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BVerwG-Urteil vom 21.9.1984 (8 C 62.82) BStBl. 1984 II S. 870

Ein Grundsteuer-Änderungsbescheid, der erst nach dem auf den Erlaßzeitraum folgenden 31. März ergeht und die zuvor für den Erlaßzeitraum festgesetzte Grundsteuer heraufsetzt, eröffnet (nur) für einen durch diese Grundsteuererhöhung veranlaßten Erlaßantrag eine (neue) dreimonatige Ausschlußfrist im Sinne des § 34 Abs. 2 Satz 2 GrStG.

Die Erhaltung eines Gebäudes liegt nur dann im öffentlichen Interesse im Sinne des § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG, wenn die dem Grundbesitz wegen der Bedeutung dieses Gebäudes etwa für die (Heimat-) Geschichte von der Rechtsordnung auferlegte Unrentierlichkeit auf Nutzungsbeschränkungen (etwa des förmlichen Denkmalschutzes) beruht, die über das hinausgehen, was Grundstückseigentümern von der Rechtsordnung, insbesondere durch das Baurecht allgemein an Rücksichtnahme auf Gemeininteressen zugemutet wird.

Das Merkmal "in der Regel" in § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG hebt auf eine Unrentierlichkeit als Dauerzustand ab. Ihre Feststellung erfordert eine prognostizierende Beurteilung auf der Grundlage u. a. der wirtschaftlichen Daten der Vergangenheit.

GrStG § 32 Abs. 1 Nr. 1, § 34 Abs. 2 Satz 2.

Vorinstanzen: VG Stuttgart vom 19. Januar 1981 - 4 K 236/80 - VGH Mannheim vom 29. April 1982 - 2 S 821/81 -

Sachverhalt

Die Kläger erstreben die Verpflichtung der beklagten Gemeinde zum Erlaß der Grundsteuer vom Rechnungsjahr 1978 an. Sie sind zu je einem Drittel Miteigentümer eines Grundstücks in der Altstadt von E. Als sie das Grundstück erwarben, befand sich darauf ein Altbau mit qualifiziertem Sichtfachwerk aus dem Beginn des 16. Jahrhunderts, den das Denkmalamt als Kulturdenkmal im Sinne des § 2 Abs. 1 des Denkmalschutzgesetzes des Landes Baden-Württemberg - DSchG - einstufte. Es legte Wert darauf, daß von diesem Gebäude bei dem von den Klägern beabsichtigten Neubau so viel historische Substanz wie möglich erhalten bleibe.

Die Kläger entschlossen sich dementsprechend, das Fachwerk über einem neuen Erdgeschoß unter weitgehender Erhaltung der vorhandenen Hölzer wiederaufzurichten. Am 26. August 1976 erteilte daraufhin die Beklagte die Genehmigung zum Abbruch des Altbaues und zum Neubau eines dreigeschossigen Geschäfts- und Wohngebäudes mit Auflagen, die dessen Anpassung an die Umgebung und insbesondere die Umgebung des benachbarten Stadttors sicherstellen sollten. Das Vorhaben, das Fachwerk mit den alten Hölzern wiederaufzurichten, konnte allerdings nicht verwirklicht werden, da sich herausstellte, daß nur noch ein paar alte Fachwerkhölzer in dem neuen Fachwerk wiederverwendet werden konnten. Das Gebäude wurde Ende 1977 fertiggestellt.

Von 1978 an wurden die Kläger jährlich zur Grundsteuer herangezogen, 1978 in Höhe von 1.947,97 DM, 1979 und 1980 in Höhe von jeweils 1.875,82 DM. Mit Schreiben vom 11. Januar 1979 beantragten sie unter Bezugnahme auf § 32 GrStG den Erlaß der Grundsteuer für ihr Grundstück ab 1979. Am 18. Mai 1979 teilten sie mit, im Antrag vom 11. Januar 1979 sei infolge eines Schreibfehlers der Erlaß der Grundsteuer versehentlich erst ab 1979 beantragt worden. Der Antrag werde dahin gehend richtiggestellt, daß der Erlaß vom 1. Januar 1978 an begehrt werde. Mit einem weiteren Schreiben vom 8. Juni 1979 stützten sie den Erlaßantrag auch auf Billigkeitsgründe. Mit Bescheid vom 24. April 1980 lehnte die Beklagte den Erlaßantrag ab.

Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren haben die Kläger Klage erhoben und beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 24. April 1980 sowie deren Widerspruchsbescheid vom 17. Juli 1980 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Grundsteuer vom Kalenderjahr 1978 an zu erlassen, hilfsweise, die genannten Bescheide aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, sie - die Kläger - unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Zur Begründung haben die Kläger im ersten und zweiten Rechtszug im wesentlichen vorgetragen: Sie hätten Anspruch auf einen Grundsteuererlaß nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG. Dem jetzigen Neubau könne die erforderliche Bedeutung für Kunst, Geschichte oder Wissenschaft nicht abgesprochen werden. Er stehe an derselben Stelle wie der Altbau und sei äußerlich dem historischen Stadtbild angepaßt. Auch bestehe ein öffentliches Interesse an der Erhaltung des Grundbesitzes, was dadurch bestätigt werde, daß bei Wiedererrichtung des Bauwerks die erwähnten Auflagen hätten erfüllt werden müssen. Der Rohertrag liege nachhaltig unter den jährlichen Kosten. Jedenfalls sei die Ablehnung eines auf § 227 AO gestützten Grundsteuererlasses durch die Beklagte ermessensfehlerhaft. Die Beklagte habe zu Unrecht eine sachliche Unbilligkeit verneint.

Durch Urteil vom 19. Januar 1981 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Der dagegen eingelegten Berufung der Kläger hat das Berufungsgericht durch Urteil vom 29. April 1982 unter Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung stattgegeben. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:

Die Klage sei mit dem auf zeitlich unbegrenzten Erlaß gerichteten Hauptantrag zulässig. Zwar werde der Erlaß nach § 34 Abs. 1 GrStG jeweils nach Ablauf eines Kalenderjahres für die Grundsteuer ausgesprochen, die für das Kalenderjahr festgesetzt worden sei (Erlaßzeitraum). In den Fällen des § 32 GrStG bedürfe es jedoch nach § 34 Abs. 3 GrStG keiner jährlichen Wiederholung des Erlaßantrags, so daß der einmal bewilligte Erlaß für die weiteren Erlaßzeiträume grundsätzlich fortwirke. Der Erlaßantrag der Kläger sei selbst hinsichtlich des Erlaßzeitraums 1978 - und zwar ungeachtet der Ausschlußfrist des § 34 Abs. 2 Satz 2 GrStG - mit Schreiben vom 18. Mai 1979 rechtzeitig gestellt worden, da die Jahressteuer für 1978 durch den Grundsteuer-Änderungsbescheid vom 31. Januar 1980 heraufgesetzt worden sei.

Die sachlichen Voraussetzungen für einen Erlaß der Grundsteuer nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG seien gegeben. Nach dieser Vorschrift sei die Grundsteuer zu erlassen für Grundbesitz oder Teile von Grundbesitz, dessen Erhaltung wegen seiner Bedeutung für Kunst, Geschichte, Wissenschaft oder Naturschutz im öffentlichen Interesse liege, wenn die erzielten Einnahmen und die sonstigen Vorteile (Rohertrag) in der Regel die jährlichen Kosten unterschritten. Daß die letztgenannte Voraussetzung bei dem umstrittenen Grundbesitz gegeben sei, werde von keiner Seite in Zweifel gezogen und brauche deshalb nicht nachgeprüft zu werden. Die Erhaltung des Gebäudes liege wegen seiner Bedeutung für die Heimatgeschichte auch im öffentlichen Interesse.

Entgegen der Annahme der Beklagten seien Neubauten nicht von vornherein vom Anwendungsbereich des § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG ausgeschlossen. Zwar komme dem Neubau der Kläger nach heutiger Anschauung selbst längerfristig nicht mehr die Bedeutung eines Kulturdenkmals im Sinne des § 2 Abs. 1 DSchG zu, weil von der ursprünglichen, erhaltenswerten Substanz des Anwesens praktisch nichts mehr vorhanden sei, wenn man von wenigen Balken des Holzfachwerks absehe. Das schließe jedoch einen Anspruch auf Erlaß der Grundsteuer nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG nicht aus. Diese bundesrechtliche Vorschrift könne nicht schlechthin im Sinne einer Verweisung auf die landesrechtliche Begriffsbestimmung des Kulturdenkmals ausgelegt werden. Im Hinblick auf das schützenswerte Gesamtbild der Umgebung des Grundbesitzes der Kläger bestehe aus heimatgeschichtlichen Gründen ein öffentliches Interesse an der Erhaltung des Fachwerkneubaues. In seiner unmittelbaren Nachbarschaft stehe nämlich das Stadttor, das als Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung gemäß § 12 DSchG im Denkmalbuch eingetragen sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie eine Verletzung des § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG rügt.

Die Kläger treten der Revision entgegen.

Der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Das angefochtene Urteil beruht auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Das Begehren der Kläger, ihnen die Grundsteuer für ihr Grundstück vom Jahr 1978 an zu erlassen, ist unbegründet. Weder steht ihnen ein Erlaßanspruch nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG zur Seite, noch bedeutet die Einziehung der unverkürzten Grundsteuer für sie eine (sachliche) unbillige Härte im Sinne des § 227 AO. Das rechtfertigt die Zurückweisung ihrer Berufung gegen das klagabweisende Urteil erster Instanz (§ 144 Abs. 3 Nr. 1 VwGO).

Hinsichtlich des Erlaßzeitraums 1978 scheitert ein Erlaßanspruch nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG schon deshalb, weil die Kläger ihr Erlaßbegehren insoweit verspätet geltend gemacht haben. Gemäß § 34 Abs. 2 Satz 2 GrStG ist ein Erlaßantrag "bis zu dem auf den Erlaßzeitraum folgenden 31. März zu stellen". Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts haben die Kläger den Erlaßantrag für das Jahr 1978 erst am 18. Mai 1979 und damit nach Ablauf der Ausschlußfrist des § 34 Abs. 2 Satz 2 GrStG gestellt. Der Ansicht des Berufungsgerichts, der Antrag sei gleichwohl als rechtzeitig anzusehen, weil die Jahressteuer für 1978 noch durch den Grundsteuer-Änderungsbescheid vom 31. Januar 1980 heraufgesetzt worden ist, kann nicht gefolgt werden. Zwar trifft es zu, daß ein Grundsteuer-Änderungsbescheid, der erst nach dem auf den Erlaßzeitraum folgenden 31. März ergeht und die früher für eben diesen Erlaßzeitraum festgesetzte Grundsteuer heraufsetzt, für einen durch die Grundsteuererhöhung veranlaßten Erlaßantrag eine dreimonatige Ausschlußfrist eröffnet. Die Verspätung eines wie hier bereits zuvor - und d. h. unabhängig von der Grundsteuererhöhung - gestellten Erlaßantrags bleibt dadurch jedoch unberührt.

Im übrigen haben die Kläger - und das ist ausschlaggebend für die Jahre von 1979 an - keinen Erlaßanspruch nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG, weil auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts für die Erhaltung des auf ihrem Grundstück errichteten Fachwerkneubaues kein öffentliches Interesse im Sinne der genannten Vorschrift besteht.

Gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG ist die Grundsteuer zu erlassen für Grundbesitz (oder Teile von Grundbesitz), wenn er - erstens - privilegiert im Sinne dieser Bestimmung ist ("Grundbesitz ..., dessen Erhaltung wegen seiner Bedeutung für Kunst, Geschichte, Wissenschaft oder Naturschutz im öffentlichen Interesse liegt") und - zweitens - infolge der durch das öffentliche Erhaltungsinteresse ausgelösten Nutzungs- und Verfügungsbeschränkungen in der Regel unrentabel ist ("die erzielten Einnahmen und die sonstigen Vorteile [Rohertrag] in der Regel unter den jährlichen Kosten liegen"). Das Berufungsgericht hat angenommen, bei dem Grundbesitz der Kläger handle es sich um privilegierten Grundbesitz in diesem Sinne. Die Erhaltung des Fachwerkneubaues liege wegen seiner Bedeutung für die Heimatgeschichte im öffentlichen Interesse. Zwar sei der Neubau selbst nicht als ein Kulturdenkmal im Sinne des § 2 Abs. 1 des baden-württembergischen Gesetzes zum Schutz der Kulturdenkmale vom 25. Mai 1971 (GBl S. 209) - DSchG - zu qualifizieren. Doch stehe das einem Anspruch auf Erlaß der Grundsteuer nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG nicht entgegen. Denn diese Vorschrift könne nicht im Sinne einer Verweisung auf die landesrechtliche Begriffsbestimmung des Kulturdenkmals verstanden werden. Sie sei vielmehr auch auf einen Neubau anzuwenden, dessen Substanz als solche nicht schützenswert und der seinerseits kein Kulturdenkmal sei, wenn an seiner Erhaltung mit Rücksicht auf das schützenswerte Gesamtbild der Umgebung eines gemäß § 12 DSchG eingetragenen Kulturdenkmals - hier des Stadttors - ein öffentliches Interesse im Sinne des § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG bestehe. Das sei bei dem Fachwerkneubau der Kläger der Fall. Zwar sei auf ihrem Grundstück auch ein hinreichend maßstäblich eingefügter Neubau aus anderen Baumaterialien genehmigungsfähig gewesen. Doch spreche aus denkmalschutzrechtlicher Sicht mehr für die Erhaltung des Fachwerkneubaues, da er mehr als ein Neubau aus anderen Baumaterialien auf die denkmalschutzwürdige Umgebung eingehe. Diese Würdigung entspricht nicht der Rechtslage.

Zuzustimmen ist dem Berufungsgericht, wenn es meint, aus § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG lasse sich nichts für die Annahme herleiten, der Bundesgesetzgeber habe mit diesem Tatbestand landesrechtliche Begriffe wie etwa den des Kulturdenkmals übernehmen oder auf landesrechtliche Vorschriften des Denkmalschutzes verweisen wollen. Eine solche Auffassung verbietet sich schon deshalb, weil der Bundesgesetzgeber selbst den Tatbestand des § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG unter Aneinanderreihung zahlreicher Merkmale ausformuliert hat. Nicht zu beanstanden ist ferner die Ansicht des Berufungsgerichts, die genannte Vorschrift finde ihrem Regelungsgehalt nach nicht nur auf die in ihrer Substanz beispielsweise aus heimatgeschichtlichen Gründen denkmalgeschützten Gebäude einschließlich von Neubauten Anwendung, sondern darüber hinaus auch auf Gebäude bzw. sonstigen Grundbesitz, der zum schützenswerten Erscheinungsbild der Umgebung eines etwa - wie hier das Stadttor - gemäß § 12 DSchG eingetragenen Kulturdenkmals gehört. Jedoch hat das Berufungsgericht die Anforderungen verkannt, die an die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals "öffentliches Interesse" im Sinne des § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG zu stellen sind.

Für das Verständnis namentlich des Tatbestandsmerkmals "öffentliches Interesse" ist auszugehen davon, daß durch § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG eine Regel durchbrochen wird, nämlich die Regel, daß für jeden Grundbesitz - mag er rentabel sein oder nicht - Grundsteuer zu entrichten ist, und daß deshalb an das Vorliegen der Voraussetzungen, die ein Abgehen von dieser Regel rechtfertigen, (relativ) hohe Anforderungen zu stellen sind. Das zwingt zu der Annahme, daß (im Ergebnis zu Lasten des Grundstückseigentümers, der eine Grundsteuerbefreiung begehrt) für die Anwendbarkeit des § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG nicht jedes allgemeine - etwa durch Ermittlung einer Mehrheitsmeinung oder des Urteils von Experten erkennbar werdende - öffentliche Interesse ausreicht. Es muß sich vielmehr um ein besonderes öffentliches Interesse handeln, und zwar besonders vor allem darin, daß es in rechtlichen Bindungen (zugunsten der in § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG bezeichneten Zwecke) zum Ausdruck kommt, die über das hinausgehen, was Grundstückseigentümern von der Rechtsordnung allgemein zugemutet wird, d. h. Bindungen, die den Eigentümern zur Unrentierlichkeit führende zusätzliche Nutzungsbeschränkungen auferlegen. Für Grundbesitz, der - wie hier - aus heimatgeschichtlichen Gründen bedeutsam ist, folgt daraus: Ein öffentliches Interesse im Sinne des § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG kann insoweit nur angenommen werden, wie für den Grundbesitz rechtliche Bindungen - sei es des förmlichen Denkmalschutzes oder sei es von einer ihm eigentumsrechtlich gleichstehenden Qualität - bestehen, die in ihrer nutzungsbeschränkenden Wirkung die Grenze dessen überschreiten, was namentlich das Baurecht von Grundstückseigentümern an Rücksichtnahme auf Gemeininteressen ohnehin verlangt. Eine solche Bindung begründet vor allem das ("echte") denkmalschutzrechtliche Erhaltungsgebot. Ihm gleichzustellen sind insbesondere denkmalschutzrechtliche Gestaltungsgebote, die so eng sind, daß sie im Falle der Beseitigung des Gebäudes zwingen würden, dieses in (nahezu) identischer Gestalt wiederherzustellen, d. h. etwa jede Verwendung anderer Baumaterialien und die Veränderung der Fassadengestaltung zu unterlassen.

Bindungen der bezeichneten, von § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG vorausgesetzten Art unterliegt der Grundbesitz der Kläger nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht. In Anwendung und Auslegung der landesrechtlichen Vorschrift des § 2 Abs. 1 DSchG und damit für den erkennenden Senat bindend hat das Berufungsgericht entschieden, der Fachwerkneubau auf dem Grundbesitz der Kläger sei als solcher kein Kulturdenkmal im Sinne der genannten Bestimmung, so daß das (echte) Erhaltungsgebot - hier - des § 6 DSchG nicht eingreift. Zwar trifft es zu, daß die Kläger ungeachtet dessen namentlich im Hinblick auf das in der Nähe gelegene Stadttor in der Nutzung ihres Grundstücks Beschränkungen unterliegen. Diese ergeben sich jedoch im wesentlichen bereits aus allgemeinen baurechtlichen Pflichten zur Rücksichtnahme auf die Umgebung. Soweit zusätzlich der landesrechtliche Denkmalschutz (§§ 2 Abs. 3, 15 Abs. 3 DSchG) eingreift, richten sich die daraus erwachsenden Bindungen ebenfalls nur auf eine allgemeine Anpassung, nicht aber darauf, daß die Kläger die Bebauung ihres Grundstücks so gestalten müßten, wie der vorhandene Fachwerkneubau gestaltet ist, oder daß sie etwa gehindert wären, ihr Gebäude im Rahmen der vom allgemeinen Baurecht gesteckten Grenzen umzugestalten. Denn nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wäre auf dem Grundbesitz der Kläger nicht nur der errichtete Fachwerkneubau, sondern auch ein maßstäblich eingefügtes Bauwerk aus anderen Baumaterialien genehmigungsfähig gewesen; der aus heimatgeschichtlicher Sicht schützenswerte Gesamteindruck der Umgebung wäre also auch durch ein Gebäude ohne Fachwerkfassade, d. h. ein anders gestaltetes Bauwerk, hinreichend bewahrt worden. Ein dem denkmalschutzrechtlichen Erhaltungsgebot in der Qualität gleichzustellendes Gestaltungsgebot besteht mithin für den Grundbesitz der Kläger ebenfalls nicht. Der vom Berufungsgericht abschließend zur Stützung seiner Ansicht herangezogene Gesichtspunkt, der vorhandene Fachwerkneubau gehe mehr als ein Neubau aus anderen Baumaterialien auf die denkmalschutzwürdige Umgebung ein, gibt - wie aus dem Vorstehenden folgt - für die Beantwortung der Frage, ob an der Erhaltung des Gebäudes auf dem Grundbesitz der Kläger ein öffentliches Interesse im Sinne des § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG besteht, nichts her.

Da somit ein Anspruch der Kläger auf Erlaß der Grundsteuer nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG schon mangels Vorliegens eines (besonderen) öffentlichen (Erhaltungs-) Interesses ausscheidet, kommt es nicht mehr entscheidungserheblich darauf an, ob ihr Grundbesitz unrentierlich im Sinne dieser Vorschrift ist. Gleichwohl mag dazu auf folgendes hingewiesen werden: Das Berufungsgericht hat die Unrentierlichkeit mit dem Hinweis bejaht, dies werde von keiner Seite in Zweifel gezogen und brauche deshalb nicht nachgeprüft zu werden. Die dieser "Handhabung" zugrundeliegende Rechtsauffassung des Berufungsgerichts begegnet Bedenken. Das Berufungsgericht hat insoweit verkannt, daß der Rohertrag des privilegierten Grundbesitzes gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG "in der Regel" unter den jährlichen Kosten liegen muß. Dieses Merkmal läßt es nicht bei einem - allenfalls, wenn "unstreitig", nicht aufklärungsbedürftigen - rechnerischen Minus im jeweiligen Erlaßzeitraum bewenden, sondern es stellt auf einen zeitlich andauernden Zustand, d. h. auf die Erwartung einer dauernden Unrentierlichkeit, ab. Diese Auslegung wird bestätigt dadurch, daß ein Erlaßantrag in den Fällen des § 32 GrStG - wie das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang zutreffend dargelegt hat - gemäß § 34 Abs. 3 Satz 1 GrStG nicht jährlich wiederholt zu werden braucht und daher eine Dauerwirkung entfaltet, folglich die Unwirtschaftlichkeit, auf die es für § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG ankommt, ein Dauerzustand sein muß. Für die Feststellung dieses Zustands genügt nicht die Erkenntnis, der Grundbesitz sei für bestimmte, vornehmlich in der Vergangenheit liegende Zeiträume unrentierlich gewesen und dies werde von keiner Seite in Zweifel gezogen. Erforderlich ist vielmehr zusätzlich eine prognostizierende Beurteilung auf der Grundlage u. a. der sich aus der Vergangenheit ergebenden wirtschaftlichen Daten.

Das Berufungsgericht hat - auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung folgerichtig - ungeprüft gelassen, ob die Einziehung der unverkürzten Grundsteuer für die Kläger aus sachlichen Gründen eine unbillige Härte im Sinne des § 227 AO darstellt und sie deshalb Anspruch gegen die Beklagte auf eine fehlerfreie Ermessensentscheidung über ihren Erlaßantrag nach dieser Vorschrift haben. Das ist indes zu verneinen. Zwar scheitert das Bestehen eines solchen Anspruchs nicht schon deshalb, weil § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG einschlägig ist. Denn bei dieser Vorschrift handelt es sich um eine den allgemeinen Billigkeitsregelungen der §§ 163, 227 AO vorgehende, sie jedoch nicht ausschließende Spezialvorschrift (vgl. zum Verhältnis zwischen § 33 GrStG und §§ 163, 227 AO ebenso Urteil vom 29. September 1982 - BVerwG 8 C 50.81 - Buchholz 401.4 § 33 GrStG Nr. 18 S. 1 <2>). § 227 AO greift jedoch zu Gunsten der Kläger nicht ein. Aus der Unrentierlichkeit und selbst der Ertragslosigkeit eines Grundstücks allein läßt sich eine zur Rechtfertigung eines Billigkeitserlasses geeignete sachliche unbillige Härte nicht herleiten (vgl. u. a. Urteil vom 4. Juni 1982 - BVerwG 8 C 53.81 - BVerwGE 65, 355 <358>). Das folgt aus dem Wesen der Grundsteuer als einer vom Ertrag unabhängigen Objektsteuer (vgl. im einzelnen u. a. Urteil vom 23. Oktober 1959 - BVerwG VII C 193.57 - BVerwGE 9, 238 f.).