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BFH-Urteil vom 25.1.1985 (III R 30/80) BStBl. 1985 II S. 309

Die allgemeine Regelung in § 4b Abs. 2 Satz 1 InvZulG 1975, wonach Wirtschaftsgüter nur dann zulagebegünstigt sind, wenn sie nach dem 30. November 1974 und vor dem 1. Juli 1975 bestellt worden sind oder wenn in diesem Zeitraum mit ihrer Herstellung begonnen worden ist, gilt auch für Wirtschaftsgüter, die im Zusammenhang mit den in § 4b Abs. 2 Satz 4 InvZulG 1975 genannten Großprojekten der Energieerzeugung und -verteilung angeschafft oder hergestellt werden.

InvZulG 1975 § 4b.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz

Sachverhalt

Streitig ist die Gewährung einer Konjunkturzulage nach § 4b Abs. 2 Satz 4 des Investitionszulagengesetzes 1975 (InvZulG) für im Zusammenhang mit der Erstellung eines Großprojekts angeschaffte Wirtschaftsgüter.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt auf einem Grundstück im ... Industriehafen den Großhandel mit Mineralölprodukten und Flüssiggas. In der Zeit von Juni 1975 bis August 1976 errichtete sie vier zusätzliche Flüssiggasbehälter mit einem Fassungsvermögen von je 700 cbm. Im November 1976 ließ die Klägerin ihre beiden vorhandenen Werksgleise um 75 und 40 m verlängern und durch eine Weiche miteinander verbinden. Den Auftrag hierzu hatte sie am 30. August 1976 erteilt. Die Flüssiggasbehälter sollen nach Fertigstellung aller Nebenanlagen dem Umschlag von Tankschiffen auf Bahnkesselwagen dienen.

Mit Schreiben vom 11. Juni 1976 beantragte die Klägerin beim Bundesminister für Wirtschaft (BMWi), das Investitionsvorhaben nach § 4b InvZulG als Großprojekt im Bereich der Energieerzeugung und -verteilung mit besonderer energiepolitischer Bedeutung anzuerkennen. Nach einer dem Schreiben beigefügten Einzelaufstellung belief sich das Investitionsvorhaben auf eine Gesamtsumme von rd. 11,5 Mio DM. Als Einzelinvestitionen waren u. a. aufgeführt: die Anschaffung und Herstellung von zehn Flüssiggasbehältern, einer Schiffsverladeeinrichtung, einer Gleisverlängerung, einer Abgabevorrichtung, von Rohrleitungen und Pumpen sowie einer Feuerwehreinrichtung.

Mit Schreiben vom 2. September 1976 wurde der Klägerin die beantragte Bescheinigung erteilt. Das Investitionsvorhaben wird darin wie folgt beschrieben:

"Erweiterung des Gas- und Ölgroßlagers der Firma ... um zehn erdgedeckte Lagerbehälter für Flüssiggas mit einer Lagerkapazität von 7.000 cbm einschließlich der zugehörigen Nebenanlagen."

Für die in den Jahren 1975 und 1976 errichteten Flüssiggasbehälter einschließlich deren Anschlüsse gewährte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) der Klägerin die beantragte Konjunkturzulage. Für die mit der Verlängerung der Werksgleise verbundenen nachträglichen Herstellungskosten in Höhe von 58.532,24 DM lehnte das FA die Zulage jedoch mit der Begründung ab, daß mit der Herstellung der Werksgleise erst nach Ablauf des Begünstigungszeitraums begonnen worden sei. Der Einspruch war erfolglos.

Auch die Klage hatte keinen Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1981, 311 veröffentlicht.

Mit der Revision macht die Klägerin geltend:

Für im Zusammenhang mit sog. Großprojekten angeschaffte oder hergestellte Wirtschaftsgüter könne die Anfangsfrist des § 4b Abs. 2 Satz 1 InvZulG nicht gelten. Denn diese Wirtschaftsgüter würden in der Praxis nur nach Baufortschritt in Auftrag gegeben. Dem Gesichtspunkt, daß das Investitionsvorhaben alsbald durchzuführen sei, werde bei Großprojekten durch die im Gesetz vorgesehene Fertigstellungsfrist ausreichend Rechnung getragen.

Anders als im Einkommensteuerrecht sei bei Großprojekten unter dem Begriff Wirtschaftsgut auch das Investitionsvorhaben als Ganzes zu verstehen, und für die Einhaltung der Anfangsfrist genüge es, wenn mit einem repräsentativen Teil des Vorhabens rechtzeitig begonnen werde. Wie die Gebäuderechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zeige, sei der Wirtschaftsgutbegriff ein Zweckbegriff. Der Sinn und Zweck des § 4b InvZulG sei in einer Objektförderung zugunsten einer alsbaldigen Belebung der allgemeinen Wirtschaftskonjunktur zu sehen. Demgegenüber liege die Bedeutung des Wirtschaftsgutbegriffs im Bilanzrecht mehr in der Frage der Aktivierbarkeit und der Absetzung für Abnutzung (AfA).

Schließlich ist die Klägerin der Auffassung, daß die streitigen Gleisanlagen zusammen mit den bereits vorhandenen Flüssiggasbehältern und den noch geplanten Einrichtungen aufgrund der bestehenden räumlichen und technischen Verbindungen ein einziges Wirtschaftsgut darstellten.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung den Investitionszulagebescheid vom 31. Januar 1978 zu ändern und eine um 4.389,92 DM höhere Investitionszulage festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1.a) Entsprechend dem Sinn und Zweck begünstigt § 4b InvZulG nur Wirtschaftsgüter, die innerhalb einer bestimmten Frist in Auftrag gegeben (Begünstigungszeitraum) und die bis zu einem bestimmten Zeitpunkt geliefert oder fertiggestellt sind.

In letzterer Hinsicht, also für die Lieferung und Fertigstellung, enthält das Gesetz in § 4b Abs. 2 Sätze 2 bis 4 je nach der Art der Investition unterschiedliche Zeitpunkte. So müssen bewegliche Wirtschaftsgüter vor dem 1. Juli 1976 geliefert oder fertiggestellt sein. An die Stelle des 1. Juli 1976 tritt bei Gebäuden der 1. Juli 1977 und bei Großprojekten der Energieerzeugung und -verteilung der 1. Juli 1978. Mit dieser Staffelung wird dem Gesichtspunkt Rechnung getragen, daß Investitionsvorhaben je nach ihrer Art eine unterschiedliche Herstellungsdauer haben.

Demgegenüber ist die Frist, innerhalb der das Wirtschaftsgut bestellt oder mit dessen Herstellung begonnen sein muß, in § 4b Abs. 2 Satz 1 InvZulG für alle Investitionsvorhaben (bewegliche Wirtschaftsgüter, Gebäude, Großprojekte) einheitlich geregelt. Der Gesetzeswortlaut läßt insoweit eine Differenzierung nach der Art der Investition nicht zu. Der Senat kann insoweit auch keine Gesetzeslücke feststellen. Die im Zusammenhang mit der Herstellung von Großprojekten verbundenen Schwierigkeiten waren dem Gesetzgeber bekannt. Er hat ihnen durch das Hinausschieben des Fertigstellungszeitpunkts Rechnung getragen. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß der Gesetzgeber die von der Klägerin dargelegten und mit der Auftragsvergabe verbundenen Schwierigkeiten übersehen hätte.

Zum gleichen Ergebnis war der Senat bereits in seinem Urteil vom 1. Juli 1983 III R 161/81 (BFHE 138, 513, BStBl II 1983, 686) gekommen. In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt ging es um die Herstellung eines Gebäudes, einer Hofbefestigung und einer Umzäunung und um die Bestellung eines Transformators. Seinerzeit hatte der Investor ebenfalls eingewandt, daß erst nach der Fertigstellung des Gebäudes die Aufträge für die weiteren Investitionen hätten vergeben werden können. Der Senat war der Auffassung, daß trotz eines nicht zu leugnenden sachlichen, zeitlichen und funktionellen Zusammenhangs der einzelnen Investitionen zueinander für jedes einzelne Wirtschaftsgut die Anfangsfrist beachtet werden müsse.

b) Nach Auffassung des Senats entspricht diese Gesetzesauslegung auch der Zielsetzung des § 4b InvZulG. Die Vorschrift diente dazu, die abgeschwächte Wirtschaftstätigkeit und die rückläufige Beschäftigung zu beleben. Durch den auf sieben Monate begrenzten Begünstigungszeitraum sollte erreicht werden, daß die Aufträge alsbald vergeben werden. Durch die Begünstigung von Investitionen wurde mit einer Anstoßwirkung für den gesamten volkswirtschaftlichen Kreislauf gerechnet (vgl. zur Gesetzesbegründung BTDrucks 7/2979 S. 7 und 7/3010 S. 5). Ausschließlich diese Zielsetzung steht bei der Förderung nach § 4b InvZulG im Vordergrund. Daneben ist die in § 4b Abs. 2 Satz 4 InvZulG angesprochene Förderung von Großanlagen im Energiebereich nicht noch ein zusätzlicher zweiter Begünstigungszweck des § 4b InvZulG. Solche Anlagen zu fördern, fällt vielmehr in den Regelungsbereich des § 4a InvZulG. Die Ausdehnung der Fertigstellungsfrist in § 4b Abs. 2 Satz 4 InvZulG auf Großprojekte im Energiebereich wurde lediglich deshalb in das Gesetz aufgenommen, weil die Veränderungen in der Weltenergielage seinerzeit eine wesentliche Ursache für den inländischen Konjunktureinbruch waren (vgl. BTDrucks 7/2979 S. 7). Die Förderung von Großanlagen im Energiebereich im Rahmen des § 4b InvZulG kann deshalb nur unter der allgemeinen Zielsetzung dieser Vorschrift gesehen werden. Dann ist es aber gerechtfertigt, auch diese Großanlagen nur insoweit zu begünstigen, als Aufträge verbindlich innerhalb des allgemeinen Begünstigungszeitraums (1. Dezember 1974 bis 30. Juni 1975) vergeben wurden.

2. Für nicht zutreffend hält der Senat die Auffassung der Klägerin, daß der Begriff des Wirtschaftsguts in § 4b Abs. 2 Satz 4 InvZulG mit dem Begriff des Investitionsvorhabens, nämlich mit den Großprojekten im Energiebereich, gleichzusetzen sei. Gegen diese Auffassung spricht schon der Gesetzeswortlaut; denn Satz 4 der genannten Vorschrift spricht von den "Wirtschaftsgütern, die im Zusammenhang mit Investitionsvorhaben" angeschafft oder hergestellt werden. Daraus ergibt sich, daß ein Investitionsvorhaben selbst aus (in der Regel vielen) Wirtschaftsgütern besteht, selbst aber grundsätzlich nicht das einzige Wirtschaftsgut ist.

Im übrigen legt der BFH in ständiger Rechtsprechung Begriffe des Investitionszulagenrechts, die dem Einkommensteuerrecht entnommen sind, mit ihrem einkommensteuerrechtlichen Inhalt aus, soweit dieser Auslegung nicht Sinn und Zweck des InvZulG entgegenstehen (vgl. z. B. Entscheidung vom 21. Juli 1966 IV 289/65, BFHE 87, 180, BStBl III 1967, 59). Das gilt in besonderem Maße für einen zentralen Begriff wie den des Wirtschaftsguts. Der Senat kann keine Gründe erkennen, die im vorliegenden Zusammenhang eine Ausnahme von diesem Grundsatz zuließen.

3. Der Senat tritt auch den eingehenden Ausführungen des FG bei, daß die streitige Gleisanlage nicht ein unselbständiger Teil eines einheitlichen Wirtschaftsguts "Flüssiggasterminal" sei. Nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung werden solche technischen Großanlagen nicht als einheitliches Wirtschaftsgut angesehen. Nach welchen Grundsätzen eine solche Anlage in einzelne Wirtschaftsgüter aufzuteilen ist, braucht der Senat im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden. Auch der erneute Hinweis der Klägerin in der mündlichen Verhandlung auf den von der Rechtsprechung im Zusammenhang mit der selbständigen Aktivierung von Gebäudeteilen entwickelten einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang (vgl. BFH-Entscheidungen vom 26. November 1973 GrS 5/71, BFHE 111, 242, BStBl II 1974, 132, und vom 26. Februar 1975 I R 32/73, BFHE 115, 238, BStBl II 1975, 443; Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 15. Januar 1976, BStBl I 1976, 66, und Abschn. 13b der Einkommensteuer-Richtlinien) führt nicht weiter. Bei dieser Rechtsprechung geht es um die Abgrenzung des einheitlichen Gebäudes von den selbständig zu aktivierenden Gebäudebestandteilen aufgrund der dabei bestehenden besonderen Interessenlage (gesonderte Abschreibung, Mietereinbauten). Eine solche oder eine ähnliche Interessenlage besteht bei Großprojekten (sog. geschlossenen Anlagen) der hier streitigen Art nicht.