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BFH-Urteil vom 31.10.1984 (II R 200/81) BStBl. 1985 II S. 59

Der Erwerb eines Vermächtnisses durch Erbvertrag zwischen Ehegatten ist auch dann erbschaftsteuerpflichtig, wenn mit dem Vermächtnis die Scheidungsbereitschaft des bedachten Ehegatten abgegolten werden soll und die Ehe dann geschieden wird.

ErbStG 1959 § 2 Abs. 1 Nr. 1.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

I. Die Beteiligten streiten darum, ob die Klägerin für ihren Erwerb aufgrund eines als Erbvertrag bezeichneten notariell beurkundeten Vertrages vom 8. August 1962 Erbschaftsteuer zahlen muß.

Den Vertrag hatte die Klägerin mit ihrem Ehemann X abgeschlossen, mit dem sie damals in Scheidung lebte. Nach dem Vertragsinhalt verzichtete die Klägerin u. a. auf alle Erbansprüche gegen Herrn X, behielt jedoch ihren Pflichtteilsanspruch "ohne Rücksicht auf einen möglicherweise in dem schwebenden Ehescheidungsprozeß ergangenen Schuldspruch".

Die Scheidungsklage hatte Herr X 1960 erhoben; schon vorher hatte er die Klägerin durch Testamente von der Erbfolge ausgeschlossen und auf den Pflichtteil gesetzt. Während des Scheidungsverfahrens hatte er der Klägerin angeboten, im Falle der Scheidung ihr (der Klägerin) und den beiden gemeinsamen Kindern, die bei der Klägerin bleiben sollten, je 250 DM monatlich zu zahlen. Dieses Angebot machte er von dem Abschluß eines Erbvertrages abhängig, wonach die Klägerin auf ihre Erbansprüche verzichten, jedoch ihre Pflichtteilsansprüche ohne Rücksicht auf einen Schuldspruch im Ehescheidungsurteil behalten sollte. Dementsprechend wurde am 8. August 1962 der eingangs genannte notariell beurkundete Vertrag geschlossen.

Die Ehe der Klägerin mit Herrn X wurde 1962 aus beiderseitigem Verschulden geschieden. Nachdem Herr X 1972 verstorben war, setzte das beklagte Finanzamt (FA) Erbschaftsteuer fest.

Auf die Klage hob das Finanzgericht (FG) den Steuerbescheid in der Fassung der Einspruchsentscheidung auf. Eine hier allein in Betracht kommende Schenkung auf den Todesfall liege nicht vor. Der in dem Vertrag vom 8. August 1962 begründete Anspruch der Klägerin sei die Gegenleistung für deren Scheidungsbereitschaft. Das zeige der zeitliche Ablauf des Scheidungsverfahrens. Seit Erhebung der Scheidungsklage sei das Verfahren zunächst nicht vorangekommen. Nach Abschluß des Vertrages am 8. August 1962 habe es dann nur noch drei Wochen bis zum Ehescheidungsurteil gedauert.

Das FG bezieht sich auf die Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 28. November 1967 II 72/63 (BFHE 91, 104, BStBl II 1968, 239), vom 26. Januar 1971 II B 32/70 (BFHE 101, 136, BStBl II 1971, 184) und vom 23. Juni 1971 II R 59/67 (BFHE 103, 240, BStBl II 1972, 43). Diese Rechtsprechung betreffe zwar die Schenkung unter Lebenden, müsse jedoch auch für Schenkungen auf den Todesfall gelten. Denn einmal unterschieden sich beide nur darin, daß die Schenkung auf den Todesfall nicht zu Lebzeiten des Erblassers vollzogen werde. Bei der Schenkung auf den Todesfall fehle sogar die Regelung, daß nicht in Geld zu veranschlagende Gegenleistungen bei der Feststellung, ob eine Bereicherung vorliege, nicht berücksichtigt werden (§ 3 Abs. 3 des Erbschaftsteuergesetzes - ErbStG - 1959).

Mit seiner Revision beantragt das FA, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des FA ist begründet.

1. Der Steueranspruch folgt aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 und § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1959. Der Klägerin war durch den Erbvertrag vom 8. August 1962 ein Vermächtnis in Höhe des bei fortdauernder Ehe entstandenen Pflichtteilsanspruchs zugewendet worden (§ 2278 Abs. 2, § 2147 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -).

a) Die bei gleichzeitiger Anwesenheit der Klägerin und ihres damaligen Ehemannes X (§ 2276 Abs. 1 BGB) notariell beurkundete Vereinbarung vom 8. August 1962 ist als Erbvertrag bezeichnet. Nach Auffassung des Senats entspricht diese Bezeichnung der Rechtsnatur der Vereinbarung. Diese enthält vertragsmäßige Verfügungen von Todes wegen des Ehemannes und den Erbverzicht der Klägerin. Für eine Schenkung auf den Todesfall, wie sie das FG ohne Begründung seiner Ansicht annimmt, ist daher kein Raum.

Es kann offenbleiben, ob der Ehemann durch das Vermächtnis die Scheidungsbereitschaft der Klägerin abgelten wollte; denn dies würde die Steuerpflicht nicht ausschließen. Der Erwerb von Todes wegen i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1959 setzt grundsätzlich nicht voraus, daß die Zuwendung ohne Gegenleistung geschieht und zumindest der Zuwendende sich dessen bewußt ist (vgl. dazu auch das Gutachten des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 21. Mai 1931 I D 1/30, RFHE 29, 137, RStBl 1931, 559, unter IV 1 und 2 der Begründung).

Zwar sind Fälle denkbar, die eine Ausnahme von diesem vorgenannten Grundsatz rechtfertigen. Hat der Zuwendungsempfänger bereits aus anderem Rechtsgrund Anspruch auf das Zugewendete, so entfällt die Berechtigung für die Erhebung einer Erbschaftsteuer (BFH-Urteil vom 26. Januar 1966 II 29/64, BFHE 85, 188, BStBl III 1966, 279). Gleiches gilt, soweit dem Zuwendungsempfänger beim sogenannten Kaufrechtsvermächtnis die Möglichkeit eingeräumt wird, einen Gegenstand käuflich zu erwerben (BFH-Urteil vom 12. Juli 1961 II 164/59 S, BFHE 73, 343, BStBl III 1961, 391). Beiden genannten Fällen ist schließlich noch derjenige vergleichbar, daß der Zuwendungsempfänger eine vertraglich vereinbarte Erbeinsetzung mit Geldzahlungen an den Zuwendenden "kauft" (BFH-Urteil vom 13. Juli 1983 II R 105/82, BFHE 139, 294, BStBl II 1984, 37). Der hier zu beurteilende Sachverhalt läßt sich dagegen nicht mehr in diesen Rahmen einordnen. Die Klägerin hat nicht gegen Zahlung eines Geldbetrages die Zuwendung erworben. Ihre Scheidungsbereitschaft ist nicht einmal eine in Geld meßbare Leistung. Durch die Erleichterung der Scheidung kann allenfalls bei einer Zuwendung unter Lebenden die Unentgeltlichkeit entfallen (BFHE 91, 104, BStBl II 1968, 239). Auf die Behandlung einer letztwilligen Zuwendung hat sie keinen Einfluß.

b) Inwieweit Leistungen erheblich sind, die zwar nicht in Geld bestehen, aber wenigstens in Geld meßbar sind, mag dahinstehen. Das spielt ebensowenig eine Rolle wie die Frage, ob und inwieweit die Ausführungen unter a) auch für die Erwerbe nach § 2 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 ErbStG 1959 gelten.

2. Der Senat sieht keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz darin, daß die Klägerin im vorliegenden Fall als geschiedene Ehefrau gemäß § 10 ErbStG 1959 statt der Steuerklasse I die ungünstigere Steuerklasse V hinnehmen muß, während in anderen Fällen (z. B. bei Stiefkindern, Stiefeltern, Schwiegerkindern und Schwiegereltern) wegen des § 1590 Abs. 2 BGB die durch die Ehe bedingte günstigere Steuerklasse auch nach der Scheidung der Ehe erhalten bleibt. Diese Regelung ist nicht willkürlich. Es ist vertretbar, erbschaftsteuerrechtlich die Folgen einer Ehescheidung auf die Ehepartner zu beschränken und die Personen im "Umfeld" von diesen Folgen zu verschonen. Aus rechtspolitischer Sicht ist diese Regelung ebenso vertretbar wie die entgegengesetzte Lösung oder wie der jetzt in § 15 ErbStG 1974 gewählte Mittelweg, wonach dem geschiedenen Ehepartner die Steuerklasse III zugute kommt.