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BFH-Urteil vom 24.4.1985 (II R 231/84) BStBl. 1985 II S. 361

Bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens einer GmbH ist die Körperschaftsteuerschuld mit 56 v. H. des zu versteuernden Einkommens vom Rohbetriebsvermögen abzuziehen, wenn im maßgebenden Feststellungszeitpunkt ein Beschluß über die Gewinnausschüttung noch nicht vorliegt (Abweichung von BFHE 106, 110, BStBl II 1972, 693).

BewG 1974 §§ 98a, 105.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine GmbH. Das Finanzamt - FA - (Revisionskläger) stellte den Einheitswert für das Betriebsvermögen der Klägerin zum 1. Januar 1978 auf 119.000 DM und zum 1. Januar 1979 auf 145.000 DM fest. Mit dem Einspruch machte die Klägerin geltend, in den Vermögensaufstellungen für diese beiden Feststellungszeitpunkte seien beim Ansatz der Körperschaftsteuererstattungen bzw. -schulden entsprechend der Bilanzierung die Körperschaftsteuerminderungsbeträge gemäß §§ 27, 28 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) in Höhe von 12.314 DM und von 16.560 DM schuldmindernd berücksichtigt. Diese Ansprüche seien erst nach dem jeweiligen Feststellungszeitpunkt durch den Beschluß der Gesellschafterversammlung über die Gewinnausschüttung entstanden.

Die Gewinnausschüttung 1977 wurde im November 1978 und die Gewinnausschüttung 1978 im August 1979 beschlossen.

Der Einspruch war erfolglos.

Auf die Klage hat das Finanzgericht (FG) für die beiden Feststellungszeitpunkte entsprechend dem Antrag der Klägerin die Einheitswerte auf 107.000 DM und auf 129.000 DM festgestellt. Es hat die Körperschaftsteuerschulden mit 56 v. H. des zu versteuernden Einkommens berücksichtigt. Das FG hat die Revision zugelassen. Seine Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1985, 107 veröffentlicht.

Das FA beantragt mit seiner Revision sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Revision des FA ist unbegründet.

Entscheidungsgründe

1. Bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens sind betriebliche Schulden aus laufend veranlagten Steuern vom Rohvermögen abzuziehen, wenn die Steuern für einen Zeitraum erhoben werden, der spätestens im Feststellungszeitpunkt geendet hat (§§ 98 a, 103, 105 Abs. 1 Nr. 2 des Bewertungsgesetzes - BewG -). Dementsprechend konnte die Körperschaftsteuerschuld für 1977 bei der Einheitswertfeststellung zum 1. Januar 1978 und die Körperschaftsteuerschuld für 1978 bei der Einheitswertfeststellung zum 1. Januar 1979 abgezogen werden (§§ 48, 49 KStG, § 25 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -).

2. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat für die Zeit vor der Körperschaftsteuerreform 1977 die Rechtsauffassung vertreten, die Körperschaftsteuerschuld entstehe als einheitliche Schuld. Der gespaltene Steuersatz von 51 v. H. im allgemeinen und von 15 v. H. für Ausschüttungen (vgl. § 19 Abs. 1 KStG 1975) sei eine einheitliche Tarifvorschrift, die für die Beurteilung der Höhe der Steuerschuld als ganzes betrachtet werden müsse. Für die Ermittlung der abziehbaren Körperschaftsteuerschuld sei deshalb das zukünftige Ausschüttungsverhalten der Gesellschaft zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteil vom 26. Mai 1972 III R 61/71, BFHE 106, 110, BStBl II 1972, 693, m. w. N.).

Dieser Rechtsstandpunkt führte im Ergebnis dazu, daß die Körperschaftsteuerschulden in der vom FA für den jeweiligen Veranlagungszeitraum tatsächlich festgesetzten Höhe vom Rohvermögen abgezogen wurden.

Seit der Körperschaftsteuerreform 1977 wird dieser Rechtsprechung u. a. mit der Begründung entgegengetreten, die Anrechnung der Körperschaftsteuer auf die Einkommensteuer des Anteilsinhabers habe einen Systemwandel mit sich gebracht; die Körperschaftsteuerschuld betrage nunmehr einheitlich 56 v. H. des steuerpflichtigen Einkommens und müsse deshalb in dieser Höhe vom Rohvermögen abgezogen werden. Von einem gespaltenen Körperschaftsteuersatz für Einkommen im allgemeinen und ausgeschüttetes Einkommen könne seit dem Inkrafttreten des KStG 1977 nicht mehr ausgegangen werden (so z. B. Lang, Betriebs-Berater - BB - 1978, 200; Schwichtenberg, Der Betrieb - DB - 1979, 1050). Dagegen wird eingewendet, nach § 23 Abs. 8 KStG 1977 (= § 23 Abs. 6 KStG 1984) mindere sich die Körperschaftsteuer für Ausschüttungen auf 36 v. H., so daß sich insoweit an der bisherigen Rechtslage nichts geändert habe (so Lamprecht, BB 1981, 173, 176; s. zu dieser Frage auch die etwas widersprüchlichen Ausführungen bei Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 27 KStG, Allgemeine Erläuterungen B - S. 10 - und Erläuterungen zu Abs. 1 B I 2 - S. 32 -).

Der Senat läßt offen, ob die Körperschaftsteuerreform 1977 in der allgemeinen Besteuerung des Einkommens von Körperschaften und der Besteuerung von Ausschüttungen einen grundlegenden Wandel gebracht hat. Er stimmt dem FG zu, daß das die Einheitsbewertung beherrschende Stichtagsprinzip und das Verständnis, wie es in der jüngeren Rechtsprechung zum Ausdruck kommt, den Abzug der Körperschaftsteuerschulden in Höhe von 56 v. H. des zu versteuernden Einkommens rechtfertigt.

3. Der BFH hat mit Urteil vom 30. Januar 1976 III R 74/74 (BFHE 118, 234, BStBl II 1976, 280) entschieden, daß für die Bewertung von Geschäftsanteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung aufgrund von Verkäufen (§ 11 Abs. 2 Satz 2 BewG) in Abkehr von der früheren Rechtsprechung Verkäufe nach dem Bewertungsstichtag nicht berücksichtigt werden können. Er hat in einer weiteren Entscheidung vom 3. März 1978 III R 126/75 (BFHE 124, 548, BStBl II 1978, 366) für die Bewertung von gewerblichem Vorratsvermögen den Rechtsstandpunkt eingenommen, daß vor dem Bewertungsstichtag bekannte Preiserhöhungen, die erst mit dem Beginn des neuen Kalenderjahres wirksam werden, bei der Ermittlung des Teilwerts zum vorhergehenden Abschlußzeitpunkt 31. Dezember noch nicht berücksichtigt werden können.

Der III. Senat des BFH hat schließlich den Verlustrücktrag nach § 10 d EStG 1975 bei dem Abzug der Einkommensteuerschuld vom Rohvermögen für das Jahr, auf das der Verlustrücktrag wirkt, nicht schuldmindernd berücksichtigt (Urteil vom 17. Juli 1981 III R 35/80, BFHE 134, 355, BStBl II 1982, 54).

Alle diese Entscheidungen beruhen auf der Überlegung, daß das Stichtagsprinzip der Praktikabilität der Bewertung dient und deshalb genau beachtet werden müsse, auch wenn es bisweilen Ergebnisse mit sich bringe, die nicht voll zu befriedigen vermögen (BFHE 124, 548, 550, BStBl II 1978, 366).

Der erkennende Senat schließt sich dieser in der jüngeren Rechtsprechung vertretenen Auffassung zum Stichtagsprinzip in Übereinstimmung mit dem FG und der Literatur (vgl. Gürsching/Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 8. Aufl., § 105 BewG Anm. 17.2; Rössler/Troll/Langner, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 13. Aufl., § 105 BewG Anm. 18) für den Abzug der Körperschaftsteuerschulden vom Rohbetriebsvermögen an.

4. Die Körperschaftsteuerschuld aufgrund der Veranlagung entsteht mit dem Ablauf des Veranlagungszeitraums in Höhe von 56 v. H. des zu versteuernden Einkommens (§ 23 Abs. 1, § 48 KStG). Die Minderung gemäß § 27 Abs. 1 KStG für Ausschüttungen auf 36 v. H. des steuerpflichtigen Einkommens setzt die Ausschüttung von Gewinnen voraus. Die Ausschüttung kann zwangsläufig erst nach dem für die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens maßgebenden Feststellungszeitpunkt beschlossen werden. Damit kann weder die sich aufgrund des Ausschüttungsbeschlusses ergebende Minderung der Körperschaftsteuerschuld noch die durch diesen Beschluß entstehende Verbindlichkeit der Gesellschaft gegenüber ihren Anteilseignern auf die Dividendenausschüttung bei der Wertfeststellung an den Feststellungszeitpunkten berücksichtigt werden, die zeitlich vor dem Ausschüttungsbeschluß liegen (BFH-Urteil vom 25. März 1983 III R 13/81, BFHE 138, 257, BStBl II 1983, 444).