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BFH-Urteil vom 4.10.1984 (IV R 195/83) BStBl. 1985 II S. 133

Sind die Einkünfte einer offenen Handelsgesellschaft aus Tierzucht oder Tierhaltung, für die die nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 EStG i. V. m. §§ 51, 51a BewG für eine landwirtschaftliche Tierzucht und Tierhaltung erforderlichen landwirtschaftlich genutzten Flächen vorhanden sind, nur deshalb als gewerbliche Einkünfte zu behandeln, weil die Gesellschaft daneben auch ein gewerbliches Unternehmen betreibt, so sind die Verluste aus Tierzucht und Tierhaltung keine Verluste aus gewerblicher Tierzucht oder gewerblicher Tierhaltung im Sinne des § 2a EStG 1971 (§ 15 Abs. 2 EStG 1975).

EStG 1971 §§ 2a, 13 Abs. 1 Nr. 1; EStG 1975 § 15 Abs. 2; BewG §§ 51, 51a.

Vorinstanz: FG München

Sachverhalt

In dem Verfahren der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung für die Jahre 1971 und 1972 der aus dem Ehepaar X bestehenden OHG (Klägerin und Revisionsklägerin - Klägerin -) ist streitig, ob die Klägerin die Verluste, die sie in ihrem landwirtschaftlichen Betrieb erlitten hat, mit den Einkünften aus Gewerbebetrieb ausgleichen kann (§ 2a des Einkommensteuergesetzes 1971 - EStG 1971 -).

Die Klägerin betrieb in den Streitjahren in der Rechtsform einer OHG das Hotel A und die Gaststätte B. Außerdem unterhielt sie zunächst als wirtschaftliche, später als bürgerlich-rechtliche Eigentümerin einen landwirtschaftlichen Hof. Im einzelnen wird hierzu auf das diesen Erwerb betreffende Urteil des Senats vom 26. April 1979 IV R 199/74 (BFHE 128, 358, BStBl II 1979, 667) verwiesen.

Bei einer Betriebsprüfung, die auch die Kalenderjahre 1971 und 1972 umfaßte, kam der Prüfer zu dem Ergebnis, daß der land- und forstwirtschaftliche Betrieb zusammen mit den gewerblichen Betrieben der Klägerin ein einheitliches gewerbliches Unternehmen bilde und daher die im land- und forstwirtschaftlichen Betriebsteil entstandenen Verluste aus Tierzucht und Tierhaltung nach § 2a EStG 1971 mit den anderen Einkünften aus Gewerbebetrieb nicht ausgeglichen werden dürften. Der Prüfer ermittelte einen Verlust aus gewerblicher Tierzucht und gewerblicher Tierhaltung in Höhe von 41.544 DM für 1971 und in Höhe von 136.656 DM für 1972 und erhöhte den von ihm ermittelten Gewinn aus Gewerbebetrieb für die Jahre 1971 und 1972 um diese Beträge.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) folgte der Rechtsansicht des Prüfers und stellte die vom Betriebsprüfer ermittelten Gewinne für die Jahre 1971 und 1972 einheitlich und gesondert fest. Der Einspruch blieb erfolglos.

Mit der Klage wandte sich die Klägerin gegen die Anwendung des § 2a EStG 1971. Sie vertrat die Meinung, das Ausgleichsverbot für Verluste aus gewerblicher Tierhaltung oder Tierzucht sei in das Gesetz aufgenommen worden, um landwirtschaftsfremde Abschreibungsgesellschaften davon abzuhalten, mit steuerlichen Vorteilen in den Bereich der tierischen Veredelungsproduktion in der Landwirtschaft einzudringen und sich dadurch gegenüber der herkömmlichen Landwirtschaft Vorteile zu verschaffen. Diese Überlegungen träfen aber auf ihren landwirtschaftlichen Betrieb nicht zu. Hier hätten von Anfang an die Voraussetzungen für reine Landwirtschaft vorgelegen. Sie sei auch als solche betrieben und nur aufgrund der steuerlichen Zurechnung innerhalb der OHG als gewerblicher Teilbetrieb geführt worden. Mit dem Erwerb des landwirtschaftlichen Betriebes sei eine verläßliche und nachhaltige Belieferungsmöglichkeit für die gastronomischen Betriebe erstrebt worden.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Es führte aus, durch § 2a EStG 1971 seien nicht nur Abschreibungs- und Buchverluste vom Ausgleich ausgeschlossen. Wie der Bundesfinanzhof (BFH) im Urteil vom 5. Februar 1981 IV R 163/77 (BFHE 132, 456, BStBl II 1981, 359) ausgeführt habe, ergreife § 2a EStG 1971 nach seinem eindeutigen Wortlaut alle Verluste aus gewerblicher Tierzucht und Tierhaltung ohne jegliche Einschränkung. Es sei daher nicht zulässig, die Vorschrift gegen ihren Wortlaut einengend in der Weise auszulegen, wie sie der Gesetzgeber hätte gestalten können, aber offensichtlich nicht gestaltet hat. Die Voraussetzungen des § 2a EStG 1971 für einen Ausschluß des Verlustausgleichs seien daher im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

Mit der Revision beantragt die Klägerin, das Urteil des FG aufzuheben und die Gewinnfeststellungsbescheide vom 2. Januar 1979 und vom 17. August 1981 sowie die Einspruchsentscheidung vom 26. Juli 1979 nach Klageantrag abzuändern.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

1. Das FG beruft sich zur Begründung seiner Auffassung, daß nach § 2a EStG 1971 (jetzt § 15 Abs. 2 EStG 1975) die Verluste aus Tierzucht oder Tierhaltung, die - aus welchen Gründen auch immer - den Einkünften aus Gewerbebetrieb zuzuordnen sind, ausnahmslos vom Verlustausgleich ausgeschlossen seien, zu Unrecht auf das Urteil des Senats in BFHE 132, 456, BStBl II 1981, 359. Der Senat hatte sich damals mit der Frage zu befassen, ob bei einer gewerblichen Tierzucht oder einer gewerblichen Tierhaltung i. S. des § 2a EStG 1971 nur Abschreibungs- und Buchverluste vom Verlustausgleich mit anderen gewerblichen Verlusten oder anderen Einkünften ausgeschlossen sind oder auch andere Verluste, die im normalen betriebswirtschaftlichen Ablauf des Betriebes entstanden sind. Der Senat hat sich für letzteres entschieden. Er brauchte dabei nicht zu der Frage Stellung zu nehmen, welche Betriebe vom Begriff her überhaupt als gewerbliche Tierzucht und gewerbliche Tierhaltung i. S. des § 2a EStG 1971 zu gelten haben. Der betreffende Betrieb einer Abschreibungsgesellschaft, an der der damalige Kläger beteiligt war, fiel unstreitig und zweifelsfrei unter den Begriff der gewerblichen Tierzucht und Tierhaltung im Sinne der genannten Vorschrift.

Zu der Frage, welche Betriebe begrifflich zur gewerblichen Tierhaltung und gewerblichen Tierzucht i. S. des § 2a EStG 1971 im einzelnen zu rechnen sind, mußte erst das Urteil des Senats vom 12. August 1982 IV R 69/79 (BFHE 136, 470, BStBl II 1983, 36) Stellung nehmen. Dort ist ausgeführt: "Das FG ist auch zutreffend davon ausgegangen, daß der Betrieb der Klägerin eine gewerbliche Tierhaltung im Sinne des § 2a EStG 1971 war. Denn gewerbliche Tierhaltung im Sinne dieser Vorschrift ist jede Tierhaltung, der nach den Vorschriften des § 13 Abs. 1 EStG in Verbindung mit § 51 und § 51a des Bewertungsgesetzes 1965 keine eigene landwirtschaftliche Nutzfläche als Futtergrundlage zur Verfügung steht. Die Klägerin besaß keine eigenen landwirtschaftlichen Nutzflächen als Futtergrundlage ihrer Schweinemast. Ihre Meinung, sie habe mit ihrer Schweinemast zwar ein Gewerbe, aber keine gewerbliche Tierhaltung im Sinne des § 2a EStG 1971 betrieben, ist unzutreffend. Betreibt ein Einzelsteuerpflichtiger oder eine Personengesellschaft nur eine Tierzucht oder eine Tierhaltung, ohne daneben eine andere Tätigkeit auszuüben, so ist diese Tierzucht oder Tierhaltung entweder ein landwirtschaftlicher Betrieb, wenn im Sinne des § 13 Abs. 1 EStG ausreichende landwirtschaftliche Nutzflächen als Futtergrundlage zur Verfügung stehen, oder eine gewerbliche Tierzucht oder Tierhaltung im Sinne des § 2a EStG 1971, wenn diese Voraussetzungen nicht vorliegen. Ein drittes wäre nur dann möglich, wenn die Verluste einer Tierzucht oder Tierhaltung, die für sich die Voraussetzungen eines landwirtschaftlichen Betriebes nach § 13 Abs. 1 Satz 2 bis Satz 5 EStG 1971 in Verbindung mit § 51 und § 51a des Bewertungsgesetzes 1965 der Sache nach erfüllt, gemäß § 13 Abs. 1 Satz 5 letzter Halbsatz EStG 1971 aber nur deshalb den gewerblichen Einkünften zugerechnet werden müßten, weil sie von einer Personengesellschaft betrieben wird, die daneben eine gewerbliche Tätigkeit, z. B. eine Großschlachterei, selbst betreibt".

Der Senat ging also dem Sinn und Zweck des Gesetzes folgend bei seiner vom Wortlaut abweichenden teleologischen Interpretation des § 2a EStG 1971 davon aus, daß eine landwirtschaftlich betriebene Tierzucht oder eine Tierhaltung, denen im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 1 EStG i. V. m. §§ 51, 51a des Bewertungsgesetzes (BewG) ausreichende selbstbewirtschaftete landwirtschaftliche Nutzflächen als Futtergrundlage ihrer Tiere zur Verfügung stehen und deren Einkünfte nur deshalb als gewerbliche gelten müssen, weil die Landwirtschaft im Rahmen einer OHG zusammen mit einem Gewerbebetrieb, z. B. einem Gaststättenbetrieb, betrieben wird (vgl. dazu BFH-Urteil vom 10. November 1983 IV R 86/80, BFHE 140, 44, BStBl II 1984, 152), keine gewerbliche Tierzucht oder Tierhaltung i. S. des § 2a EStG 1971 darstellt (vgl. dazu im einzelnen Leingärtner-Zaisch, Die Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft, Rdnrn. 119 bis 124). An dieser Auffassung, die schon der weitgehend in das Gesetz übernommenen Gesetzesvorlage der CDU-CSU-Fraktion vom 9. März 1971 zugrunde lag (vgl. BTDrucks VI/1934, abgedruckt im Urteil in BFHE 132, 456, 460, BStBl II 1981, 359, 362), hält der Senat fest.

2. Im Streitfall steht fest, daß der Klägerin für ihre Tierzucht und Tierhaltung im Rahmen ihrer Landwirtschaft ausreichende landwirtschaftliche Nutzflächen i. S. des § 13 Abs. 1 Nr. 1 EStG zur Verfügung standen. Das bedeutet, daß der Betrieb ohne die anderen gewerblichen Einkünfte der OHG als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb i. S. des § 13 EStG anzuerkennen gewesen wäre und seine Einkünfte als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft zu behandeln gewesen wären. Wenn daher die Klägerin aus dieser Tierzucht und Tierhaltung ihrer Landwirtschaft in den Streitjahren Verluste erzielt hat, so können diese Verluste mit den übrigen Einkünften aus ihrem Gewerbebetrieb ausgeglichen werden. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn es sich um einen Liebhabereibetrieb gehandelt hätte. Davon ist aber im Streitfall in den Streitjahren nicht die Rede. Die Vorentscheidung muß daher wegen ihrer gegenteiligen Rechtsauffassung aufgehoben werden; die Sache ist entscheidungsreif. Gemäß dem Antrag der Klägerin sind die vom FA festgestellten Gewinne der Klägerin für 1971 und 1972 um die vom Betriebsprüfer ermittelten Verluste aus Landwirtschaft zu kürzen.