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BFH-Urteil vom 14.6.1984 (I R 204/81) BStBl. 1985 II S. 15

Ein beratender Architekt ist auch dann gewerblich tätig, wenn er an der Vermittlung von Geschäftsabschlüssen nur mittelbar beteiligt ist.

GewStG § 2 Abs. 1 Satz 1.

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Architekt und Innenarchitekt; er bezog in den Streitjahren neben Einkünften aus freier Berufstätigkeit und aus nichtselbständiger Arbeit auch Einkünfte aus einer als Handelsvertreter-Vertrag bezeichneten Vereinbarung mit der Möbelfabrik X.

In den vertraglichen Bestimmungen ist u.a. festgelegt:

§ 1

Die Firma X betraut Herrn Y mit ihrer Alleinvertretung für den Bezirk ... Herr Y hat seine Dienste in Person zu leisten. Er kann zur Erfüllung seiner Aufgaben Hilfspersonal heranziehen. Untervertreter dürfen jeweils nur mit Genehmigung der Firma X beschäftigt werden.

§ 2

Herr Y hat die Aufgabe, die Erzeugnisse der Firma X ... beim Möbelhandel nach besten Kräften einzuführen, deren Verkauf zu vermitteln und die Geschäftsbeziehungen mit diesen Firmen zu pflegen.

§ 3

Als Handelsvertreter verpflichtet sich Herr Y, die Interessen der Firma X mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns wahrzunehmen und deren Weisungen zu beachten. Besondere Aufgabe ist es,

die in seinem Bezirk vorhandenen Abnehmer und Interessenten regelmäßig zu besuchen und zu beraten, bei ihnen für den Absatz der Erzeugnisse zu werben, neue Absatzmöglichkeiten zu erkunden ...

Über die Verkaufstätigkeit ist regelmäßig, mindestens jeden Monat Bericht zu erstatten.

§ 4

Die Firma X verpflichtet sich, Herrn Y bei seiner Tätigkeit zu unterstützen, Verkaufsunterlagen zur Verfügung zu stellen und die Durchschriften vom Schriftverkehr mit den Kunden zu übermitteln ...

§ 6

Während der Dauer des Vertrages darf Herr Y keinen Wettbewerb zum Nachteil der Firmen X treiben und einen solchen auch nicht unmittelbar oder mittelbar begünstigen. Er darf innerhalb und außerhalb seines Bezirks keine Firma vertreten, die gleiche oder gleichartige Erzeugnisse herstellt oder vertreibt ...

§ 7

Es wird für alle direkten und indirekten Aufträge ... % Provision gezahlt. Die Provision wird fällig nach Bezahlung der jeweiligen Rechnung durch den Kunden ...

Für die Jahre 1973 und 1974 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) Gewerbesteuermeßbeträge gemäß § 100 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) vorläufig fest. Nach einer Betriebsprüfung wurden diese Bescheide geändert; für 1975 wurde erstmals ein Gewerbesteuermeßbetrag festgesetzt.

Der Einspruch blieb erfolglos.

Mit der Klage machte der Kläger geltend, daß sich seit Abschluß des Handelsvertreter-Vertrags zunächst im Programm und als Folge auch im Vertrieb der X ein erheblicher Wandel vollzogen habe; seine Tätigkeit (Ausstellungsberatung) unterscheide sich nunmehr nicht von der eines Innenarchitekten. Der Handelsvertreter-Vertrag gelte in wesentlichen Punkten nicht mehr: Provisionen erhalte er nur noch für "indirekte Aufträge"; die Höhe der Provision betrage nur noch ... v.H.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung formellen und sachlichen Rechts.

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidungen aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet.

1. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) unterliegt der Gewerbesteuer jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird.

Gewerbebetrieb ist eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit Gewinnabsicht betrieben wird und sich als Betätigung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Arbeit im Sinne des Einkommensteuerrechts anzusehen ist (§ 1 Abs. 1 Satz 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung - GewStDV -).

Der Kläger unterhielt einen Gewerbebetrieb, da - die übrigen Voraussetzungen sind nicht streitig - seine Betätigung nicht als Ausübung eines freien Berufs angesehen werden kann.

Zwar ist der Kläger von Beruf eingetragener Architekt und Innenarchitekt (vgl. § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Die von ihm gegenüber der X-Gruppe erbrachten Leistungen können gleichwohl nicht als Berufstätigkeit eines (Innen-) Architekten beurteilt werden.

Mag auch - so der Vortrag des Klägers - die planerische Gestaltung von Ausstellungsräumen bei den einzelnen Möbelhäusern die Hauptleistung des Klägers gewesen sein und entsprach diese Tätigkeit für sich betrachtet der Berufsaufgabe eines Innenarchitekten (vgl. § 1 Abs. 2 des Gesetzes über die Führung der Berufsbezeichnung "Architekt" und die Errichtung einer Architektenkammer im Lande Nordrhein-Westfalen vom 4. Dezember 1969, Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen - GV NW - Seite 888), so darf nicht außer acht gelassen werden, in welchem Rahmen und zu welchem Zweck der Kläger diese Tätigkeit erbrachte. Bei dieser Betrachtung ist insbesondere zu berücksichtigen, daß der Kläger nicht von den einzelnen Möbelhäusern zu der Ausstellungsberatung beauftragt wurde, sondern für die X-Gruppe tätig wurde; die von ihm geleistete Beratungstätigkeit erbrachte er in der Funktion eines Handelsvertreters (vgl. §§ 1 Abs. 2 Nr. 7, 84 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches - HGB -). Trotz der gewandelten Verhältnisse war der Kläger weiterhin als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut, für die X-Gruppe Geschäfte zu vermitteln. Dem FA ist darin zu folgen, daß der Kläger den Begriff des Handelsvertreters in einem zu engen Sinne versteht. "Vermittlung eines Geschäfts" liegt nicht nur dann vor, wenn der Handelsvertreter am Vertragsschluß dergestalt mitwirkt, daß er mit beiden Parteien in Richtung auf das Zustandekommen des Vertrages verhandelt; es genügt vielmehr auch, daß der Handelsvertreter in der Weise auf den Kunden einwirkt, daß dieser zum Abschluß des Geschäfts bestimmt wird, und der Handelsvertreter dadurch den Absatz des von ihm vertretenen Unternehmens fördert (vgl. Urteile des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 21. Januar 1965 VII ZR 22/63, BGHZ 43, 108, 113, und vom 24. Juni 1971 VII ZR 223/69, BGHZ 56, 290, 293; Gierke/Sandrock, Handels- und Wirtschaftsrecht, 9. Aufl., Bd. 1, 1975, § 26 II 5; Karsten Schmidt, Handelsrecht, 1980, § 26 Ic; Staub/Brüggemann, Großkommentar zum Handelsgesetzbuch, 4. Aufl., 1983, § 84 Rdnr. 23).

Die Art der Einwirkung kann unterschiedlicher Natur sein. Sie kann - wie im Streitfall - in der Beratung der Kunden bestehen und auch Serviceleistungen zum Gegenstand haben (vgl. Gross, Neue Aufgaben auf dem veränderten Markt, in: Handelsvertreterhandbuch, herausgegeben von Heinz Voss, 1969 S. 65, 73 ff., und Jaeger, Der Handelsvertreter als Marketing-Partner, in: wie zuvor, S. 79 ff.).

Führte diese Tätigkeit des Klägers aber weiterhin zur Vermittlung von Geschäften für die X-Gruppe, war der Kläger auch nach Aufgabe seiner unmittelbaren Vermittlungstätigkeit mittelbar an der Vermittlung von Geschäftsabschlüssen beteiligt und damit kaufmännisch und dementsprechend nicht freiberuflich tätig (vgl. Grube, Zum Unternehmensberater als Freiberufler, Steuer und Wirtschaft 1981 S. 34, 43).

Die Tätigkeit des Klägers war auch auf Absatzförderung gerichtet; dies kommt auch darin zum Ausdruck, daß seine Tätigkeit auf Provisionsbasis, also erfolgsabhängig, vergütet wurde. Nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Oktober 1977 1 BvR 15/75 (BStBl II 1978, 125, 130) ist für freiberuflich tätige beratende Ingenieure, Volks- und Betriebswirte charakteristisch, daß sie die Beratung ihrer Klienten aufgrund von Verträgen durchführen, nach denen die Beratungstätigkeit die geschuldete Hauptleistung ist und das Honorar grundsätzlich nicht nur bei erfolgreicher Beratung geschuldet wird; wer dagegen für die Förderung des Absatzes von Unternehmen ein Entgelt bezieht, ist gewerbesteuerpflichtig.

In vergleichbarer Weise entschied bereits der Reichsfinanzhof (Urteil vom 30. August 1939 VI 562/39, RStBl 1940, 14), daß ein beratender Ingenieur, dessen Tätigkeit sich auch auf die Anbahnung von Geschäften oder auf die Werbung für den Absatz erstreckte, Gewerbetreibender ist. Diesen Grundsätzen entsprechend hat auch der Bundesfinanzhof (Urteil vom 27. April 1961 IV 329/58 U, BFHE 73, 129, BStBl III 1961, 315) einen Ärztepropagandisten nicht als wissenschaftlichen Ärzteberater, sondern als Gewerbetreibenden angesehen; selbst wenn er seine Tätigkeit nach wissenschaftlichen Grundsätzen ausübe, habe diese doch stets einen kaufmännischen Einschlag; sie überschreite damit die Grenze des freien Berufs und werde zu einer gewerblichen.

2. Die Aussage des FG, vorrangig bleibe jedenfalls die Verkaufstätigkeit des Klägers, verstößt weder gegen den Akteninhalt noch gegen die Denkgesetze. Das FG hat den vom Kläger vorgetragenen Sachverhalt, daß seine Tätigkeit inzwischen freiberufliche Leistungen umfasse, berücksichtigt (vgl. FG-Urteil S. 10, zweiter Absatz). Mit der zitierten Aussage wollte das FG lediglich zum Ausdruck bringen, daß die Vermittlungstätigkeit des Klägers dessen Tätigkeit insgesamt zu einer gewerblichen werden läßt.

Soweit der Kläger rügt, daß sich die Freiberuflichkeit einer Tätigkeit letztlich nach der Verkehrsanschauung richte und das FG daher Beweis erheben hätte müssen, genügt diese Rüge nicht den Voraussetzungen des § 120 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Kläger bezeichnet nicht die Tatsachen, die den Mangel ergeben und legt nicht dar, weshalb das FG-Urteil auf diesem Verfahrensfehler beruhen kann und was das Ergebnis einer solchen Beweisaufnahme gewesen wäre.