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BVerfG-Beschluß vom 26.2.1985 (2 BvL 14/84) BStBl. 1985 II S. 439

Bei der Hamburgischen Getränkesteuer handelt es sich auch insoweit um die traditionelle Gemeindegetränkesteuer, als die entgeltliche Abgabe von Bier zum Verzehr an Ort und Stelle einer Getränkesteuer unterworfen wird.

Gründe:

A.

Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob § 1 des Hamburgischen Gesetzes über die Erhebung einer Getränkesteuer (Art. 4 des Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur der Freien und Hansestadt Hamburg vom 22. Dezember 1983, GVBl S. 343) insoweit gegen Art. 105 Abs. 2a GG verstößt, als die entgeltliche Abgabe von Bier zum Verzehr an Ort und Stelle einer Getränkesteuer unterworfen wird.

I.

...

II.

1. Der Kläger des Ausgangsverfahrens ist Inhaber eines Restaurants, in dem die üblichen Getränke, u. a. Bier, ausgeschenkt werden....

2. Nach Ansicht des Klägers verstößt die Getränkesteuer gegen Art. 105 Abs. 2 a GG. Der Freien und Hansestadt Hamburg stehe das Gesetzgebungsrecht für die Getränkesteuer nicht zu. Sie sei mit der Umsatzsteuer gleichartig, weil sie an die entgeltliche Lieferung einer Ware anknüpfe. Anders als bei den herkömmlichen Getränkesteuern würden nicht einzelne Arten von Getränken, sondern die Gattung Getränke besteuert; Milch und Bier seien früher nicht besteuert worden; das Bedienungsgeld sei nicht in die Besteuerungsgrundlage einbezogen worden....

3. Das Finanzgericht Hamburg hat das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 GG ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob § 1 des Hamburgischen Gesetzes über die Erhebung einer Getränkesteuer insoweit gegen Art. 105 Abs. 2 a GG verstößt, als die entgeltliche Abgabe von Bier zum Verzehr an Ort und Stelle einer Getränkesteuer unterworfen wird.

...

III.

Zu dem Vorlagebeschluß haben sich der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg und das Bundesverwaltungsgericht geäußert.

1. Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg hält die Getränkesteuer für verfassungsgemäß.

...

2. a) Das Bundesverwaltungsgericht verweist auf sein Urteil vom 28. Juni 1974, in dem es die traditionelle Getränkesteuer als mit Art. 105 Abs. 2a GG vereinbar angesehen hat (BVerwGE 45, 264). Es könne nicht zweifelhaft sein, daß die Getränkesteuer zu den örtlichen Verbrauchsteuern zu rechnen sei, weil ihre Erhebung an die entgeltliche Abgabe von Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle anknüpfe, sie auf Abwälzbarkeit angelegt sei und wirtschaftlich vom Verbraucher getragen werde. Auch soweit die Abgabe von Bier besteuert werde, handele es sich um die Erhebung einer herkömmlichen Steuer. Das gelte selbst dann, wenn im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Finanzreformgesetzes am 1. Januar 1970 oder vor diesem Zeitpunkt eine Gemeindegetränkesteuer auf Bier nicht erhoben worden sein sollte.

b) Sehe man dagegen die Gemeindegetränkesteuer auf Bier nicht als herkömmliche Steuer, d. h. nicht als eine bei Inkrafttreten des Finanzreformgesetzes üblicherweise bestehende örtliche Verbrauchsteuer an, so dürfte sie gleichartig im Sinne des traditionellen Gleichartigkeitsbegriffs mit der Umsatzsteuer sein. Der Steuergegenstand, nämlich die entgeltliche Abgabe von Bier zum Verzehr an Ort und Stelle, entspreche den von § 1 Abs. 1 UStG besteuerten unternehmerischen "Lieferungen und sonstigen Leistungen". Der Steuermaßstab des Entgelts entspreche der Steuerbemessung nach dem Umsatz (§ 12 Abs. 1 UStG). Beide Steuern hätten im Prinzip dieselben wirtschaftlichen Auswirkungen....

B.

I.

...

II.

§ 1 des Hamburgischen Gesetzes über die Erhebung einer Getränkesteuer ist mit dem Grundgesetz vereinbar.

1. Entscheidend für die Beantwortung der Vorlagefrage ist das Verständnis des Gleichartigkeitsbegriffes in Art. 105 Abs. 2 a GG. Das Bundesverfassungsgericht hat bisher offengelassen, wie der Begriff "gleichartig" in Art. 105 Abs. 2 a GG im einzelnen zu definieren ist. Dies wäre erst dann geboten, wenn das Gericht zu prüfen hätte, ob eine von einem Land erfundene neue örtliche Steuer gegen das Gleichartigkeitsverbot verstößt (BVerfGE 40, 56 [64]). Die herkömmlichen örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern gelten jedenfalls als nicht mit bundesrechtlich geregelten Steuern gleichartig im Sinne des Art. 105 Abs. 2a GG. Zu den herkömmlichen Steuern gehören die bei Inkrafttreten des Finanzreformgesetzes am 1. Januar 1970 üblicherweise bestehenden örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern (BVerfGE 40, 52 [55]). Die traditionelle Gemeindegetränkesteuer, deren Erhebung an die entgeltliche Abgabe von Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle anknüpft, die auf Abwälzbarkeit angelegt ist und wirtschaftlich vom Verbraucher getragen wird, erfüllt diese Voraussetzungen (BVerfGE 44, 216 [226f.]).

2. Der vorliegende Fall macht es nicht erforderlich, den Gleichartigkeitsbegriff des Art. 105 Abs. 2a GG näher zu bestimmen. Bei der Hamburgischen Getränkesteuer handelt es sich auch insoweit um die traditionelle Gemeindegetränkesteuer, als die entgeltliche Abgabe von Bier zum Verzehr an Ort und Stelle einer Getränkesteuer unterworfen wird.

a) Das Bundesverfassungsgericht hat die traditionelle Gemeindegetränkesteuer generell über die Anknüpfung der Steuererhebung an die entgeltliche Abgabe von Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle definiert, ohne auf die Art der abgegebenen Getränke abzustellen (BVerfGE a. a. O.). Es kann hierbei auch nicht danach differenziert werden, auf welche Getränke diese Steuer erhoben und für welche sie über eine bestimmte Zeit nicht erhoben wurde. Es wäre nicht sachgerecht, eine solche einheitliche, durch den Bezug auf einen Gattungsbegriff definierte Steuer hinsichtlich ihrer Gleichartigkeit mit bundesgesetzlich geregelten Steuern nach dem jeweils abgegebenen Getränk unterschiedlich zu behandeln. Das liefe letztlich darauf hinaus, die Gesetzgebungsbefugnis der Länder aus Art. 105 Abs. 2a GG nach Getränken statt nach der Steuerart abzugrenzen.

b) Die Steuerart wird gemäß der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei der traditionellen Gemeindegetränkesteuer durch folgende drei Merkmale bestimmt: Die Steuererhebung knüpft an die entgeltliche Abgabe von Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle an, sie ist auf Abwälzbarkeit angelegt und wird wirtschaftlich vom Verbraucher getragen (BVerfGE a. a. O.). Diese Merkmale werden von der Hamburgischen Getränkesteuer allesamt erfüllt. Demgemäß ist sie auch insoweit, als sie auf den Verzehr von Bier erhoben wird, den herkömmlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern mit örtlichem Wirkungskreis zuzurechnen, die als nicht gleichartig mit bundesgesetzlich geregelten Steuern im Sinne des Art. 105 Abs. 2a GG gelten.