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BFH-Urteil vom 24.10.1984 (II R 103/83) BStBl. 1985 II S. 137

Ein Rentenvermächtnis, das einer Person ausgesetzt worden ist, die dem Erblasser den Haushalt geführt und ihn versorgt hat, unterliegt dann nicht der Erbschaftsteuer, wenn die Haushaltsführung im Rahmen eines Dienstverhältnisses erfolgte und als Entgelt für die Haushaltsführung ein Ruhegehalt vereinbart worden ist, das durch die letztwillige Verfügung nur noch bestätigt wurde.

ErbStG 1974 § 3 Abs. 1 Nr. 1.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

Die 1909 geborene Klägerin zog 1972 zu dem 10 Jahre älteren verwitweten Erblasser und führte ihm den Haushalt bis zu seinem Tod im Jahre 1977. In der letzten Zeit seines Lebens pflegte sie ihn auch. Kost und Wohnen waren für sie frei. Ein Gehalt zahlte der Erblasser allerdings nicht. Er finanzierte aber den gemeinsamen Urlaub.

Der Erblasser errichtete 1972 ein Testament, durch das er der Klägerin verschiedene Vermächtnisse aussetzte "als Entgelt dafür, daß sie mich vom Tode meiner Frau ... an, also von etwa Mai 1972 an, ständig verpflegt und versorgt sowie Dienste im Haushalt und Garten geleistet hat" und in der Erwartung, daß sie dies auch in Zukunft tun werde. Als Alleinerbin bestimmte er eine noch zu errichtende Stiftung.

1975 setzte der Erblasser durch Erbvertrag das Institut A. zum Alleinerben ein. Für die Klägerin wurden weiterhin Vermächtnisse bestimmt, unter anderen eine monatliche Rente in Höhe von 2.000 DM, "erbschaftsteuerbegünstigt, soweit angängig, als Dank und Anerkennung für geleistete Pflege und Unterhalt im Haushalt des Erblassers".

Durch vorläufigen Steuerbescheid vom 26. April 1979 zog das Finanzamt (FA) die Klägerin zur Erbschaftsteuer nach der Steuerklasse IV heran. Als Erwerb setzte es unter anderem den Kapitalwert der Rente mit 211.416 DM an. Insgesamt ergab sich eine Erbschaftsteuer in Höhe von 125.172 DM (36 v. H. des angenommenen steuerpflichtigen Erwerbs von 347.700 DM).

Nach erfolglosem Einspruch hat die Klägerin Klage erhoben und beantragt, die Rente von der Erbschaftsteuer freizustellen. Sie hat geltend gemacht, die Rente sei Entgelt für geleistete Dienste.

Das Finanzgericht (FG) hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Klägerin. Es hat der Klage stattgegeben und die Erbschaftsteuer auf 38.136 DM herabgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, daß die Versorgungsrente nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme als Gegenleistung für die von der Klägerin erbrachten Dienste anzusehen sei. Sie unterliege deshalb nicht der Erbschaftsteuer. Entscheidend für die Würdigung der Abmachungen als entgeltlichen Vertrag sei die glaubhafte Aussage der Klägerin. Danach habe ihr der Erblasser bei Beginn ihrer Tätigkeit gesagt, wenn sie ihn gut versorge, versorge er sie auch gut. Die Höhe der Versorgungsrente sei dann ausgehandelt worden. Die zunächst vorgesehene Rente von 1.000 DM monatlich sei der Klägerin zu niedrig gewesen. Sie habe auf 2.000 DM bestanden, die ihr dann auch eingeräumt worden seien.

Das FA hat Revision eingelegt und beantragt, das Urteil des FG ersatzlos aufzuheben. Zur Begründung hat es ausgeführt, daß das Urteil gegen § 3 Abs. 1 Nr. 1 und § 10 Abs. 5 Nr. 1 des Erbschaftsteuergesetzes 1974 (ErbStG 1974) verstoße. Die der Klägerin erbvertraglich zugesagte Rente könne nicht als Entgelt für geleistete Dienste angesehen werden. Die Beweiswürdigung des FG sei nicht frei von Widersprüchen, lasse wichtige Umstände völlig außer Betracht und beruhe teilweise auf einer falschen Rechtsansicht.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Die vom FG getroffenen Feststellungen reichen für seine Schlußfolgerung nicht aus, die der Klägerin vom Erblasser zugewandte Rente sei Gegenleistung für von ihr erbrachte Dienste und sei deshalb nicht Teil ihres der Erbschaftsteuer unterliegenden Erwerbs nach dem Erblasser.

Auch im vorliegenden Fall ist grundsätzlich davon auszugehen, daß die Aussetzung eines Vermächtnisses (§§ 2147 f. des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) mit dem Tode des Erblassers zu einem der Erbschaftsteuer unterliegenden Erwerb des Vermächtnisnehmers führt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974). Der Anfall eines Vermächtnisses unterliegt nur ausnahmsweise unter besonderen Umständen nicht der Erbschaftsteuer, z. B. dann nicht, wenn dem Erwerber letztwillig etwas zugesprochen wird, worauf er bereits ohne die letztwillige Zuwendung einen rechtlichen Anspruch hatte, wenn z. B. der Arbeitgeber in seinem Testament nochmals einen aufgrund eines Arbeitsverhältnisses begründeten Ruhegehaltsanspruch bestätigt (vgl. das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 20. August 1965 VI 156/64 U, BFHE 83, 565, BStBl III 1965, 706, sowie die Urteile des Bundesarbeitsgerichts - BAG - vom 23. April 1959 2 AZR 118/56, Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts - Arbeitsrechtliche Praxis - AP - § 518 BGB Nr. 1; vom 24. September 1960 5 AZR 3/60, AP § 612 BGB Nr. 15, und vom 30. September 1971 5 AZR 177/71, AP § 612 BGB Nr. 27; vgl. ferner Troll, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz-Kommentar, 3. Aufl., § 3 ErbStG Tz. 37). Das Vorliegen eines derartigen Schuldverhältnisses bedarf jedoch im Einzelfall des konkreten Nachweises. Andernfalls unterliegt der Erwerb aufgrund der Vermächtnisanordnung der Erbschaftsteuer.

Entgegen der Auffassung des FG ergeben die von ihm getroffenen Feststellungen nicht das Vorliegen eines Dienstverhältnisses zwischen dem Erblasser und der Klägerin und einer Ruhegeldvereinbarung für die Zeit nach dem Tode des Erblassers. Die in diesem Zusammenhang angestellten Überlegungen des FG sind nicht frei von Rechtsirrtum.

Der Senat vermag dem FG nicht zu folgen, daß sich Fremde auch dann nicht Werte in beträchtlicher Höhe zu schenken pflegen, wenn sie einander freundschaftlich verbunden seien. Eine derartige Lebenserfahrung besteht nicht. Gerade dann, wenn nahe Verwandte nicht vorhanden sind, liegt die Überlegung nicht fern, andere dem Erblasser persönlich nahestehende Personen letztwillig zu bedenken, wie dies im vorliegenden Fall in erheblichem Umfang geschehen ist. Aus der Tatsache, daß die Klägerin und der Erblasser nicht miteinander verwandt oder verschwägert waren, dürfen deshalb keine Schlußfolgerungen im Hinblick auf die Qualität des Rentenvermächtnisses als eines deklaratorischen Vermächtnisses gezogen werden (Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 3. Oktober 1983 II ZR 133/82, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht - FamRZ - 1983, 1213).

Auch aus dem später wieder aufgehobenen Testament vom 15. Mai 1973 lassen sich keine Schlüsse für das Bestehen eines Dienstverhältnisses mit einer Ruhegehaltsvereinbarung ziehen. Auch wenn dort hinsichtlich des Vermächtnisses davon die Rede ist, daß es als Entgelt dafür gedacht sei, daß die Klägerin den Erblasser von etwa Mai 1972 an ständig verpflege und versorge sowie Dienste im Haushalt und Garten leiste, so folgt daraus nicht, daß unabhängig von dem Testament eine Ruhegehaltsvereinbarung aus einem Dienstverhältnis vorhanden war.

Entscheidendes Gewicht hat das FG auf die Aussage der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gelegt. Aber auch hieraus läßt sich nicht ohne weiteres auf das Vorhandensein eines Dienstverhältnisses nebst Ruhegehaltsvereinbarung schließen. Die von der Klägerin wiedergegebenen Äußerungen des Erblassers, daß er sie gut versorgen werde, wenn sie ihn gut versorge, lassen nicht den sicheren Schluß auf das Vorhandensein eines Dienstverhältnisses nebst Ruhegehaltsvereinbarung zu. Diese Äußerung ergibt auch dann einen Sinn, wenn man annimmt, daß zwischen dem Erblasser und der Klägerin keine rechtlichen, sondern nur persönliche Beziehungen bestanden haben, die den Erblasser veranlaßt haben, durch letztwillige Verfügung eine Dankesschuld abzutragen. Die Einflußnahme der Klägerin auf die Höhe der durch Vermächtnis ausgesetzten Rente erlaubt für sich allein nicht den Schluß auf das Vorliegen eines Dienstverhältnisses nebst lebzeitiger Ruhegehaltszusage. Auch bei rein persönlichen Beziehungen ist ein Gespräch darüber sinnvoll, welcher Betrag für eine angemessene Versorgung des Partners erforderlich sein dürfte.

Nach den Feststellungen des FG zog die Klägerin 1972 zu dem verwitweten Erblasser, um ihm den Haushalt zu führen; es fehlen bisher Feststellungen darüber, unter welchen Umständen und zu welchen Bedingungen die Klägerin sich seinerzeit bereit erklärt hat, die Haushaltsführung zu übernehmen.

Sollte die Haushaltsführung im Rahmen eines entgeltlichen Dienstverhältnisses erfolgen, so hätte über die Art der Haushaltsführung und ihre Vergütung gesprochen werden müssen. Es fehlt bisher auch an Angaben darüber, ob der Erblasser zu Lebzeiten seinen Verpflichtungen nachgekommen ist, denen er bei Bestehen eines Dienstverhältnisses nach den Steuergesetzen und den Sozialversicherungsgesetzen unterlegen hätte.

Unklar ist auch, warum das FG dem Umstand Bedeutung beimißt, daß das Vermächtnis in einem Erbvertrag angeordnet worden ist. Denn die Klägerin war nicht Partnerin des Erbvertrages. Deshalb hätte sie eine einvernehmliche Änderung des Erbvertrages nicht verhindern können (vgl. §§ 2290, 2291 BGB). Es bleibt die Frage, warum sich die Klägerin unter diesen Umständen mit einer letztwilligen Zuwendung begnügte, ohne auf eine eindeutige lebzeitige Ruhegehaltsvereinbarung zu dringen.

Die nicht spruchreife Sache geht an das FG zurück, das erneut die Frage zu prüfen haben wird, ob zwischen der Klägerin und dem Erblasser ein Dienstverhältnis und eine rechtswirksame lebzeitige Ruhegehaltsvereinbarung bestanden. Lassen sich ausreichende Feststellungen für eine derartige Schlußfolgerung treffen, so unterliegt die Rente als Ruhegehalt der Lohnsteuer und nicht der Erbschaftsteuer. Anderenfalls ist von dem Vorliegen eines der Erbschaftsteuer unterliegenden Erwerbs aufgrund eines Vermächtnisses auszugehen. Es ist in diesem Falle auch nicht möglich, einen Abzug gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG 1974 vorzunehmen. Läßt sich ein Dienstverhältnis nicht nachweisen, so bleiben Dienstleistungen im persönlichen Bereich. Sie können nicht als Kosten für die Erlangung des Erwerbs berücksichtigt werden. Der vorliegende Fall wäre nicht mit dem vom Senat am 13. Juli 1983 entschiedenen Fall vergleichbar (vgl. II R 105/82, BFHE 139, 294, BStBl II 1984, 37).