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BFH-Urteil vom 28.9.1984 (VI R 127/80) BStBl. 1985 II S. 87

Aufwendungen für das Studium der Zahnmedizin an einer Universität sind für einen zu diesem Zweck beurlaubten Sanitätsoffiziers-Anwärter, der ein steuerpflichtiges Ausbildungsgeld erhält, Werbungskosten im Rahmen des fortbestehenden Dienstverhältnisses zur Bundeswehr (Änderung der Rechtsprechung).

EStG 1975 § 9 Abs. 1 Nrn. 4 bis 6, § 10 Abs. 1 Nr. 7.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist seit 1972 Berufssoldat bei der Bundeswehr. Am 1. Oktober 1975 wurde er zum Sanitätsoffiziers-Anwärter berufen. Er ist seitdem unter Fortfall der Geld- und Sachbezüge beurlaubt und studiert Zahnmedizin an der Universität A. Er erhält ein Ausbildungsgeld nach der Verordnung über das Ausbildungsgeld für Sanitätsoffiziers-Anwärter vom 10. November 1976 (BGBl I 1976, 3229).

Der Kläger hat am 18. Juni 1976 geheiratet. Die Eheleute wählten die Wohnung der Ehefrau in H zur Familienwohnung. Die Ehefrau ist dort als Sozialpädagogin beruflich tätig. Der Kläger wohnte im Streitjahr 1976 in A.

Der Kläger machte im Lohnsteuer-Jahresausgleich 1976 Aufwendungen für Fahrten in A zwischen Wohnung und Hochschule, für Fachliteratur und Arbeitsmittel sowie Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung als Werbungskosten geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) versagte im Einspruchsverfahren den Abzug der genannten Aufwendungen als Werbungskosten. Er sah die Ausgaben als Ausbildungskosten an und berücksichtigte hierfür in der Einspruchsentscheidung einen Pauschbetrag von 1.200 DM nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1975 als Sonderausgaben.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es führte u.a. aus: Das Ausbildungsgeld, das der Kläger bezogen habe, gehöre zu seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und unterliege nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 EStG der Einkommensteuer. Der Kläger könne die geltend gemachten Aufwendungen als Werbungskosten bei diesen Einkünften abziehen, da sie beruflich veranlaßt seien. Obwohl sie ihrem Wesen nach Berufsausbildungskosten darstellten, seien sie im Streitfall trotzdem als Werbungskosten zu berücksichtigen, weil der Kläger in einem Ausbildungsdienstverhältnis gestanden habe. Die Verhältnisse des Streitfalls seien mit denen von Finanzanwärtern und Gerichtsreferendaren zu vergleichen.

Das FA legte gegen diese Entscheidung Revision ein. Es rügt unzutreffende Anwendung des § 9 EStG. Es führt hierzu u.a. aus:

Der Kläger habe zwar ein Ausbildungsgeld bezogen, das als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu behandeln sei. Er müsse es jedoch zurückzahlen, wenn er nach erfolgreich beendetem Studium aus der Bundeswehr ausscheide oder z.B. wegen Nichteignung entlassen werde. Hieraus könne aber nicht gefolgert werden, daß das Dienstverhältnis zum Zwecke der Ausbildung bestanden habe. Das Studium beruhe vielmehr auf dem freien Willensentschluß des Klägers. Sein Dienstherr habe die Zahlung des Ausbildungsgeldes nur übernommen, um sich für eine Anzahl von Jahren die Arbeitsleistung des Klägers als Zahnmediziner für die Bundeswehr zu sichern. Das Studium an einer Universität sei in allen Fällen als gleichwertig anzusehen und daher steuerlich stets als Berufsausbildung i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu würdigen.

Das FA beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Denn das FG hat die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen zu Recht als Werbungskosten anerkannt.

1. Die streitbefangenen Ausgaben sind zwar ihrem Wesen nach Berufsausbildungskosten.

Berufsausbildungskosten sind nach der Rechtsprechung gegeben, wenn die Aufwendungen dazu dienen, Kenntnisse zu erwerben, die als Grundlage für einen künftigen Beruf notwendig sind (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 9. März 1979 VI R 141/77, BFHE 127, 210, BStBl II 1979, 337). Hierzu zählen auch Kosten zum Erwerb von Kenntnissen, die die Grundlage dafür bilden sollen, um von einer Berufs- oder Erwerbsart zu einer anderen überzuwechseln (vgl. schon Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 24. Juni 1937 IV A 20/36, RStBl 1937, 1.089). Ausbildungskosten liegen nach der Rechtsprechung des BFH insbesondere vor bei Aufwendungen für das erstmalige Studium an einer Hochschule bzw. einer Universität (vgl. z.B. Grundsatzentscheidung des BFH vom 16. März 1967 IV R 266/66, BFHE 89, 511, BStBl III 1967, 723).

Berufsausbildungskosten sind Aufwendungen der allgemeinen Lebensführung. Sie können jedoch nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG mit einem Höchstbetrag bis 900 DM, im Falle einer auswärtigen Unterbringung mit einem Höchstbetrag bis zu 1.200 DM als Sonderausgaben berücksichtigt werden.

Die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen für Fahrtkosten am Studienort, für Fachliteratur und Arbeitsmittel sowie die Mehrkosten wegen doppelter Haushaltsführung sind an sich Berufsausbildungskosten, da sie in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Studium des Klägers an der Universität A standen und der Kläger mit dem Studium einen Wechsel der Berufsart anstrebte, nämlich den Übergang vom Soldaten des Truppendienstes zum Sanitätsoffizier der Bundeswehr.

2. Gemäß den zutreffenden Ausführungen des FG sind die genannten Ausgaben hier gleichwohl im vollen Umfang als Werbungskosten zu berücksichtigen. Denn die Beurteilung der Aufwendungen als Berufsausbildungkosten wird im Streitfall von dem Gesichtspunkt überlagert, daß die Ausgaben durch die Berufsausübung des Klägers als Arbeitnehmer veranlaßt waren und sie daher als Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 EStG zum Abzug zugelassen sind.

Der Kläger befand sich trotz der Beurlaubung zum Zwecke des Studiums weiterhin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Bundeswehr. Es handelte sich um ein sog. Ausbildungsdienstverhältnis, dessen Inhalt weitgehend von der vom Kläger beantragten, zugleich aber auch im Interesse seines Arbeitgebers, der Bundeswehr, liegenden Ausbildung zum Sanitätsoffizier geprägt war.

Nach §§ 7 ff. des Erlasses des Bundesministers der Verteidigung vom 30. November 1973 - In San II 3 - Az. 19-01-03 haben die Sanitätsoffiziers-Anwärter die Zeit der Beurlaubung für das beantragte Studium zu verwenden; sie können auch zusätzlich zur Teilnahme an dienstlichen Veranstaltungen befohlen werden, die der militärischen und fachlichen Ausbildung dienen. Sie haben die Pflicht, ihr Studium innerhalb eines angemessenen Zeitraums zu beenden, und sie müssen ihrer Betreuungseinheit alle Änderungen persönlicher Art melden, die für ihre Personalunterlagen und für die Berechnung ihrer Dienstbezüge oder ihres Ausbildungsgeldes Bedeutung haben. Bei einer Abwesenheit von mehr als sieben Tagen oder bei Auslandsreisen müssen sie ihre Dienststelle bzw. ihren Truppenteil vorher über die Dauer der Abwesenheit und ihre Erreichbarkeit in Kenntnis setzen, und sie müssen einen beabsichtigten Wechsel des Studienorts vier Wochen vorher über ihre Betreuungseinheit bei der personalbearbeitenden Stelle beantragen.

Das im Hinblick auf die vorgenannten Pflichten gezahlte Ausbildungsbild ist, wie das FG zu Recht hervorgehoben hat, steuerpflichtiger Arbeitslohn i. S. des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG, nämlich ein Lohn, der für die Beschäftigung im öffentlichen Dienst gewährt wird. Das ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.

Liegt aber steuerpflichtiger Arbeitslohn vor, so sind alle mit der Ausübung der beruflichen Tätigkeit des Klägers in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Aufwendungen als Werbungskosten zum Abzug zuzulassen. Da das Ausbildungsdienstverhältnis darauf gerichtet ist, daß der Kläger als Sanitätsoffiziers-Anwärter die Zeit der Beurlaubung für das beantragte Studium verwendet, müssen die mit dem Studium zusammenhängenden Ausgaben, wie hier die Fahrtkosten zum Studienort, die Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung und die Ausgaben für Fachliteratur und Arbeitsmittel, als Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Nrn. 4 bis 6 EStG anerkannt werden. Die Universität A ist für die Zeit des Studiums für den Kläger die "Arbeitsstätte" i. S. des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG und die Stadt A ist für diesen Zeitraum der "Beschäftigungsort" i. S. des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG.

3. Die Entscheidung des Senats entspricht den Urteilen vom 12. Dezember 1979 VI R 64/78 (BFHE 129, 173, BStBl II 1980, 124) und vom 7. November 1980 VI R 50/79 (BFHE 132, 49, BStBl II 1981, 216), in denen der Senat Aufwendungen für ein Hochschulstudium bei Offizieren der Bundeswehr als Werbungskosten anerkannt hat, weil sich das bisherige Dienstverhältnis zur Bundeswehr in ein Ausbildungsdienstverhältnis umgewandelt hatte. In den beiden Fällen waren die Offiziere allerdings nicht wie im Streitfall beurlaubt, sondern zum Studium an der Technischen Hochschule bzw. an der Hochschule der Bundeswehr "abkommandiert" worden. Zwischen einer Beurlaubung und einer Abkommandierung bestehen zwar dienstrechtliche Unterschiede, die sich insbesondere darin zeigen, daß im letztgenannten Fall die bisherigen Dienstbezüge i. d. R. unverändert fortgezahlt werden, im vorliegenden Fall der Beurlaubung jedoch nicht. Diese Modalitäten können jedoch nach Ansicht des Senats nicht zu einer unterschiedlichen steuerrechtlichen Würdigung führen, da es sich in allen drei vom BFH entschiedenen Fällen um Ausbildungsdienstverhältnisse gehandelt hat, bei denen die Einnahmen lohnsteuerpflichtige Bezüge darstellen (so im Ergebnis auch Urteile des FG Düsseldorf vom 6. September 1977 XV 167/74 E, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1978, 163, und anscheinend auch vom 10. Mai 1973 X 80/72 L, EFG 1973, 535, sowie Schmidt/Drenseck, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 3. Aufl., § 19 Anm. 12, Stichwort: Ausbildungskosten; Giloy, Der Betrieb 1973, 498, 499, und Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer, Stichwort: Ausbildungskosten/Fortbildungskosten, D, Unterstichwort: Ausbildungsdienstverhältnis).

Soweit der Senat im Urteil vom 18. Februar 1977 VI R 78/75 (BFHE 121, 346, BStBl II 1977, 390) und in dem nichtveröffentlichten Urteil vom 22. Oktober 1982 VI R 115/79 einen anderen Standpunkt vertreten hat, hält er hieran nicht mehr fest.