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BFH-Urteil vom 13.9.1984 (IV R 101/82) BStBl. 1985 II S. 49

Sog. Ergänzungsbeiträge, die Eigentümer von bereits an die Kanalisation angeschlossenen Grundstücken für den Bau einer neuen biologischen Kläranlage aufgrund einer Ortssatzung an die Gemeinde entrichten müssen, sind nicht beim Grund und Boden zu aktivieren, sondern wie Erhaltungsaufwand sofort abziehbar.

EStG § 6 Abs. 1 Nr. 2, § 4 Abs. 4.

Vorinstanz: FG Nürnberg

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine KG, betreibt in der Gemeinde G ein Betonwerk. Da die im Jahr 1954 von der Gemeinde erbaute Kläranlage den heutigen Anforderungen nicht mehr entsprach und zudem völlig überlastet war, entschloß sich die Gemeinde zum Bau einer zeitgemäßen biologischen Kläranlage. Zur Finanzierung dieses Vorhabens zog sie auf der Grundlage einer Ortssatzung auch die Klägerin als Eigentümerin der schon früher an das gemeindliche Entwässerungssystem angeschlossenen Betriebsgrundstücke heran. Die geleisteten Ergänzungsbeiträge von 24.378 DM (1976) und 10.150 DM (1978) verbuchte die Klägerin in den genannten Jahren zu Lasten des Gewinns. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) aktivierte sie dagegen beim Grundstückskonto und erhöhte die Gewinne entsprechend. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) entschied, daß die streitigen Zahlungen dem Bilanzansatz für den Grund und Boden zuzuschlagen seien. Durch den Bau einer neuen Kläranlage habe sich der Bodenwert erhöht, nachdem er infolge der technischen und wirtschaftlichen Überalterung der früheren Anlage zunächst gesunken sei. Die von der Klägerin gezahlten erstmaligen Kanalbaubeiträge seien ersichtlich auf die Ergänzungsbeiträge angerechnet worden.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung der §§ 5, 6 und 4 Abs. 1 und 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sowie Verstöße gegen Denkgesetze. Außerdem macht sie mangelnde Sachaufklärung geltend.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des FG-Urteils und der angefochtenen Entscheidungen des FA die Gewinne für 1976 und 1978 unter Berücksichtigung der Ergänzungsbeiträge von 24.378 DM und 10.150 DM niedriger festzustellen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Zu Recht sieht die Klägerin die Ergänzungsbeiträge für den Bau einer biologischen Kläranlage als sofort abziehbare Betriebsausgaben an.

1. Der Bundesfinanzhof (BFH) behandelt in ständiger Rechtsprechung Beiträge für den erstmaligen Anschluß eines Grundstücks an die gemeindliche Kanalisation für den Regelfall als Aufwendungen, die beim Grund und Boden zu aktivieren sind (vgl. z.B. Urteil vom 3. August 1966 IV 290/63, BFHE 86, 710, BStBl III 1967, 600). Hieran hält der Senat fest.

2. Auch Beiträge, die der Grundstückseigentümer wegen Überalterung oder zu geringer Kapazität einer Kanalanlage unter Anrechnung des früheren Kanalbaubeitrags für den Bau neuer Anlagen nachentrichten mußte (Ergänzungsbeiträge), wurden bisher unter Hinweis auf die Erhöhung des Bodenwerts beim Grund und Boden aktiviert (vgl. BFH-Urteil vom 6. Juli 1972 VIII R 20/72, BFHE 106, 311, BStBl II 1972, 790). Abweichend davon beurteilt der Senat nunmehr solche Ergänzungsbeiträge für die Ersetzung oder Modernisierung der Kanalisation oder einer dazugehörenden veralteten Kläranlage als sofort abziehbare Betriebsausgaben. Als sofort abziehbar können diese Beiträge nicht schon mit der Begründung angesehen werden, daß sie - losgelöst vom Grundstück - mit einer bestimmten betrieblichen Nutzung in Zusammenhang stehen (vgl. BFH-Urteil vom 25. August 1982 I R 130/78, BFHE 136, 409, BStBl II 1983, 38). Denn sie werden allgemein von Grundstückseigentümern erhoben. Die Ergänzungsbeiträge sind aber deshalb als laufende Betriebsausgaben abziehbar, weil sie weder zu den Anschaffungs- noch zu den Herstellungskosten zählen, sondern lediglich der Erhaltung des Grundstücks dienen.

a) Zu den Anschaffungskosten rechnen nicht nur dem Veräußerer geschuldete Gegenleistungen, sondern auch sonstige Aufwendungen, die in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Anschaffung stehen, insbesondere zwangsläufig im Gefolge der Anschaffung anfallen. Ob sie vor oder nach dem Erwerbszeitpunkt entstehen, spielt dabei keine Rolle (vgl. BFH-Urteile vom 13. Oktober 1983 IV R 160/78, BFHE 139, 273, BStBl II 1984, 101, sowie vom 5. Mai 1983 IV R 18/80, BFHE 138, 385, BStBl II 1983, 559). Dabei kommt dem finalen Element entscheidende rechtliche Bedeutung zu (vgl. Döllerer, Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht 1976/1977, 196, 197).

Danach sind Ergänzungsbeiträge für den Kanalbau keine Anschaffungskosten. Sie stehen beim Eigentümer regelmäßig nicht mit dem Erwerb des bebauten oder unbebauten Grundstücks, sondern mit der Errichtung öffentlicher Anlagen zur Abwasserbeseitigung in Zusammenhang.

Allerdings hat die Rechtsprechung bei Beiträgen von Grundstückseigentümern für die Errichtung öffentlicher Anlagen auch nachträgliche Anschaffungskosten für den Grund und Boden angenommen, wenn aus der Art der Beitragsleistung geschlossen werden konnte, daß die Aufwendungen für die Werterhöhung des Grund und Bodens erbracht wurden (vgl. zu den auf Ortssatzung beruhenden Beiträgen für die Schaffung einer Fußgängerzone BFH-Urteil vom 16. November 1982 VIII R 167/78, BFHE 137, 55, BStBl II 1983, 111, Tz. 1b). Im Streitfall liegen die Verhältnisse jedoch anders. Bei Ergänzungsbeiträgen der vorliegenden Art erwartet der Eigentümer allenfalls, daß mit der von ihm unterstützten Modernisierung oder Erneuerung gemeindlicher Kläranlagen seine bereits bestehende Möglichkeit der Abwasserbeseitigung technisch verbessert wird. Daraus kann aber nicht gefolgert werden, daß die Aufwendungen auch erbracht werden, um den Wert des Grundstücks zu erhöhen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß im Zuge ihrer Modernisierung regelmäßig auch die Kapazität der Kläranlage erweitert wird und dies vor allem neu auszuweisenden Baugebieten zugute kommt.

b) Als Herstellungskosten gelten alle Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Wirtschaftsguts entstehen. Dies sind sowohl die unmittelbar der Herstellung dienenden Kosten als auch Aufwendungen, die zwangsläufig im Zusammenhang mit der Herstellung des Wirtschaftsguts anfallen oder mit seiner Herstellung in einem engen wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Dabei ist die Zweckrichtung der Aufwendungen - ebenso wie bei den Anschaffungskosten - als finales Element von Gewicht (vgl. Urteil in BFHE 139, 273, BStBl II 1984, 101). In objektiver Beziehung ist aber auch dem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang Rechnung zu tragen. So ist z.B. bei Gebäuden zu prüfen, ob die zur Herstellung verwendeten Güter - auch solche, die nicht räumlich mit den Bauwerken verbunden sind - mit dem Gebäude in einem solchen einheitlichen Zusammenhang stehen (vgl. BFH-Beschluß vom 26. November 1973 GrS 5/71, BFHE 111, 242, BStBl II 1974, 132; BFH-Urteil vom 9. November 1976 VIII R 27/75, BFHE 121, 179, BStBl II 1977, 306). Für den ebenfalls als einheitliches Wirtschaftsgut aufzufassenden Grund und Boden kann im Grundsatz nichts anderes gelten (vgl. hierzu auch BFH-Urteil vom 14. Oktober 1982 IV R 19/79, BFHE 137, 255, BStBl II 1983, 203). Als Kosten, die danach der erstmaligen Herstellung eines Wirtschaftsguts dienen, können die Ergänzungsbeiträge nicht in Betracht kommen. Denn sie stehen mit einem Herstellungsvorgang nicht in Zusammenhang.

Herstellungskosten können aber auch nach Abschluß der auf die Herstellung des Wirtschaftsguts abzielenden Maßnahme oder nach dessen Anschaffung entstehen, wenn Aufwendungen auf das betreffende Wirtschaftsgut gemacht wurden, die nicht lediglich seiner Erhaltung dienen (nachträgliche Herstellungskosten). Auch beim angeschafften Grund und Boden kann es zu Herstellungskosten kommen, wenn seine Beschaffenheit durch die betreffende Maßnahme nachhaltig verändert wird (BFH-Urteil vom 8. November 1979 IV R 42/78, BFHE 129, 138, BStBl II 1980, 147). Dies bestätigt die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG, die auch für den Grund und Boden von möglichen Herstellungskosten ausgeht.

c) Für die damit erforderliche Abgrenzung von Erhaltungs- und nachträglichem Herstellungsaufwand sind bei einheitlichen Wirtschaftsgütern, wie z.B. Gebäuden oder dem Grund und Boden, die in jüngerer Zeit von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze maßgebend. Danach liegen der Erhaltung dienende Aufwendungen insbesondere dann vor, wenn unselbständige Teile eines einheitlichen Wirtschaftsguts lediglich ersetzt oder modernisiert werden, ohne dabei ihre Funktion zu ändern (vgl. Urteile in BFHE 121, 179, BStBl II 1977, 306; vom 24. Februar 1981 VIII R 122/79, BFHE 133, 41, BStBl II 1981, 468). Demgegenüber sind nachträgliche Herstellungskosten anzunehmen, wenn das Wirtschaftsgut in seiner Substanz vermehrt, seinem Wesen verändert oder - von der üblichen Modernisierung abgesehen - über seinen bisherigen Zustand hinaus verbessert wird. Der mit den betreffenden Aufwendungen vielfach bewirkte Wertzuwachs kann für die Annahme von Herstellungskosten nicht den Ausschlag geben (vgl. BFH-Urteil vom 13. März 1979 VIII R 83/77, BFHE 127, 383, BStBl II 1979, 435).

d) Im Streitfall ergibt sich folgendes:

Die Beitragszahlungen für den erstmaligen Kanalanschluß (Kanalbaubeiträge) müssen entsprechend der bisherigen Rechtsprechung beim Grund und Boden aktiviert werden, weil für das Nutzungsrecht an der gemeindlichen Kanalisation und dem Grund und Boden ein einheitlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang besteht und das Fehlen einer derartigen Möglichkeit deshalb dem einheitlichen Wirtschaftsgut ein negatives Gepräge gäbe. Zwar sind auch die zur Erneuerung der gemeindlichen Kläranlage erhobenen Ergänzungsbeiträge Aufwendungen auf das Grundstück. Sie sind aber nicht zu aktivieren. Denn mit dem Bau einer zeitgemäßen biologischen Kläranlage wurde der bereits bestehende Vorteil der Klägerin, das bei den Betriebsgebäuden und betrieblichen Anlagen anfallende Abwasser in das Kanalsystem einleiten zu dürfen, lediglich technisch verbessert. Dies ist als Modernisierung aufzufassen, die das Grundstück in seiner Substanz und seinem Wesen unverändert läßt. Auch in planungsrechtlicher Hinsicht wurde mit den Ergänzungsbeiträgen kein anderer Zustand geschaffen. Erschlossen im Sinne der Zulässigkeit eines Bauvorhabens (vgl. dazu Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Bundesbaugesetz, § 30 Rdnrn. 43-45) waren die Grundstücke schon deshalb, weil sie an die öffentlichen Entsorgungsanlagen angeschlossen waren.

Mit dieser Beurteilung steht es nach Auffassung des Senats auch in Einklang, wenn im Urteil in BFHE 121, 179, BStBl II 1977, 306 (Tz. 3b 4. Absatz Klammerzusatz) hervorgehoben wird, daß beim Ersatz einer Sickergrube durch den Anschluß an den öffentlichen Kanal Erhaltungsaufwendungen vorliegen (vgl. auch BFH-Urteil vom 6. August 1965 VI 249/64 U, BFHE 83, 317, BStBl III 1965, 615). Stehen nämlich Vorkehrungen für die Abwasserbeseitigung mit einem einheitlichen Wirtschaftsgut in dem erwähnten Nutzungs- und Funktionszusammenhang und werden deshalb die erstmaligen Aufwendungen hierfür diesem Wirtschaftsgut zugeschlagen und nicht gesondert abgeschrieben, so können der Entsorgung dienende Beitragszahlungen nicht unterschiedlich danach beurteilt werden, ob die bereits bestehende Entsorgung des Grundstücks durch eine auf dem Grundstück befindliche Sickergrube oder schon durch seinen Anschluß an die Kanalisation gesichert war. In jedem Fall ist entscheidend, daß vorhandene Möglichkeiten lediglich modernisiert werden.

Ob die gezahlten Ergänzungsbeiträge den Wert der Betriebsgrundstücke der Klägerin tatsächlich erhöht haben, kann aus den bereits genannten Gründen dahingestellt bleiben. Der Senat bezweifelt dies jedoch. Denn auf den Verkehrswert werden sich regelmäßig nur Beiträge für die - erstmalige - Erschließung des Grundstücks auswirken, soweit diese seine Bebauung ermöglicht. Die Grundstücke der Klägerin waren aber hinsichtlich der Abwasserbeseitigung bereits erschlossen.

Mit dieser Entscheidung weicht der Senat von den Urteilen des VIII. Senats in BFHE 106, 311, BStBl II 1972, 790, sowie vom 1. März 1977 VIII R 1/73 und von der Entscheidung des I. Senats vom 21. November 1973 I R 45/73 (beide amtlich nicht veröffentlicht) ab. Der I. und VIII. sowie der ebenfalls angefragte IX. Senat des BFH haben der Entscheidung des Senats zugestimmt.

3. Die Vorentscheidung, die der bisherigen Rechtsprechung folgend die von der Klägerin für den Bau einer neuen Kläranlage geleisteten Ergänzungsbeiträge als aktivierungspflichtig angesehen hat, stimmt mit den aufgezeigten Grundsätzen nicht überein und ist aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der für die Klägerin festgestellte Gewinn ist für 1976 um 24.378 DM und für 1978 um 10.150 DM - jeweils unter Gegenrechnung einer anteiligen Auflösung der Gewerbesteuerrückstellung - zu vermindern und nach dem bisherigen Verteilungsschlüssel auf die Gesellschafter aufzuteilen.

Die Berechnung des verminderten Gewinns und seine Aufteilung wird dem FA übertragen (Art. 3 § 4 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit vom 31. März 1978, BGBl I, 446).