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BFH-Urteil vom 27.6.1984 (II R 12/80) BStBl. 1984 II S. 850

Das Halten eines im Land Berlin zugelassenen Kfz-Anhängers mit 3 Achsen und einem verkehrsrechtlich zulässigen Gesamtgewicht von 22.000 kg ist seit dem 1. Mai 1978 nur dann von der Kraftfahrzeugsteuer befreit, wenn die in § 1 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 der Berliner Verordnung vom 8. Februar 1978 "zur Durchführung des Gesetzes zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes vom 3. August 1950" bezeichneten Voraussetzungen erfüllt sind.

Vorläufige Verfassung von Groß-Berlin von 1946 Art. 2, 3, 5, 11 Abs. 1, 12 Abs. 4, 5, 33 Abs. 1, 35 Abs. 1; Verfassung von Berlin von 1950 Art. 47 Abs. 1; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 80 Abs. 1 Satz 2; FGO § 36 Nr. 1, § 118 Abs. 1 Satz 2, § 183 Satz 1; FVG § 22; AO 1977 § 218; Drittes Überleitungsgesetz von 1952 § 12 Abs. 1, § 13 Abs. 1; KraftStG 1972 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3, § 11 Nr. 5; KraftStG 1979 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Nr. 2, § 9 Abs. 1 Nr. 3, § 10 Abs. 5; Berliner KraftStÄndG von 1950 Art. I Nr. 2, Art. II; Berliner Durchführungsbestimmungen von 1950 zum KraftStÄndG § 1 Abs. 1; Berliner Durchführungsverordnung von 1978 zum KraftStÄndG § 1 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3; Berliner AOAnwG § 1 Abs. 1 Nr. 4.

Vorinstanz: FG Berlin

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH mit Sitz in Berlin. Gegenstand ihres Unternehmens ist die Vermietung von Nutzfahrzeugen. Im Jahre 1977 war für sie in Berlin ein Anhänger mit dem amtlichen Kennzeichen ... zum Verkehr auf öffentlichen Straßen zugelassen worden (Gesamtgewicht 22.000 kg, 3 Achsen). Für das Halten dieses Fahrzeugs war Kraftfahrzeugsteuer zunächst nicht erhoben worden aufgrund der "Durchführungsbestimmungen zu dem durch Gesetz vom 3. August 1950 geänderten Kraftfahrzeugsteuergesetz" vom 16. September 1950 - DB 1950 - (Verordnungsblatt für Groß-Berlin - VOBl Berlin - 1950, 471, Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin - GVBl Bln -, Sonderband II Gliederungsnummer 6111-2). Erst nachdem der Senat von Berlin am 8. Februar 1978 verordnet hatte, daß die erwähnten Durchführungsbestimmungen mit Ablauf des Monats April 1978 außer Kraft treten und daß ab 1. Mai 1978 das Halten eines im Land Berlin zugelassenen Anhängers nur unter bestimmten Voraussetzungen von der Kraftfahrzeugsteuer befreit ist ("Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes vom 3. August 1950" vom 8. Februar 1978 - DVO 1978 -, GVBl Bln 1978, 745), setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) durch Bescheid vom 19. Dezember 1978 für die Zeit ab 1. Mai 1978 die Kraftfahrzeugsteuer auf 5.957,50 DM fest (bei jährlicher Entrichtung der Steuer); den Einspruch wies er zurück. Die in der DVO 1978 bezeichneten Voraussetzungen für die Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer seien nicht erfüllt.

Mit ihrer Anfechtungsklage hat die Klägerin beantragt, den Steuerbescheid und die Einspruchsentscheidung aufzuheben. Die beiden Verwaltungsakte seien rechtswidrig. Denn die erwähnte DVO 1978, auf die das FA sie gestützt habe, sei ungültig. Ihr fehle die gesetzliche Grundlage. Art. I Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes vom 3. August 1950 - KraftStÄndG - (VOBl Berlin 1950, 379) biete keine ausreichende Rechtsgrundlage, weil diese Ermächtigung durch die DB 1950 "verbraucht" sei. Eine "Einschränkung der bisher geltenden Steuerfreiheit" sei "nicht im Verordnungswege möglich" gewesen, sondern hätte "im Gesetzeswege erfolgen müssen".

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Der angefochtene Kraftfahrzeugsteuerbescheid sei rechtmäßig. Insbesondere sei die DVO 1978, auf die er gestützt sei, gültig. Das FG hat die Revision zugelassen, weil es der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimißt.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung des Art. 80 des Grundgesetzes (GG) und wiederholt ihre Ansicht, die DVO 1978 sei "aufgrund fehlender Ermächtigung nichtig". Sie beantragt, "in Abänderung des Urteils vom 22. Dezember 1979 ... den Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 19. Dezember 1978 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 21.3.1979 aufzuheben", hilfsweise, die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Revision der Klägerin ist zulässig. Insbesondere ist der Bundesfinanzhof (BFH) zuständig, über die Revision gegen das Urteil des FG Berlin zu entscheiden. Das folgt aus § 36 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die FGO gilt nach Maßgabe des § 12 Abs. 1 und des § 13 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Stellung des Landes Berlin im Finanzsystem des Bundes vom 4. Januar 1952 - Drittes Überleitungsgesetz - (BGBl I 1952, 1, BStBl I 1952, 13) auch im Land Berlin (§ 183 Satz 1 FGO). Beide Gesetze sind vom Land Berlin übernommen worden: Das Dritte Überleitungsgesetz durch Gesetz vom 12. Juni 1952 (GVBl Bln 1952, 393), die FGO durch Gesetz vom 25. Oktober 1965 (GVBl Bln 1965, 1603). Durch ihre Übernahme nach Berlin haben sie ihre rechtliche Qualität als Bundesrecht nicht verloren (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 20. Januar 1966 1 BvR 140/62, BVerfGE 19, 377, 388). Der allgemeine Vorbehalt der Drei Mächte, wonach Berlin nicht durch den Bund regiert ("governed") werden darf, steht der Überprüfung des angefochtenen Urteils durch den BFH nicht entgegen (vgl. BVerfG-Beschluß vom 21. Mai 1957 2 BvL 6/56, BVerfGE 7, 1, 16).

II.

Die Revision der Klägerin ist zurückzuweisen, weil sie unbegründet ist (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat den angefochtenen Bescheid zutreffend für rechtmäßig erachtet.

1. Die Klägerin schuldet Kraftfahrzeugsteuer in der vom FA festgesetzten Höhe, weil für sie im Jahre 1977 im Land Berlin ein Kfz-Anhänger zum Verkehr auf öffentlichen Straßen zugelassen worden ist und weil dort das Halten eines Kfz-Anhängers seit dem 1. Mai 1978 nur noch unter bestimmten Voraussetzungen steuerfrei ist, diese Voraussetzungen aber bei der Klägerin nicht gegeben sind.

Diese Rechtsfolge ergibt sich

a) für die Zeit vom 1. Mai 1978 bis zum Ablauf des 31. Mai 1979 aus § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Nr. 1 Buchst. a, § 10 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3, § 11 Abs. 1 Nr. 5 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes i. d. F. vom 1. Dezember 1972 - KraftStG 1972 - (BGBl I 1972, 2209, BStBl I 1972, 551), das gemäß den erwähnten Vorschriften des Dritten Überleitungsgesetzes auch im Land Berlin gilt (die Neufassung ist bekanntgemacht im GVBl Bln 1973, 6), und aus Art. I Nr. 2, Art. II KraftStÄndG i. V. m. den §§ 1, 2 DVO 1978;

b) für die Zeit ab 1. Juni 1979 aus § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1 und 3, § 7 Nr. 1, § 8 Nr. 2, § 9 Abs. 1 Nr. 3, § 10 Abs. 5 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes vom 1. Februar 1979 - KraftStG 1979 - (BGBl I 1979, 132, BStBl I 1979, 96), das gemäß den erwähnten Vorschriften des Dritten Überleitungsgesetzes auch im Land Berlin gilt (die Neufassung ist bekanntgemacht im GVBl Bln 1979, 390), und aus Art. I Nr. 2, Art. II Kraft-StÄndG i. V. m. den §§ 1, 2 DVO 1978.

2. Die erwähnte DVO 1978 ist gültig. Durch sie hat der Senat von Berlin die DB 1950 (wonach die Kraftfahrzeugsteuer für Anhänger und Sattelschlepperanhänger "vom 1. Juli 1950 an bis auf weiteres nicht erhoben" wurde) außer Kraft gesetzt und die Voraussetzungen bestimmt, unter denen ab 1. Mai 1978 das Halten von im Land Berlin zugelassenen Kfz-Anhängern von der Kraftfahrzeugsteuer befreit ist. Hierzu war er gesetzlich ermächtigt.

a) Ermächtigungsgrundlage ist Art. I Nr. 2 und Art. II KraftStÄndG. Durch diese Vorschriften wurde der Magistrat (Finanzabteilung) von Groß-Berlin ermächtigt, "die Steuer für Anhänger und Sattelschlepperanhänger bis auf weiteres nicht zu erheben" und "die zur Durchführung dieses Gesetzes erforderlichen Vorschriften" zu erlassen. Die Befugnis der Stadt Groß-Berlin, früheres Reichsrecht (nämlich das Kraftfahrzeugsteuergesetz vom 23. März 1935 - KraftStG 1935 - samt Änderungen und Ergänzungen) zu ändern und die bezeichnete Ermächtigung zu erteilen, beruht auf der Vorläufigen Verfassung von Groß-Berlin vom 13. August 1946 - fortan VVvB - (VOBl Berlin 1946, 294) und der Erklärung der Alliierten Kommandantura Berlin über die "Grundsätze der Beziehungen der Stadt Groß-Berlin zu der Alliierten Kommandantura" vom 14. Mai 1949 (abgedruckt in Heidelmeyer/Hindrichs, Dokumente zur Berlin-Frage 1944 bis 1966, 3. Aufl., 1967 S. 114, 115), wodurch der Stadt Groß-Berlin für ihr Gebiet die "volle gesetzgebende Gewalt übertragen" worden war (unter einigen hier nicht einschlägigen Vorbehalten).

Die Ermächtigungsvorschrift ist Berliner Landesrecht, denn sie ist von den verfassungsmäßigen Organen Groß-Berlins in der vorgeschriebenen Weise erlassen worden. Zwar war sie ursprünglich als "Abgabenrecht des Landes Berlin, das als Bundesrecht bis zum 31. Dezember 1952 in Kraft bleibt", angesehen worden (Anlage 2 Nr. 7 zum Berliner Gesetz zur Übernahme des Dritten Überleitungsgesetzes vom 12. Juni 1952, GVBl Bln 1952, 393, 396). Aber die Worte "als Bundesrecht" sind außer Kraft gesetzt worden durch Anordnung der Alliierten Hohen Kommission vom 17. Januar 1952 (Amtsblatt - ABl - der Alliierten Hohen Kommission vom 25. Januar 1952, 1468, bekanntgemacht im GVBl Bln 1952, 397, und im BGBl I 1952, 115). Die Ermächtigungsvorschrift war über den 31. Dezember 1952 hinaus zunächst bis zum 31. Dezember 1954, dann "bis auf weiteres anzuwenden" (Art. I Nr. 1 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Dritten Überleitungsgesetzes vom 25. Dezember 1954, BGBl I 1954, 504, vom Land Berlin übernommen durch Gesetz vom 31. Dezember 1954, GVBl Bln 1955, 6, 7).

Ob das Urteil des FG auf einer Verletzung von Berliner Landesrecht beruht, darf der erkennende Senat prüfen, weil durch Landesgesetz die Vorschriften der FGO (und damit auch die über die Revision) für anwendbar erklärt worden sind (§ 118 Abs. 1 Satz 2 FGO): Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 des Berliner Gesetzes über den Anwendungsbereich der Abgabenordnung und anderer Abgabengesetze vom 21. Juni 1977 - AOAnwG - (GVBl Bln 1977, 1394) findet auf Steuern, soweit sie durch Berliner Finanzbehörden verwaltet werden und nicht durch Bundesrecht geregelt sind, die Finanzgerichtsordnung vom 6. Oktober 1965 (BGBl I 1965, 1477, GVBl Bln 1965, 1603) Anwendung. Zu den Steuern, die durch Berliner Finanzbehörden verwaltet werden, gehört auch die Kraftfahrzeugsteuer. Das folgt aus § 22 des Finanzverwaltungsgesetzes (FVG) i. d. F. des Finanzanpassungsgesetzes vom 30. August 1971 - FAnpG - (BGBl I 1971, 1426, BStBl I 1971, 390), das gemäß seinem Art. 16 nach Maßgabe des § 12 Abs. 1 und des § 13 Abs. 1 des Dritten Überleitungsgesetzes auch im Land Berlin gilt und vom Land Berlin übernommen worden ist (Anlage 4 des Berliner Gesetzes zur Übernahme von Gesetzen vom 7. September 1971, GVBl Bln 1971, 1722, 1745, 1751). Nicht durch Bundesrecht, sondern - wie dargelegt - durch Landesrecht ist die Ermächtigung geregelt, die Kraftfahrzeugsteuer für Anhänger und Sattelschlepperanhänger bis auf weiteres nicht zu erheben (vgl. auch § 10 Abs. 5 KraftStG 1979).

b) Die Ermächtigung ist nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt. Entgegen der Ansicht der Klägerin läßt sich ein dahin gehendes Erfordernis zwar nicht aus Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG herleiten, wonach "Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmt werden" müssen. Denn diese Vorschrift ist - unabhängig davon, ob ihrer Anwendung in Berlin etwa der erwähnte Vorbehalt der Drei Mächte entgegensteht - auf Landesrecht nicht unmittelbar anwendbar (BVerfG-Beschluß vom 25. November 1980 2 BvL 7, 8, 9/76, BVerfGE 55, 207, 226). Das Erfordernis hinreichender Bestimmtheit einer landesgesetzlichen Ermächtigung zum Erlaß einer Rechtsverordnung läßt sich aber ableiten aus den allgemeinen Grundsätzen eines demokratischen Verfassungssystems, wie sie schon in der seinerzeit geltenden Vorläufigen Verfassung von Groß-Berlin (z. B. in deren Art. 2, 3, 5) Ausdruck gefunden haben. Denn das Demokratieprinzip besagt, daß die Ordnung eines der staatlichen Regelung offenstehenden Lebensbereichs durch Sätze des objektiven Rechts auf eine Willensentschließung der vom Volke bestellten Gesetzgebungsorgane zurückgeführt werden muß (vgl. BVerfG-Beschluß vom 14. Juni 1983 2 BvR 488/80, BVerfGE 64, 208, 214). Zur Klärung von Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung können (wie auch sonst bei der Auslegung einer Vorschrift) der Sinnzusammenhang der Norm mit anderen Vorschriften sowie das Ziel, das die gesetzliche Regelung insgesamt verfolgt, berücksichtigt werden; auch die Entstehungsgeschichte kann insoweit herangezogen werden (BVerfG-Beschluß in BVerfGE 55, 207, 226). Unter Berücksichtigung dessen, daß Inhalt, Zweck und Ausmaß einer Ermächtigung sich nicht immer streng gegeneinander abgrenzen lassen, läßt sich für die Ermächtigungsvorschrift des Art. I Nr. 2, Art. II KraftStÄndG sagen:

- Inhalt der Ermächtigung ist, "die Steuer ... nicht zu erheben".

- Zweck der Ermächtigung ist, das KraftStÄndG "durchzuführen", und zwar mit dem Ziele, die besonderen Verhältnisse des Landes Berlin (insbesondere die durch dessen Insellage beeinträchtigte Wettbewerbsfähigkeit der Westberliner Fuhrunternehmer) angemessen zu berücksichtigen. Dieser Zweck ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Ermächtigungsvorschrift, wohl aber aus deren Zusammenhang mit dem wenige Monate vorher erlassenen "Gesetz zur Förderung der Wirtschaft von Groß-Berlin (West)" vom 7. März 1950 (BGBl 1950, 41). Dessen Zweck war "die Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit der Westberliner Wirtschaft mit der Wirtschaft des Bundesgebiets" (Begründung des Entwurfs eines Gesetzes über Hilfsmaßnahmen zur Förderung der Berliner Wirtschaft vom 6. Februar 1950, BT-Drucks. Nr. 496 S. 5). Demselben Zweck diente auch die bezeichnete Ermächtigungsvorschrift. Darüber hinaus diente sie der Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der Westberliner Fuhrunternehmer auch gegenüber den Fuhrunternehmern "aus Ostberlin und in der Ostzone". Für eine dahin gehende Erweiterung der Förderungsmaßnahmen hatte der Gesetzgeber einen konkreten Anlaß: Im "Ostsektor Berlins und in der Ostzone" wurde die Steuer für Anhänger und Sattelschlepperanhänger seit 1. April 1949 nicht mehr erhoben. Es erschien dringend geboten, den Westberliner Fuhrunternehmen die gleichen Steuervergünstigungen zu gewähren, damit sie gegenüber den Fuhrunternehmen aus "Ostberlin und in der Ostzone" konkurrenzfähig bleiben konnten (Begründung zum Entwurf des KraftStÄndG, Drucksachen der Stadtverordnetenversammlung von Groß-Berlin, II. Wahlperiode, Nr. 587 vom 21. Januar 1950). In der Folgezeit konnte es infolge der veränderten politischen Verhältnisse nicht mehr zu einem Wettbewerb zwischen Westberliner und Ostberliner Fuhrunternehmen kommen. Dadurch wurde indes die Ermächtigungsvorschrift nicht - wie die Klägerin meint - "sinnentleert". Vielmehr behielt sie weiterhin ihren Sinn, Standortnachteile der Westberliner Unternehmer ausgleichen zu helfen. Für diese Auffassung spricht die Tatsache, daß gemäß § 10 Abs. 5 KraftStG 1979 die Ermächtigung des Art. I Nr. 2 KraftStÄndG "unberührt" bleibt. Die Vorschrift wurde auf Veranlassung des Bundesrats eingefügt durch Art. I Nr. 8 des Bundesgesetzes zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes vom 22. Dezember 1978 (BGBl I 1978, 2063, 2066, BStBl I 1979, 65). Dieses Gesetz gilt gemäß seinem Art. 5 nach Maßgabe des § 12 Abs. 1 und des § 13 Abs. 1 des Dritten Überleitungsgesetzes auch im Land Berlin und wurde vom Land Berlin übernommen durch Art. I Nr. 2 des Gesetzes zur Übernahme von Gesetzen vom 8. Januar 1979 (GVBl Bln 1979, 34, 35). Der Bundesrat wollte damit klarstellen, daß die Ermächtigung des Art. I Nr. 2 Kraft-StÄndG unverändert fortgilt (Nr. 4 seiner Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes, BR-Drucks. 36/78 - Beschluß - vom 17. Februar 1978). Dessen hätte es nicht bedurft, wenn diese Vorschrift ihren Sinn verloren gehabt hätte.

- Das Ausmaß der Ermächtigung zeigt sich darin, daß die Kraftfahrzeugsteuer nur für "Anhänger und Sattelschlepperanhänger" und nur "bis auf weiteres" nicht zu erheben ist.

c) Die DVO 1978 hält sich im Rahmen der Ermächtigung.

Der Senat von Berlin durfte die DVO 1978 erlassen. Die Ermächtigung, welche ursprünglich dem Magistrat von Groß-Berlin erteilt worden war (Art. I Nr. 2, Art. II KraftStÄndG; Art. 11 Abs. 4 und 5 VVvB), war mit dem Inkrafttreten der Verfassung von Berlin am 1. Oktober 1950 auf den Senat von Berlin, als der nunmehr sachlich zuständigen Stelle, übergegangen (Art. 47 Abs. 1, Art. 89 der Verfassung von Berlin). Er durfte die bis dahin geltenden, noch vom Magistrat von Groß-Berlin erlassenen DB 1950 außer Kraft setzen, weil erkennbar geworden war, daß mit ihnen der oben bezeichnete Zweck der Ermächtigung nicht mehr erreicht werden konnte, sondern eher vereitelt wurde. In der Begründung der Vorlage vom 17. Februar 1978 über die DVO 1978 (Drucksache 7/1149 des Abgeordnetenhauses von Berlin S. 2) ist hierzu ausgeführt: "Etwa seit 1975 werden in stark zunehmendem Maße Kraftfahrzeuganhänger im Land Berlin zugelassen, deren Standort im Land Berlin nur vorgetäuscht wird. Außerdem werden von Leasing-Firmen in großer Zahl - im Einzelfall bis zu 250 - Anhänger nach ihrer Zulassung im Land Berlin langfristig in andere Bundesländer vermietet. Die Anhänger werden nicht im Land Berlin genutzt und auch nicht bei Fahrten im Berlin-Verkehr eingesetzt. Die hierdurch eintretende Steuerersparnis kann im Einzelfall beträchtlich sein. Sie beträgt z. B. bei einem 22-t-Gesamtgewicht-Dreiachsenanhänger rd. 6.000 DM jährlich ... Die durch die Begründung von Scheinstandorten im Land Berlin eintretende Steuerersparnis hat im westdeutschen Anhänger-Handel und Fuhrgewerbe zu erheblichen Wettbewerbsnachteilen geführt."

Die Ermächtigung, die Steuer "bis auf weiteres nicht zu erheben", schloß die Befugnis ein, durch Rechtsnormen die Nichterhebung der Kraftfahrzeugsteuer für Anhänger und Sattelschlepperanhänger ab 1. Mai 1978 von bestimmten Voraussetzungen abhängig zu machen, um sicherzustellen, daß die Steuervergünstigung allein dem vom Gesetzgeber verfolgten Zweck diente und nicht mißbraucht wurde. In diesem Zusammenhang durfte der Senat auch den sprachlichen Ausdruck des Gesetzgebers, "Steuer ... nicht zu erheben", verdeutlichen durch den Ausdruck "Von der Kraftfahrzeugsteuer ist befreit ...". Der in der Ermächtigungsvorschrift gebrauchte Ausdruck, "Steuer ... nicht zu erheben", geht nach seinem Sinn und Zweck über den wortgleichen Ausdruck, wie er im Steuerverfahrensrecht verwendet wird, hinaus. Im Steuerverfahrensrecht wird unterschieden zwischen Festsetzungsverfahren (§§ 155 ff. der Abgabenordnung - AO 1977 -), Erhebungsverfahren (§§ 218 ff. AO 1977) und Vollstreckungsverfahren (§§ 249 ff. AO 1977); in § 85 AO 1977 ist der Besteuerungsgrundsatz normiert, daß die Finanzbehörden die Steuer nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und "zu erheben" haben. Demgegenüber hat in der Ermächtigungsvorschrift der Begriff, "Steuer ... nicht zu erheben", keine verfahrensrechtliche, sondern eine materiell-rechtliche Bedeutung. Es handelt sich nicht - wie die Klägerin meint - um die Ermächtigung zu einer "Steuervergünstigung eigener Art", nämlich zu einem "Rechtsanspruch auf Nichterhebung einer an sich geschuldeten Steuer", sondern um die Ermächtigung, die Voraussetzungen einer Steuerbefreiung zu normieren. Zwar ist in der Ermächtigung nicht ausdrücklich vorgeschrieben, daß die "zur Durchführung" des KraftStÄndG erforderlichen Vorschriften die Rechtsqualität einer Rechtsverordnung haben, d. h. Rechtsnormen sein müssen, die von einer zur Rechtsetzung befugten Stelle ausgehen und sich, ohne Gesetz zu sein, an die Allgemeinheit wenden und für jedermann gelten. Es ergibt sich dies aber hinreichend deutlich schon daraus, daß Ermächtigungsadressat der Magistrat von Groß-Berlin war, also diejenige Stelle, welche die "Verordnungen ... zur Durchführung der geltenden ... Regelungen" erließ (Art. 11 Abs. 1, Art. 35 Abs. 1 VVvB), und daß die "Verordnung" dasjenige Rechtsinstrument war, durch das allein "eine Angelegenheit ... allgemein rechtsverbindlich geregelt werden" konnte (Art. 33 Abs. 1 VVvB). Hinsichtlich des an die Stelle des Magistrats getretenen Senats von Berlin bestimmt Art. 47 Abs. 1 Satz 1 der Berliner Verfassung, daß der Senat "die zur Durchführung eines Gesetzes erforderlichen Rechtsverordnungen" erläßt.

Die Klägerin meint, der Senat von Berlin habe zwar "von sich aus die Steuerbefreiung für Anhänger rückgängig machen" dürfen, dies "jedoch nur generell, d. h. ohne Ausnahme". Nicht ermächtigt sei er gewesen, eine neue Steuerbefreiung zu normieren mit dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit der Westberliner Fuhrunternehmer mit den Westdeutschen Fuhrunternehmern zu erhalten. Denn dadurch werde der Ermächtigung "ein ganz anderer Sinn und Zweck" unterlegt. Für eine solche Steuerbefreiung würde es "einer neuen gesetzlichen Ermächtigung" bedurft haben.

Dieser Auffassung liegt die Vorstellung zugrunde, alleiniger Zweck der Ermächtigung sei es gewesen, die Wettbewerbsfähigkeit der Westberliner Fuhrunternehmer mit den "Fuhrunternehmen aus Ostberlin und der Ostzone" zu erhalten. Diese Ansicht ist aus den zu Abschn. 2 b dargelegten Gründen unrichtig. Gegen sie spricht auch der Wortlaut der Ermächtigungsvorschrift. Er läßt nicht erkennen, daß die Ermächtigung begrenzt sein und festgeschrieben werden solle, allein auf den von der Klägerin aus der Begründung des Gesetzes entnommenen Zweck (s. oben Abschn. 2 b). Näher liegt es anzunehmen, daß der in der Begründung des Gesetzes beschriebene Sachverhalt lediglich Anlaß für den Gesetzgeber war, die bezeichnete Ermächtigung zu erteilen, es aber sein Wille war, darüber hinaus auch bei anderen künftig entstehenden und die Konkurrenzfähigkeit der Westberliner Fuhrunternehmen auf andere Weise nachteilig beeinflussenden Sachverhalten die Steuer für das Halten von im Land Berlin zugelassenen Kfz-Anhängern "nicht zu erheben". Für diese Annahme spricht, daß der Gesetzgeber nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, selbst eine Steuerbefreiung allein für den in der Gesetzesbegründung beschriebenen Sachverhalt zu normieren, sondern daß er den Magistrat ermächtigt hat, "die zur Durchführung dieses Gesetzes erforderlichen Vorschriften zu erlassen". Damit hat er deutlich gemacht, daß der in Art. I Nr. 2 KraftStÄndG nur allgemein umschriebene Steuerbefreiungstatbestand nicht als vollständig anzusehen ist und daß es in erster Linie Sache des Magistrats, später des Senats von Berlin (nicht der Gerichte) sein soll, ihn näher abzugrenzen und den jeweiligen wirtschaftlichen und politischen Gegebenheiten anzupassen, zumal da dies im Wege einer DVO rascher und einfacher möglich ist, als es im förmlichen Gesetzgebungsverfahren möglich wäre (vgl. in diesem Zusammenhang auch Urteil des Reichsfinanzhofs vom 18. November 1925 VI B 223/25, RFHE 18, 46, 47).

Es verstößt nicht gegen das aus Art. 2 Abs. 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Übermaßverbot, zu dem auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehört, wenn der Senat von Berlin aufgrund der Ermächtigung verordnet hat, daß ab 1. Mai 1978 das Halten von im Land Berlin zugelassenen Kfz-Anhängern (mit mehr als einer Achse und einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 2.000 kg) nur noch dann (auf Antrag) von der Kraftfahrzeugsteuer befreit ist, wenn die Anhänger "zum Anlagevermögen eines Betriebs (einer Betriebsstätte) im Land Berlin gehören und während des Zeitraums, für den die Steuer jeweils zu entrichten wäre, in einem solchen Betrieb (in einer solchen Betriebsstätte) verbleiben", und wenn ferner der Steuerpflichtige die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung eindeutig und leicht nachprüfbar nachweist (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 DVO 1978). Denn diese vom Verordnungsgeber eingesetzten Mittel waren geeignet und erforderlich, um den erstrebten Zweck zu erreichen.