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BFH-Urteil vom 30.1.1985 (II R 6/83) BStBl. 1985 II S. 373

Erwirbt jemand von einer Gemeinde ein Grundstück zur Bebauung und zahlt er neben dem Kaufpreis als zukünftiger Eigentümer an die Gemeinde Vorauszahlungen auf den Erschließungsbeitrag, so gehören diese auch dann nicht zur Gegenleistung, wenn die Erschließungsanlage bei Abschluß des Kaufvertrages schon weitgehend fertiggestellt ist.

GrEStG NW § 11 Abs. 1 Nr. 1; BBauG § 133.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Die Kläger kauften von der Stadt A. durch notariell beurkundeten Vertrag vom 24. August 1977 je zur ideellen Hälfte ein Grundstück zur Bebauung mit einem Eigenheim. Der Kaufpreis betrug insgesamt . . . DM. Weiterhin zahlten die Kläger an Vorausleistungen auf Erschließungsbeiträge 20 DM je qm. Die Stadt A. behielt sich eine Nachveranlagung auf die Erschließungsbeiträge aufgrund von Abrechnungen vor.

Bereits am 30. März 1977 hatte die Stadt A. ein Schreiben an die Kläger des Inhalts gerichtet, daß sie ihnen ein Baugrundstück verkaufen werde. Gleichzeitig hatte sie den Kaufpreis und die Vorausleistungen auf die Erschließungsbeiträge zur Zahlung bis zum 30. April 1977 angefordert.

Die Baugenehmigung war den Klägern am 25. April 1977 erteilt worden. Bis Mitte 1977 waren die Kanalbauarbeiten und die Anliegerstraße mit grober Asphaltdecke fertiggestellt.

Das beklagte Finanzamt (FA) stellte die Grundstückserwerbe durch innerdienstliche Verfügung antragsgemäß von der Grunderwerbsteuer frei, weil die Kläger erklärt hatten, sie beabsichtigten, steuerbegünstigten Wohnraum zu erstellen. Es erhob die Grunderwerbsteuer durch zwei Steuerbescheide nach, als sich später herausstellte, daß den Klägern für die errichteten Wohnräume keine Grundsteuervergünstigung nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz (II. WoBauG) gewährt worden war. In die Gegenleistung bezog das FA auch die Vorausleistungen auf die Erschließungsbeiträge ein.

Nach erfolglosem Einspruch erhoben die Kläger Klage und beantragten, die Grunderwerbsteuer herabzusetzen. Die Vorausleistungen auf die Erschließungsbeiträge gehörten nicht zur Gegenleistung für den Grundstückserwerb.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben und die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Das FA hat Revision eingelegt und beantragt, die Klage unter Aufhebung der Vorentscheidung abzuweisen. Die Zahlung der Kläger auf die Erschließungsbeiträge sei als sonstige Leistung i. S. des § 11 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) Teil der Gegenleistung. Sie stelle ein Äquivalent für die Werterhöhung des Grundstücks durch die Erschließung dar.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist als unbegründet zurückzuweisen.

Die Revision könnte nur dann Erfolg haben, wenn die Vorausleistungen der Kläger auf die Erschließungskosten von ihnen als Entgelt für den Erwerb des Grundstücks gewährt oder von der Stadt A. als Entgelt für die Veräußerung des Grundstücks empfangen worden wären (vgl. die Urteile des Senats vom 27. Juni 1968 II 112/64, BFHE 93, 183, 187, BStBl II 1968, 690, und vom 10. November 1970 II 188/65, BFHE 101, 300, BStBl II 1971, 252). Das aber ist ersichtlich nicht der Fall. Die von dem FG getroffenen Feststellungen ergeben eindeutig, daß die Stadt A. die Vorausleistungen als Trägerin der Erschließungslast und Gläubigerin der Vorausleistungen auf die Erschließungsbeiträge erhalten hat.

Die Kläger haben nicht etwa eine bereits vorher entstandene Verpflichtung der Stadt A. kaufvertraglich übernommen. In der Person der Stadt A. konnte weder ein Erschließungsbeitrag noch eine Verpflichtung zur Vorausleistung entstehen; denn die Stadt A. konnte nicht ihr eigener Schuldner sein (vgl. das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 21. Oktober 1983 8 C 29.82, Deutsches Verwaltungsblatt 1984, 188). Die Kläger sind für die Vorausleistungen vielmehr allein deshalb in Anspruch genommen worden, weil sie nach der abzusehenden Entwicklung als spätere Grundstückseigentümer aufgrund des § 133 Abs. 2 i. V. m. § 134 Abs. 1 des Bundesbaugesetzes (BBauG) Schuldner des Erschließungsbeitrages werden würden (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 1984, Tz. 510, 545).

Ohne Bedeutung ist, ob in dem Schreiben der Stadt A. vom 30. März 1977 an die Kläger ein Vorausleistungsbescheid gegen die Kläger als zukünftige Grundstückseigentümer gesehen werden muß oder ob von einer Vorausleistungsvereinbarung auszugehen ist. Auch die Vorausleistungsvereinbarung gehört allein in den öffentlich-rechtlichen Bereich (vgl. Driehaus, a. a. O., Tz. 571). Der Unterschied zu den durch Verwaltungsakt angeforderten Vorausleistungen besteht im wesentlichen nur darin, daß lediglich im letzteren Falle mit dem Erlaß des Bescheides eine öffentliche Last i. S. des § 134 Abs. 2 BBauG entsteht (vgl. hierzu das Urteil des BVerwG vom 28. Oktober 1981 8 C 8.81, Kommunale Steuer-Zeitschrift 1982, 109).

Da die Kläger nach allem Schuldner der Vorausleistungen als in Aussicht genommene Grundstückserwerber und spätere Schuldner des Erschließungsbeitrags waren, ist in den Vorausleistungen auf die Erschließungsbeiträge keine sonstige Leistung i. S. des § 11 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG zu sehen. Es ist deshalb auch bedeutungslos, wie weit die Erschließung bei Abschluß des Kaufvertrages gediehen war.

Aus dem Urteil des Senats vom 11. März 1981 II R 77/78 (BFHE 133, 230, BStBl II 1981, 537) können keine anderen Schlußfolgerungen gezogen werden. Beide Fälle sind nicht vergleichbar. In dem seinerzeit entschiedenen Fall war die Erschließung einem Erschließungsunternehmer aufgrund eines Erschließungsvertrages übertragen worden (vgl. § 123 Abs. 3 BBauG). Die Erschließungskosten konnten deshalb nur aufgrund von zivilrechtlichen Abmachungen in dem Kaufvertrag gefordert werden.