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BFH-Urteil vom 31.1.1985 (IV R 149/82) BStBl. 1985 II S. 365

Billigt der Gläubiger einem notleidenden Schuldner im Rahmen eines gegenseitigen Vertragsverhältnisses eine Preiserhöhung zu, so entsteht daraus für den Schuldner kein steuerbefreiter Sanierungsgewinn.

EStG § 3 Nr. 66.

Vorinstanz: FG Düsseldorf

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betrieb ein Bauunternehmen. Sie führte Arbeiten vor allem für zwei Hauptauftraggeber durch. Ende 1969 geriet sie in finanzielle Schwierigkeiten. Sie machte in diesem Zusammenhang ihre Hauptauftraggeber darauf aufmerksam, daß die mit ihnen vereinbarten Festpreise für die zum Teil bereits ausgeführten Bauarbeiten wegen zwischenzeitlich eingetretener Preissteigerungen bei Löhnen und Material nicht auskömmlich seien und daß sie Konkurs anmelden müsse, wenn ihr nicht eine Preiserhöhung zugebilligt würde. Die beiden Auftraggeber stimmten daraufhin im Juni 1970 Preiserhöhungen von insgesamt 4.950.000 DM zu.

Die Klägerin sah in der Mehrleistung ihrer Auftraggeber einen steuerfreien Sanierungsgewinn. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) folgte dem nach einer Betriebsprüfung nicht, sondern berücksichtigte die Leistungen in der Gewinnfeststellung 1970 als steuerpflichtigen Ertrag. Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

Zutreffend hat das FG entschieden, daß die Zubilligung einer höheren Gegenleistung im Rahmen eines gegenseitigen Vertrages keine steuerbegünstigte Sanierungsmaßnahme darstellt.

a) Seit dem Körperschaftsteuerreformgesetz vom 31. August 1976 (BGBl I 1976, 2.597, BStBl I 1976, 445) ist in § 3 Nr. 66 des Einkommensteuergesetzes vorgesehen, daß Erhöhungen des Betriebsvermögens, die dadurch entstehen, daß Schulden zum Zweck einer Sanierung ganz oder teilweise erlassen werden, steuerfrei sind. Eine gleichlautende Regelung enthielt zuvor § 11 Nr. 4 des Körperschaftsteuergesetzes in der auch im Streitjahr geltenden Fassung. Diese Regelung war analog auch im Einkommensteuerrecht anzuwenden (BFH-Urteile vom 4. August 1961 VI 35/61 U, BFHE 73, 685, BStBl III 1961, 516; vom 25. Oktober 1963 I 359/60 S, BFHE 78, 308, BStBl III 1964, 122; vom 27. September 1968 VI R 41/66, BFHE 94, 186, BStBl II 1969, 102). Hiervon geht auch der Senat aus.

b) Zur Sanierung eines notleidenden Unternehmens können seine Gläubiger in unterschiedlicher Weise beitragen. Sie können auf ihnen zustehende Forderungen verzichten, die Erfüllung von Ansprüchen stunden, Zuschüsse gewähren, eigene Ansprüche aus schwebenden Verträgen herabsetzen oder die eigenen Leistungen aus solchen Verträgen erhöhen. Aus allen diesen Maßnahmen, auch der zinslosen Stundung, können sich früher oder später Vermögensmehrungen für den Schuldner ergeben. Begünstigt ist nach dem Gesetz jedoch allein der Erlaß bereits zugunsten des Gläubigers bestehender Ansprüche. Die Rechtsprechung hat daher den Erlaß bereits aufgelaufener Zinsen, nicht aber die Ermäßigung des Zinssatzes für die Zukunft als steuerbegünstigte Sanierungsmaßnahme angesehen (Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 21. Dezember 1937 I 326/37, RStBl 1938, 239) und dazu auch nicht die Aufhebung eines für den Steuerpflichtigen nachteiligen Lieferungsvertrags gerechnet (RFH-Urteil vom 10. Dezember 1930 VI A 793/30, RStBl 1931, 195). Demgemäß wird auch in der Gewährung eines Zuschusses keine steuerbegünstigte Sanierungsmaßnahme gesehen (Steuck, Betriebsberater - BB - 1964, 387; Langel, Steuerberater-Jahrbuch 1977/78, 321, 332; Ströfer, Steuer und Wirtschaft - StuW - 1982, 231, 249; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 3 EStG Anm. 450; anderer Ansicht Ott, BB 1969, 705). Zwar mag die durch solche Maßnahmen bewirkte Gewinnerhöhung nicht auf eine entsprechende steuerliche Leistungsfähigkeit hindeuten (Ströfer, StuW 1982, 246). Dies gilt aber nicht mit der gleichen Gewißheit wie für den Schulderlaß als die typische Maßnahme zur Abwehr der Zahlungsunfähigkeit bzw. der Überschuldung und damit des Konkurses des Leistungspflichtigen. Die steuerliche Begünstigung des Schulderlasses kann daher nicht auf weitere Stützungsmaßnahmen der Gläubiger ausgedehnt werden. In dieser auf sachlichen Gründen beruhenden Differenzierung liegt kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz, wie die Klägerin meint.

c) Im Streitfall haben die Gläubiger der Klägerin keinen Schulderlaß gewährt; ihnen stand kein selbständiges Forderungsrecht zu, das Gegenstand eines Erlaßvertrags i. S. von § 397 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) hätte sein können.

Zwischen ihnen und der Klägerin bestanden beiderseits noch nicht erfüllte Werkverträge, d.h. auf gegenseitige Leistungen gerichtete Schuldverhältnisse. Diese Schuldverhältnisse sind im Streitjahr durch besondere Verträge inhaltlich abgeändert worden (§ 305 BGB). Dabei ist es nicht zu einer Herabsetzung der von der Klägerin geschuldeten Sachleistung, sondern zur Erhöhung der ihr zustehenden Geldleistung gekommen; die Gläubiger haben mithin nicht auf Ansprüche verzichtet, sondern zusätzliche Pflichten übernommen. Anders als beim Erlaß eines selbständigen Anspruchs ist hierdurch auch nicht bereits eine endgültige Vermögensmehrung bei der Klägerin eingetreten. Sie hing vielmehr davon ab, daß die Klägerin die ihr obliegenden Leistungen in vollem Umfang erbrachte und dadurch den uneingeschränkten Anspruch auf die Gegenleistung erlangte.

Ob und in welchem Umfang die Klägerin bei Abschluß des Änderungsvertrages bereits Anzahlungen erhalten hatte, ist unerheblich. Diese Vorauszahlungen waren auf die der Klägerin zustehende Vergütung anzurechnen; sie sind von den Vertragsparteien der Klägerin nicht erlassen worden. Die insoweit von der Klägerin erhobene Aufklärungsrüge ist unbeachtlich, da es auf diese Frage für die Entscheidung nicht ankommt (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Ebenso ist durch den Vertrag nicht auf künftige Schadensersatzforderungen verzichtet worden, die nach Meinung der Klägerin bei der drohenden Einstellung der Bauarbeiten für ihre Vertragspartner entstanden wären; solche Forderungen sollten durch den Änderungsvertrag gerade abgewendet werden. Ob der Erlaß erst künftig entstehender Forderungen überhaupt zu einem steuerfreien Sanierungsgewinn führen kann (dazu RFH-Urteil in RStBl 1938, 239), braucht daher nicht entschieden zu werden.