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BFH-Urteil vom 13.2.1985 (II R 227/81) BStBl. 1985 II S. 333

§ 18 Abs. 1 Nr. 15 ErbStG erfaßte nur laufende Zuwendungen.

ErbStG 1959 § 18 Abs. 1 Nr. 15.

Vorinstanz: FG Bremen

Sachverhalt

I.

Die Beteiligten streiten um die Besteuerung einer Zuwendung, welche der Kläger von der am 21. Dezember 1973 verstorbenen Frau A erhalten hat.

Nach dem vom beklagten Finanzamt (FA) nicht bestrittenen Vortrag der Gegenseite übergab Frau A am 1. Dezember 1973 dem Vater des (am 30. Juni 1963 geborenen) Klägers ein Sparbuch mit einem Guthaben von 42.261 DM mit der Weisung, das Guthaben nach ihrem (der Frau A) Tode "aufzulösen und es für die spätere Ausbildung des Klägers anzulegen". Die Zuwendung solle den im Testament bedachten Erben nicht bekanntwerden. In dem Sparbuch war unter dem Datum vom 5. Juni 1972 eine "Vollmacht für den Todesfall" für den Vater des Klägers eingetragen. In dem Testament, welches Frau A am 3. September 1970 in notariell beurkundeter Form errichtet hatte, ist die vorgenannte Zuwendung des Sparbuches nicht erwähnt.

In der Erbschaftsteuererklärung bezeichnete der Vater des Klägers das zugewandte Sparguthaben als Vermächtnis.

Das FA setzte die Erbschaftsteuer für den Kläger nach Steuerklasse V fest.

Mit dem Einspruch machte der Vater des Klägers geltend, er habe die Zuwendung des Sparguthabens irrtümlich als Erwerb von Todes wegen erklärt. Es handele sich um eine Schenkung unter Lebenden zur Ausbildung des Bedachten, die nach § 18 Abs. 1 Nr. 15 des Erbschaftsteuergesetzes 1959 (ErbStG 1959) steuerfrei sei.

Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Die Klage wies das Finanzgericht (FG) ab.

Mit der vom Bundesfinanzhof (BFH) zugelassenen Revision verfolgt der Kläger weiterhin sein Klagebegehren.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet.

Der Senat kann unentschieden lassen, ob es sich bei der Zuwendung des Sparguthabens um eine Schenkung auf den Todesfall handelt, weil die Verfügung über das Sparguthaben erst nach dem Tode des Zuwendenden möglich war, oder ob eine Schenkung unter Lebenden gegeben ist, denn die begehrte Steuerbefreiung steht dem Kläger selbst dann nicht zu, wenn man die Zuwendung des Sparguthabens als Schenkung unter Lebenden ansieht (§ 3 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 ErbStG 1959). § 18 Abs. 1 Nr. 15 ErbStG 1959 ist einschränkend dahin auszulegen, daß er nur sog. laufende Zuwendungen unter Lebenden erfaßt. Damit gilt er nicht für die hier zu beurteilende Zuwendung eines Kapitalbetrages in Form des Sparguthabens.

Die genannte Vorschrift befreit nur Zuwendungen unter Lebenden, nicht aber solche von Todes wegen. Ihre Auslegung muß diese Unterscheidung berücksichtigen. Diese erklärt sich dadurch, daß die Zuwendungen "zum Zwecke" des angemessenen Unterhalts und "zur" Ausbildung des Bedachten gegeben werden müssen. Das Gesetz enthält keine Klausel, wonach die Verwirklichung dieses Zweckes sicherzustellen wäre. Das kann nur bedeuten, daß hier solche Zuwendungen gemeint sind, die keiner derartigen Sicherung bedürfen. Das sind grundsätzlich nur laufende Zuwendungen, die jeweils für einen kurzen überschaubaren Zeitraum gegeben werden, innerhalb dessen nicht mit einer Änderung der Verhältnisse zu rechnen ist, welche für die Zuwendung maßgebend waren. Dementsprechend hat schon der Reichsfinanzhof (RFH) zu § 18 Abs. 1 Nr. 14 ErbStG 1925 als dem Vorgänger des § 18 Abs. 1 Nr. 15 ErbStG 1959 entschieden, daß die Zuwendung eines Rentenstammrechts nicht steuerfrei sei; denn es stehe nicht fest, daß die Voraussetzungen dieser Vorschrift bis zum Erlöschen des (für längere Zeit) eingeräumten Rentenstammrechts fortdauern werden (Urteil vom 4. November 1930 I eA 402/30, RStBl I 1930, 819). Zuwendungen, die jeweils für einen größeren Zeitraum (gewissermaßen "ins Ungewisse") gegeben würden, seien nicht speziell für die Ausbildung oder den Unterhalt gegeben, sondern nähmen in Wirklichkeit einen Erbgang vorweg (RFH-Urteil vom 11. April 1935 III eA 1/34, RStBl 1935, 904).

Auch Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) spricht für diese vorgenannte einschränkende Auslegung des § 18 Abs. 1 Nr. 15 ErbStG 1959. Wollte man auch eine Kapitalzuwendung begünstigen, die dem Unterhalt oder der Ausbildung über einen langfristigen nicht überschaubaren Zeitraum hinweg dienen soll, so dürfte man die Steuerbefreiung nicht auf die Zuwendung unter Lebenden beschränken. Denn diese würde sich insoweit nicht von einer Kapitalzuwendung durch Verfügung von Todes wegen unterscheiden, welche in der Erwartung gegeben würde, der Bedachte werde sie zu seinem Unterhalt oder zur Ausbildung verwenden. Die Beschränkung des § 18 Abs. 1 Nr. 15 ErbStG 1959 auf Schenkungen unter Lebenden gewinnt demnach ihre Rechtfertigung erst dadurch, daß die Vorschrift nur für laufende Zuwendungen gilt, die nur unter Lebenden denkbar sind.

Das Sparguthaben, welches der Kläger erhalten hat, geht über den Rahmen dieser laufenden Zuwendungen hinaus, welche durch § 18 Abs. 1 Nr. 15 ErbStG 1959 erfaßt werden. Es sollte der Ausbildung des Klägers dienen, ohne daß bei der Zuwendung zu übersehen war, zu welchem Zeitpunkt, für welchen Zeitraum und in welchem Umfang das Geld zur Ausbildung des Klägers verwendet werden würde.