lassen; denn diese Zustellung ist gegenüber den Klägern nicht wirksam. Zustellungen des Gerichts sind nach § 62 Abs. 3 Satz 3 FGO an einen Vertreter zu richten, wenn er zum Bevollmächtigten bestellt worden ist. Bestellt im Sinne dieser Vorschrift ist ein Bevollmächtigter nur dann, wenn die ihm schriftlich erteilte Vollmacht dem FG vorliegt. Das folgt aus § 62 Abs. 3 Sätze 1 und 2 FGO, wonach die Vollmacht schriftlich zu erteilen ist (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. August 1976 VII R 95/75, BFHE 119, 391, BStBl II 1976, 689, und vom 12. August 1981 I B 72/80, BFHE 134, 216, BStBl II 1982, 128). Dem FG hat bis zur Zustellung des Urteils an die Steuerbevollmächtigte keine auf diese lautende Vollmacht der Kläger vorgelegen.

Angesichts der Rechtzeitigkeit der Revision ist der Antrag der Kläger auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegenstandslos.

2. Die Revision ist jedoch unbegründet, weil das FG die Klage zu Recht mangels Vollmacht als unzulässig abgewiesen hat.

Gemäß § 62 Abs. 3 FGO ist die Vollmacht schriftlich zu erteilen. Sie kann nachgereicht werden. Wird keine Vollmacht vorgelegt, so ist die Klage durch Prozeßurteil als unzulässig abzuweisen (BFH-Urteil vom 1. April 1971 IV R 208/69, BFHE 102, 442, BStBl II 1971, 689). Nach dieser Entscheidung konnte der Mangel der nicht nachgewiesenen Vollmacht auch noch im Revisionsverfahren dadurch geheilt werden, daß entweder die Klage genehmigt oder die Vollmacht des Vertreters für das vorinstanzliche Verfahren nachgewiesen wurde; dabei sollte es keinen Unterschied machen, ob die Vollmacht nicht vorgelegt wurde, obwohl sie vorhanden war, oder ob sie nicht vorgelegt wurde, weil sie nicht erteilt war. Dagegen hat der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes mit Beschluß vom 17. April 1984 GmS-OGB 2/83, dem sich der erkennende Senat anschließt, entschieden, daß eine Heilung des Mangels der Vollmacht im Rechtsmittelverfahren nur dann möglich ist, wenn eine schriftlich erteilte Vollmacht bereits vor Erlaß des Prozeßurteils der Vorinstanz ausgestellt worden war. Wird dagegen eine Bevollmächtigung erst für die Zeit nach Erlaß des Prozeßurteils nachgewiesen, kann der Mangel der Vollmacht nicht behoben werden. Eine solche Bevollmächtigung kann nur noch für die Zukunft wirken. Die darin enthaltene nachträgliche Genehmigung kann keine Wirkung mehr für die Vergangenheit entfalten und nicht zur Zulässigkeit des Klageverfahrens führen, weil mit dem Erlaß des Prozeßurteils durch das FG keine genehmigungsfähige Rechtslage mehr besteht (auszugsweise veröffentlicht in Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung [HFR] 1984, 389).

So liegt aber der Streitfall. Wie sich aus der eidesstattlichen Erklärung der Kläger vom 11. November 1982 ergibt, war im Zeitpunkt der Verkündung des klageabweisenden Urteils keine Vollmacht für die Steuerbevollmächtigte ausgestellt. Die den Prozeßbevollmächtigten im Revisionsverfahren erteilten schriftlichen Vollmachten vom 8. November 1982 sind nicht geeignet, diesen Mangel rückwirkend zu beseitigen.

Ohne Belang ist, daß der Steuerbevollmächtigten eine gerichtliche Frist zur Vorlage der Vollmachten nicht wirksam gesetzt worden ist, weil die jeweiligen Verfügungen lediglich mit Handzeichen abgezeichnet sind, denn anders als im Fall des § 89 Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozeßordnung - ZPO - (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 42. Aufl., § 88 Anm. 2 A) sieht § 62 Abs. 3 Satz 2 FGO eine Fristsetzung nicht zwingend als Voraussetzung für den Erlaß des Urteils vor (vgl. Tipke/Kruse, a. a. O., § 62 FGO Tz. 11). Wird allerdings eine Ausschlußfrist nach Art. 3 § 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (VGFG-EntlG) gesetzt, so hat das Verstreichenlassen dieser Frist zur Folge, daß der spätere Nachweis der bereits vorliegenden Vollmacht nicht mehr zulässig ist (BFH-Urteile vom 26. August 1982 IV R 31/82, BFHE 136, 351, BStBl II 1983, 23, und vom 14. April 1983 V R 4/80, BFHE 138, 21, BStBl II 1983, 421).

Die Kostenentscheidung des FG ist nicht zu beanstanden, weil die Kläger die Erhebung der Klage selbst veranlaßt haben. Aus den gesamten Umständen ergibt sich, daß die Steuerbevollmächtigte in ihrem (der Kläger) Auftrag gehandelt hat; die Kläger haben dies auch ausdrücklich vorgetragen. Im übrigen haben sie durch die vorbehaltlose Fortsetzung des Prozesses im Revisionsverfahren zu erkennen gegeben, daß die Klageerhebung nicht ohne ihre Einwilligung erfolgt ist. Damit konnten die Kläger zwar nachträglich nicht mehr die Sachurteilsvoraussetzung der ordnungsgemäßen Vollmacht herbeiführen. Hieraus ergibt sich aber, daß die Steuerbevollmächtigte nicht ohne Einwilligung der Kläger gehandelt hat, so daß nicht jene, sondern die Kläger die Kosten zu tragen haben (BFH-Urteil vom 11. Januar 1980 VI R 11/79, BFHE 129, 305, BStBl II 1980, 229).