| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

 

BFH-Urteil vom 6.3.1985 (II R 231/81) BStBl. 1985 II S. 388

Beschließt eine GmbH eine Kapitalerhöhung und wird diese erst nach dem Bewertungsstichtag in das Handelsregister eingetragen, so sind bei der Einheitsbewertung auf den Bewertungsstichtag Einzahlungsansprüche auf das erhöhte Stammkapital jedenfalls insoweit nicht anzusetzen, als es sich nicht um Ansprüche auf Leistung der gesetzlich oder satzungsgemäß vor der Eintragung der Kapitalerhöhung zu leistenden Einlagen handelt.

BewG § 95 Abs. 1; GmbHG § 54 Abs. 3, §§ 55, 56a.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz

Sachverhalt

Die Klägerin, eine GmbH, hatte am 13. Dezember 1971 und am 28. Dezember 1972 die Erhöhung ihres Stammkapitals um je ... DM beschlossen, wobei die zweite Kapitalerhöhung mit einer zum Zweck der Verlustminderung beschlossenen Kapitalherabsetzung um den gleichen Betrag zusammenfiel. Die Kapitalerhöhungen wurden am 14. Januar 1972 bzw. am 28. Januar 1974 in das Handelsregister eingetragen. Auf die übernommenen Stammeinlagen wurde jeweils 1/4 im Dezember 1971 bzw. im Dezember 1972 eingezahlt. Die Geschäftsführer waren ermächtigt, die restlichen Einlagen nach Bedarf anzufordern. Diese Einlagen wurden 1972 (erste Kapitalerhöhung) bzw. 1973 (zweite Kapitalerhöhung) geleistet.

In den Handelsbilanzen auf den 31. Dezember 1971 und den 31. Dezember 1972 kürzte die Klägerin das ausgewiesene bereits erhöhte Stammkapital jeweils um die noch nicht eingezahlten Einlagen, so daß von der jeweiligen Kapitalerhöhung jeweils nur das bereits eingezahlte eine Viertel als Stammkapitalerhöhung berücksichtigt wurde.

Das beklagte Finanzamt (FA) setzte die ausstehenden Einlagen bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1972 und den 1. Januar 1973 jeweils mit dem Nennwert an (Bescheide vom 6. Dezember 1976). Die Klägerin vertrat demgegenüber die Auffassung, daß ein Ansatz deshalb nicht gerechtfertigt sei, weil die Kapitalerhöhung erst mit der Eintragung in das Handelsregister wirksam werde.

Nach erfolglosem Einspruch hat die Klägerin mit ihrer Klage beantragt, die Einheitswerte auf den 1. Januar 1972 und den 1. Januar 1973 jeweils um die ausstehenden Einlagen herabzusetzen.

Hierzu hat sie vorgetragen, daß an den beiden Stichtagen noch keine Einzahlungsforderungen aus den Kapitalerhöhungen bestanden hätten.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1981, 117). Es ist der Auffassung, daß die Einzahlungsverpflichtungen jeweils mit dem Kapitalerhöhungsbeschluß entstanden seien. Sie seien mit ihrem Nennwert anzusetzen.

Die Klägerin hat Revision eingelegt und ihr Klagebegehren weiterverfolgt. Zur Begründung hat sie vor allem darauf hingewiesen, daß die Einzahlungsverpflichtungen der Gesellschafter unter dem Vorbehalt der Eintragung der jeweiligen Kapitalerhöhung in das Handelsregister stünden. Wäre die Klägerin vor der Eintragung in Konkurs geraten, so hätte der Konkursverwalter die Einzahlungen auf die Kapitalerhöhung nicht mehr fordern dürfen (Urteil des Reichsgerichts - RG - vom 20. Oktober 1911 II 68/11, RGZ 77, 152).

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zu der beantragten Herabsetzung der beiden Einheitswerte des Betriebsvermögens.

Der Klägerin ist darin zu folgen, daß die an den beiden Bewertungsstichtagen ausgewiesenen Einzahlungsansprüche auf die beschlossenen, aber noch nicht eingetragenen Kapitalerhöhungen nicht i. S. des § 95 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) als Teil des Betriebsvermögens anzusetzen sind. Bei diesen Ansprüchen handelt es sich um die restlichen Einzahlungsansprüche, die nach Leistung der Einlagen i. S. des § 56a i. V. m. § 7 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) verblieben sind. Es bestanden weder gesellschaftsrechtliche noch gesellschaftsvertragliche Verpflichtungen, die Einlagen vor der Eintragung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister zu leisten. Die Rechtswirksamkeit der Forderung auf Einzahlung stand unter dem Vorbehalt (der Rechtsbedingung) der Eintragung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister (vgl. RGZ 77, 152, 155 ff.; RG-Urteil vom 10. Juni 1913 II 95/13, RGZ 82, 375, 378 ff.; Hachenburg/Ulmer, Kommentar zum Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 7. Aufl., § 55 Tz. 67). Derartige noch in der Schwebe befindliche Ansprüche sind nicht zu bewerten (vgl. § 4 BewG).

Für diese Entscheidung ist es ohne Bedeutung, ob Einlagen, die gleichwohl vor Eintragung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister freiwillig geleistet werden, Tilgungswirkung haben (vgl. hierzu Fleck in Lindenmaier/Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, § 55 GmbHG, Nr. 4; Hachenburg/Ulmer, a. a. O., § 56a Tz. 17).

Da das FA die restlichen Einzahlungsansprüche zu Unrecht bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens berücksichtigt hat, bedarf es keiner Prüfung mehr, ob ggf. ein Ausgleichsposten als Verbindlichkeit abzuziehen gewesen wäre (vgl. in diesem Zusammenhang das Urteil vom 2. Oktober 1981 III R 73/78, BFHE 134, 177, BStBl II 1982, 13, mit Anmerkungen von Döllerer in Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht 1983, 418).