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BFH-Urteil vom 19.10.1984 (III R 95/81) BStBl. 1985 II S. 63

Stellt der Steuerpflichtige innerhalb der gesetzlichen Antragsfrist einen weiteren Antrag auf Gewährung einer Investitionszulage gemäß § 4b InvZulG, so ist dieser Antrag unzulässig, wenn das FA zuvor bereits durch bestandskräftigen Bescheid für andere Investitionen desselben Wirtschaftsjahres eine Investitionszulage gemäß § 4b InvZulG gewährt hatte.

InvZulG 1975 §§ 4b, 5.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

Mit Bescheid vom 27. Januar 1977 gewährte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) antragsgemäß eine Investitionszulage für das Wirtschaftsjahr 1976 gemäß § 4b des Investitionszulagengesetzes i. d. F. der Bekanntmachung der Neufassung des Investitionszulagengesetzes vom 3. Mai 1977 - InvZulG - (BGBl I 1977, 669, BStBl I 1977, 239). Einen weiteren, im März 1977 eingegangenen Antrag auf Gewährung der Konjunkturzulage für die Anschaffung weiterer Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens (PKW) im Jahr 1976 lehnte das FA mit der Begründung ab, nach Bestandskraft des ersten Bescheides könnten weitere Investitionen nicht mehr berücksichtigt werden. Es verwies dabei auf das Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 5. Mai 1977 IV B 2 - S 1988 - 150/77 (BStBl I 1977, 246, Tz. 71).

Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat der Klage mit den in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1982, 153 abgedruckten Gründen stattgegeben.

Das FA und der dem Revisionsverfahren beigetretene BMF rügen Verletzung der §§ 4b, 5 InvZulG. Ihrer Ansicht nach ergibt sich aus dem Wortlaut des § 4b Abs. 3 InvZulG, daß für sämtliche innerhalb eines bestimmten Zeitraums angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgüter nur eine einheitliche (Jahres-) Investitionszulage zu gewähren sei. Die einzelnen begünstigten Investitionen bildeten lediglich unselbständige Vergütungsgrundlagen für die zu gewährende Investitionszulage. Dies werde durch die Entstehungsgeschichte des § 4b Abs. 3 InvZulG 1975 bestätigt. Dieser Regelung hätte es zudem nicht bedurft, wenn sie lediglich dazu dienen würde, die Berechnungsgrundlage zu regeln. Das Anliegen des Gesetzgebers sei es gerade gewesen, zwischen der Art der begünstigten Investition und der Bemessungsgrundlage für die Zulage zu unterscheiden. Das Bescheidverfahren des Investitionszulagerechts unterscheide sich nicht von der Steuerfestsetzung durch Steuerbescheid. Dies gelte auch für verspätetes Vorbringen nach Bestandskraft des Bescheids. Entgegen der Auffassung des FG seien die Grundsätze des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 24. Mai 1968 VI R 305/67 (BFHE 92, 402, BStBl II 1968, 572) auf § 4b InvZulG nicht anwendbar. Im übrigen sollte für die Abwicklung der sog. Konjunkturzulage ein verwaltungsmäßig reibungsloses und rechtlich sicheres Verfahren gewährleistet werden. Folge man der Ansicht des FG, so würde dies zu einem vom Gesetzgeber nicht gewollten Verwaltungsaufwand führen.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Sie macht im wesentlichen geltend, den Worten "der Summe" in § 4b Abs. 3 Satz 1 InvZulG komme nicht die Bedeutung zu, die ihnen das FA und der BMF beimesse. Maßgeblich sei § 5 InvZulG. Dieser enthalte aber keine Bestimmung, auf die sich die Ansicht der Finanzbehörden stützen könne. Selbst wenn man ihr folge, sei die Revision im Streitfall deshalb unbegründet, weil die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) vorlägen.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

1. Entgegen der Auffassung des FG ist es unzulässig, nach der Bestandskraft eines Investitionszulagebescheides einen weiteren, Investitionen desselben Wirtschaftsjahres betreffenden Antrag zu stellen. Dies gilt selbst dann, wenn der Steuerpflichtige mit dem erneuten Antrag eine Investitionszulage für Investitionen geltend macht, die nicht Gegenstand des ursprünglichen Antrags waren und die Antragsfrist des § 5 Abs. 3 Satz 3 InvZulG zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgelaufen ist.

a) Die Investitionszulage nach § 4b InvZulG 1975 wird auf Antrag gewährt (§ 4b Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 5 Abs. 3 Satz 1 InvZulG). Der Antrag kann nur innerhalb von drei Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres gestellt werden, in dem das Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung endet (§ 5 Abs. 3 Satz 3 InvZulG). Nach § 5 Abs. 4 InvZulG setzt das FA die Investitionszulage durch schriftlichen Bescheid fest. Dieser entspricht einem Bescheid, mit dem eine für einen bestimmten Zeitabschnitt zu gewährende Steuervergütung verbindlich (bestandskräftig) festgesetzt wird (vgl. § 5 Abs. 5 InvZulG i. V. m. § 155 Abs. 3 AO 1977 in der bis zum 28. August 1980 geltenden Fassung; jetzt § 155 Abs. 4 AO 1977). Dies hat zur Folge, daß nach Bestandskraft des Investitionszulagebescheids für das betreffende Wirtschaftsjahr kein weiterer (Ergänzungs-)Antrag mehr zulässig ist.

Entgegen der Auffassung der Klägerin hat das FA eine einheitliche (Jahres-)Investitionszulage, nicht aber voneinander getrennte Investitionszulagen für die einzelnen begünstigten Investitionen zu gewähren. Die einzelnen Investitionen bilden lediglich unselbständige Grundlagen für die Bemessung der zu gewährenden (Jahres-)Investitionszulage. Hierfür spricht der Bedeutungszusammenhang, in dem § 5 Abs. 4 InvZulG steht. So verwendet das InvZulG den Begriff "Investitionszulage" in der Mehrzahl nur insoweit, als es die einzelnen Investitionszulagearten gemeinsam anspricht (vgl. § 5 Abs. 1 und 2). Dagegen benutzt das InvZulG diesen Begriff in § 4b selbst stets in der Einzahl, obwohl es dem Wortlaut nach vom Vorhandensein einer Vielzahl von begünstigungsfähigen Investitionen ausgeht.

Damit steht in Einklang, daß nach § 4b Abs. 3 Satz 1 InvZulG die Zulage 7,5 v. H. "der Summe" der Anschaffungs- oder Herstellungskosten der begünstigten Wirtschaftsgüter beträgt. Aus der Entstehungsgeschichte des § 4b InvZulG (vgl. BTDrucks 7/3010 S. 6) ergibt sich, daß diese Regelung dahin zu verstehen ist, daß Bemessungsgrundlage für die Investitionszulage nicht die jeweiligen Anschaffungs- oder Herstellungskosten des einzelnen Wirtschaftsguts sind, sondern die Summe der im jeweiligen Wirtschaftsjahr für begünstigte Investitionen aufgewendeten Anschaffungs- oder Herstellungskosten ist.

b) Entgegen der Auffassung des FG sind die Grundsätze des Urteils in BFHE 92, 402, BStBl II 1968,572 im Streitfall nicht anwendbar. Gegenstand dieser Entscheidung war die Investitionszulage gemäß § 19 des Berlinhilfegesetzes (BHG). Im Unterschied zu § 4b Abs. 3 Satz 1 InvZulG 1975 betrug die sog. Berlinzulage gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 BHG/Berlinförderungsgesetz jedoch 10 v. H. "der Anschaffungs- oder Herstellungskosten" der im Kalenderjahr angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgüter, Ausbauten und Erweiterungen.

c) Da die Klägerin den Investitionszulageantrag vom März 1977 nach Bestandskraft des Investitionszulagebescheids vom Januar 1977 eingereicht hat, war der Antrag unzulässig.

2. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Seine Entscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist jedoch nicht spruchreif. Die Klägerin hat geltend gemacht, daß die Voraussetzungen für eine Änderung des Zulagebescheids vom Januar 1977 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 i. V. m. § 5 Abs. 5 InvZulG vorgelegen hätten und deshalb die Investitionszulage durch Änderungsbescheid in dem begehrten Umfang zu gewähren sei. Das FG wird darüber im zweiten Rechtsgang zu befinden haben.